Mit etwas THC zum Festival...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.02.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2605 Aufrufe

Der Betroffene kifft. Manchmal jedenfalls. Machen Menschen eben, auch wenn Erwerb und Besitz verboten sind. Und wer einmal ein Festival besucht hat, der weiß, dass dort andere Gesetze gelten, als im Zivilleben. Der Exzess ist quasi Normalzustand. Jedenfalls hatte der Betroffene bei einer Festivalanfahrt etwas zu kiffen dabei. Ein paar Tage später fuhr er bekifft Auto. Das führte zu einer Fahrerlaubnisentziehung, zumal er schon ein paar Jahre früher gleichgeartet auffällig geworden war. Dem Betroffenen war das natürlich nicht genehm - die Gerichte halfen ihm aber richtigerweise nicht.

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. April 2019 - 6 K 3467/17 - zuzulassen, wird abgelehnt.

 Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

 Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

 Gründe: 

 Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Sein fristgemäßes Vorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, ergibt nicht, dass der sinngemäß geltend gemacht Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben ist.

 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss zu beurteilen ist (SächsOVG, Beschluss vom 8. Dezember 2019 - 6 A 740/19 -, juris Rn. 3, st. Rspr.).

 Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass sich der Kläger als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und der Beklagte ihm daher zu Recht die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, B und L entzogen hat. Er sei bei einer Vorkontrollstelle zum „G.“ Festival als Führer eines Kraftfahrzeugs durch den Besitz von Marihuana auffällig geworden. Zu diesem Zeitpunkt (14. Juli 2016, 00:40 Uhr) sei ein durchgeführter Drogenwischtest und ein Atemalkoholtest beim Kläger noch negativ verlaufen. Jedoch sei er am 17. Juli 2016 um 14:44 Uhr als Fahrer eines Kraftfahrzeugs mit drogentypischen Auffälligkeiten aufgegriffen worden. Die rechtsmedizinische Untersuchung seiner am Tattag um 15:38 Uhr entnommen Blutprobe habe einen Wert von 1,9 ng/ml THC und weniger als 0,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC sowie 22 ng/ml THC-Carbonsäure aufgewiesen. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV.

 Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums i. S. v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV seien erfüllt, trägt der Kläger vor, er habe vehement darauf hingewiesen, dass er über den 15. Juli 2016 hinaus kein Cannabis konsumiert habe und er sich die hohen Werte im Blut überhaupt nicht erklären könne. Er habe ferner vorgebracht, dass er medizinisch behandelt worden sei und Medikamente eingenommen habe, die ihm wegen einer beim Festival zugezogenen Schürfverletzung verordnet worden seien. Er habe die Trennung von Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen verinnerlicht und nach dem eingeräumten Konsum 48 Stunden Abstinenz geübt, um wieder fahrtauglich zu sein. Im Übrigen sei bei ihm anlässlich der Kontrolle vom 16. Juli 2016 gegen 00:40 Uhr ein Drogenwisch- und Atemalkoholtest negativ verlaufen. Ein weiterer Konsum von Cannabis im Vorfeld der Kontrolle sei daher nicht nachgewiesen. Es sei folglich nicht erwiesen, dass er zwei Mal unabhängig voneinander Cannabis konsumiert habe.

 Damit dringt er nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger nicht nur einmalig am 15. Juli 2016 Cannabis konsumiert haben kann, sondern er auch danach mindestens noch ein Mal Cannabis zu sich genommen haben muss.

 Soweit sich der Kläger zum Nachweis für seine angebliche 48-stündige Abstinenz vor der Kontrolle am 17. Juli 2016 darauf beruft, dass ein bei ihm am 16. Juli 2016 gegen 00:40 Uhr durchgeführter Drogenwischtest negativ verlaufen sei, hat er sich im Datum vertan. Ausweislich des Polizeiberichts vom 19. August 2016 wurde dieser Test bereits am 14. Juli 2016 um 00:40 Uhr durchgeführt und ist daher nicht geeignet eine 48-stündige Abstinenz vor der Kontrolle am 17. Juli 2016 zu belegen.

 Wie das Verwaltungsgericht weiter zu Recht festgestellt hat, ist seine Behauptung unter Berücksichtigung wissenschaftlich anerkannter Erkenntnisse auch nicht haltbar. Bei der Kontrolle vom 17. Juli 2016 hat der Kläger nach dem Polizeibericht vom selben Tag eingeräumt, zuletzt am Freitag, den 15. Juli 2016 Cannabis konsumiert zu haben. Sodann hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass durch die anlässlich der Kontrolle entnommene Blutprobe ein weiterer Konsum von Cannabis belegt ist. Die bei der Untersuchung festgestellten Werte ließen sich nach anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht auf einen einmaligen Konsum am 15. Juli 2016 zurückführen. Danach sei der Wirkstoff THC im Blutserum nur vier bis sechs Stunden nachweisbar, wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 9. Juli 2015 - 16 B 660/15 -, juris Rn. 5 f.) entschieden habe, das sich hinsichtlich dieser Feststellung auf Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. (2005), S. 178, berufen hat. Lediglich in Fällen wiederholten oder regelmäßigen Konsums von Cannabis, so das Verwaltungsgericht auf die genannte Entscheidung weiter, könne sich diese Zeitspanne auf gelegentlich über 24 Stunden verlängern. Darüber hinaus habe der Kläger ausweislich des rechtsmedizinischen ärztlichen Berichts vom 17. Juli 2016 eingeräumt, auch am 16. Juli 2016 Cannabis konsumiert zu haben. Auch dieser eingeräumte Konsum könne die rechtsmedizinisch festgestellten Werte nur erklären, wenn man nicht lediglich von einem vier- bis sechsstündig nachweisbaren Einzelkonsum, sondern zumindest von einem weiteren selbstständigen Konsum von Cannabis ausgehe.

 Mit diesen Gründen setzt sich der Kläger nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend auseinander. Auch unter Zugrundelegung aktueller Erkenntnisse zur Nachweisbarkeit von THC im Blutserum (Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff, in: Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2019, Nr. 3.14.2) beträgt die Nachweisbarkeitsdauer von THC oberhalb einer Konzentration von 1 ng/ml im Serum seit dem letzten Konsum sechs, bei Hochkonsum bis 12 Stunden, und nur in Fällen regelmäßigen oder mehrfach täglichen Konsums gegebenenfalls auch deutlich über 24 Stunden. Auch hiernach ist ausgeschlossen, dass der Kläger nach dem von ihm eingeräumten Konsum von Cannabis am 15. Juli 2016 kein weiteres Mal Cannabis konsumiert hat. Wissenschaftliche Erkenntnisse oder Tatsachen, welche andere Betrachtung rechtfertigen könnten, führt die Zulassungsbegründung nicht an. Seine Behauptung, letztmalig am 15. Juli 2016 Cannabis konsumiert zu haben, ist vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse als Schutzbehauptung zu werten. Entsprechendes gilt für seine im Zulassungsvorbringen wiederholt aufgestellte Behauptung, die festgestellten Werte müssten auf die Einnahme von Medikamenten im Zusammenhang mit der Schürfwundenbehandlung zurückzuführen sein, zumal er dem ärztlichen Bericht vom 17. Juli 2016 zufolge auf Nachfrage des untersuchenden Arztes nichts von einer Einnahme von Medikamenten angegeben hatte, sondern vielmehr einen Konsum von Cannabis am 16. Juli 2016 gegen 02:00 Uhr eingeräumt hatte.

 Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist das Verwaltungsgericht zudem auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte nicht gehalten war, vor der Entziehung der Fahrerlaubnis zunächst auf Grundlage des § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden. Zwar darf die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen, sondern sie hat in solchen Fällen gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden (BVerwG, Urt. v. 11. April 2019 - 3 C 9.18 -, juris Rn. 23). Beim Kläger ist jedoch nicht von einem erstmaligen Führen eines Kraftfahrzeugs unter einer seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Wirkung von Cannabis auszugehen, da er bereits am 21. März 2013 durch fehlendes Trennungsvermögen auffällig geworden war, indem er ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, obwohl er eine THC-Konzentration von 1,9 ng/ml im Blut aufgewiesen hatte. Dies muss sich der Kläger weiterhin entgegenhalten lassen. Die mit Bescheid vom 18. November 2013 angeordnete Entziehung seiner Fahrerlaubnis, die am 5. Dezember 2013 im Verkehrszentralregister eingetragen wurde, ist für Zwecke der Beurteilung der Fahreignung weiterhin verwertbar (§ 29 Abs. 7 Satz 1, § 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG).

 Nach § 28 Abs. 3 Nr. 6 StVG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes v. 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 2021) war die unanfechtbare Entziehung der Fahrerlaubnis im Verkehrszentralregister zu speichern. Die Tilgungsfrist betrug nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVG i. d. bis zum 30. April 2014 geltenden Fassung v. 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 329) zehn Jahre. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung beginnt die Tilgungsfrist gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 Buchst. a StVG aktuelle Fassung i. V. m. § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG in der bis zum 30. April 2014 gültigen Fassung erst mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der Rechtskraft der beschwerenden Entscheidung zu laufen, hier also mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis an den Antragsteller mit Bescheid vom 3. Mai 2016. Die Eintragung im Fahrerlaubnisregister infolge der ersten Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers war folglich zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung noch nicht gelöscht, weswegen er sie sich entgegenhalten lassen musst. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger als gelegentlicher Konsument von Cannabis nicht erstmals unter einer seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken.

 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung erster Instanz, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

OVG Bautzen Beschl. v. 20.12.2021 – 6 A 772/19, BeckRS 2021, 41688

 

Sicher spannend wird es, wenn es wie geplant zur Legalisierung von Cannabis kommt. Möglciherweise wird man da dann auch etwas großzügiger mit bekifften Fahrzeugführern umgehen müssen...Mal schauen!

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