Kündigung bei Verweigerung eines Schnelltests (ArbG Hamburg v. 24.11.2021 - 27 Ca 208/21)

von Martin Biebl, veröffentlicht am 14.12.2021
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtCorona2|3145 Aufrufe

Das Arbeitgericht Hamburg hat in einer Entscheidung vom 24.11.2021 zu einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Verweigerung eines Corona-Schnelltests Stellung genommen. Die Entscheidung betraf dabei einen Vorfall im Juni 2021, als es noch keine Pflicht für Tests am Arbeitsplatz gab:

Die Arbeitgeberin ist im Bereich der Personenbeförderung tätig. Der Arbeitnehmer war bei ihr als Fahrer tätig und hatte gem. § 3 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages die Vorgaben des sog. Fahrerhandbuchs einzuhalten. In diesem Handbuch wurde mit Wirkung ab dem 1.6.2021 die Verpflichtung zur regelmäßigen Durchführung von Corona-Schnelltests (Antigentest im vorderen Nasenbereich) ergänzt. Es hieß nun dort:

„An deinem ersten Arbeitstag wird vor Schichtbeginn ein Test vor Ort unter Aufsicht durchgeführt.
Wenn dieser „Probelauf“ problemfrei und korrekt absolviert wurde, bekommst Du von Z. einen Satz neue Tests mit nach Hause. […]
Wenn Du vollständig geimpft bist […] musst du keine Corona Schnelltests machen. […]
Bestätige deine/n Negativtest/Impfung in deiner Operations App im Rahmen der Abfahrtkontrolle“

Der Arbeitnehmer verweigerte die Tests an drei aufeinanderfolgenden Tage, das Unternehmen kündigte. Und so ging es dann eben vor das Arbeitsgericht. Wegen fehlender Abmahnung hat das Arbeitsgericht die Kündigung zwar für unwirksam erachtet, sich aber dennoch erfreulich ausführlich zur Zulässigkeit der Testpflicht geäußert:

"Auch wenn es letztlich für die Entscheidung nicht darauf ankommt, geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte – obgleich eine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitnehmer nicht existierte – berechtigt war, Anfang Juni 2021 gegenüber ihren Fahrern die Durchführung der bereitgestellten Corona-Schnelltests anzuordnen. Insbesondere auch die Anordnung der Beklagten, einen solchen Test erstmalig vor Ort auf dem Betriebsgelände durchzuführen, war rechtmäßig und von dem in den Grenzen billigen Ermessens bestehenden Weisungsrecht der Beklagten gem. § 106 GewO gedeckt. [...]

Die Beklagte hat nach Abwägung dieser Umstände des Einzelfalls in den Grenzen ihres billigen Ermessens gehandelt, insbesondere unter Beachtung der gegenseitigen Interessen das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt.
(aa) Hierfür spricht zunächst, dass die Intensität des Eingriffs in die körperliche Integrität des Testanwenders (vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) im von der Beklagten gewählten Verfahren äußerst gering ist. Es handelt sich bei den von der Beklagten bereitgestellten Tests um Schnelltests, die vom Anwender selbst durchgeführt werden können und nur einen Abstrich im vorderen Nasenbereich erfordern. [...]  Mögen Abstriche im hinteren Nasenbereich unangenehmer, schmerzhafter und bei fehlerhafter Durchführung sogar gefährlich sein, kann davon bei Selbsttests im vorderen Nasenbereich nicht ausgegangen werden. [...] 

Auch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das sich hieraus ergebene Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers wird durch die Anordnung der Beklagten nicht übermäßig eingegriffen. [...] Ausgehend davon hatte die Beklagte ein berechtigtes, die Interessen des Klägers deutlich überwiegendes Interesse, die regelmäßige Durchführung von Corona-Schnelltests gegenüber ihren Fahrern anzuweisen. [...]
 

Im Ergebnis ist die streitgegenständliche Kündigung nach Auffassung der Kammer unwirksam, weil sie trotz mehrfacher Weigerung des Klägers, die von der Beklagten bereitgestellten Corona-Schnelltests durchzuführen, nicht als letztes Mittel erforderlich war, um den Kläger zur Vertragstreue zu bewirken. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ließ sich für die Kammer dagegen eine vorherige Abmahnung des Klägers nicht mit Sicherheit feststellen („non liquet“). Die Beklagte, die insoweit die Beweislast trägt, war somit nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist sogleich zu kündigen."

(ArbG Hamburg, Urteil vom 24. November 2021 – 27 Ca 208/21 / Hervorhebungen durch den Verfasser dieses Beitrags)

Fazit: Die Anordnung der Testpflicht war zulässig, eine Abmahnung des Klägers aber nicht zu beweisen und daher die Kündigung unwirksam.

 

 

 

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Die LTO-Presseschau:

ArbG Hamburg zu verweigertem Corona-Test: community.beck.de (Martin Biebl) berichtet über ein Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg. Vor drei Wochen hatte dieses gegenüber einer arbeitgeberseitig angeordneten Corona-Testpflicht keine Bedenken angemeldet. Den klagenden Test-Verweigerer müsse das Unternehmen gleichwohl weiterbeschäftigen, weil er nicht abgemahnt wurde, bevor ihm das Unternehmen kündigte.

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Die Corona-Schnelltests hatten bereits bei der Delta-Variante eine erhebliche Fehlerquote.

In den USA und Südafrika geht man nach vorläufigen Zwischenergebnissen davon aus, daß die Fehlerquote bei der Omnikrom-Mutante wahrscheinlich noch viel höher liegt.

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