Wieviel des Wissens bedarf es bei Geschwindigkeitsverstoß zur Vorsatzannahme?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.04.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1962 Aufrufe

Die Rechtsprechung knüpft oftmals die Vorsatzfeststellung bei Geschwindigkeitsverstößen an das Maß der Überschreitung. 40 % aufwärts sollen Vorsatz nahelegen, so wohl der derzeitige Stand der Rechtsprechung (pauschal gesprochen). Aber: Muss der Betroffene selbst eine konkrete Vorstellung vom Maß der Überschreitung haben? Damit hat sich das OLG Hamm befasst.

Dem Betroffenen wird auf eigene Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

 Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

 Zusatz: 

 

Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist anzumerken, dass der Umstand, dass einem Betroffenen der Umfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung möglicherweise nicht exakt bekannt ist, der Annahme von Vorsatz nicht entgegensteht. Vorsätzliches Handeln setzt eine solche Kenntnis nämlich nicht voraus. Vielmehr genügt das Wissen, schneller als erlaubt zu fahren (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom19.02.2021 - 1 OLG 53 Ss-OWi 684/20 -juris; vgl. auch BayObLG NZV 1999, 97; OLG Düsseldorf NZV 1996, 463). Dem Betroffenen war damit bewusst, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit jedenfalls nicht unerheblich erheblich überschritten hat. Wenn er es im Bewusstsein dessen unterließ, seine Geschwindigkeit durch den ihm jederzeit problemlos möglichen Blick auf den Tachometer zu kontrollieren und herabzumindern, brachte er dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch in dem tatsächlich realisierten Ausmaß zumindest billigend in Kauf nahm.

OLG Hamm Beschl. v. 7.2.2022 – 5 RBs 12/22, BeckRS 2022, 2177 

 

Also: Wer merkt, dass er zu schnell fährt, muss für den Vorsatz nicht noch das genaue Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung wissen!

  

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen