Judex non calculat: Rechenfehler bei der Strafzumessung führt zur Urteilsaufhebung

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 13.02.2022
Rechtsgebiete: StrafrechtBetäubungsmittelrecht|4392 Aufrufe

Grundsätzlich darf die Tatbegehung mit einer nicht geringen Menge i.S.d. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 30 a Abs. 2 Nr. 2 nicht strafschärfend berücksichtigt werden, weil dies nur die Erfüllung des Qualifikationstatbestands beschreibt. Etwas anderes gilt aber, wenn es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. In diesem Fall darf das Maß der Überschreitung des Grenzwertes zu Lasten des Angeklagten in die Strafzumessung einfließen. Dazu muss aber die Überschreitung des Grenzwertes richtig berechnet werden. Verrechnet sich der Tatrichter (hier Berücksichtigung einer 875-fachen Überschreitung der nicht geringen Mengen anstatt richtigerweise nur einer 116-fachen Überschreitung), führt dies zur Urteilsaufhebung, wie die aktuelle Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH vom 15.12.2021 (2 StR 491/21 = BeckRS 2021, 45309) zeigt:

Hingegen haben die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe keinen Bestand.

a) Die Strafzumessung im Fall II.1 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht bei der Zumessung dieser Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten zu Lasten des Angeklagten gewichtet hat, dass die festgestellte Wirkstoffmenge der vom Angeklagten transportierten 7 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12,5% THC die nicht geringe Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG um das 875-fache überschritten habe. Dabei hat das Landgericht übersehen, dass mathematisch allein der THC-Anteil des transportierten Marihuanas bei 875 g lag, die nicht geringe Menge von 7,5 g THC (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 14) jedoch um das rund 116-fache überschritten wurde. Der Senat kann angesichts der zahlreichen Strafmilderungsgründe trotz der moderaten Einzelstrafe nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffend gewertetem Schuldgehalt eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte.

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