Wie hat sich der Betroffene denn eingelassen?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.07.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2297 Aufrufe

Was steht eigentlich in einem (verurteilenden Urteil) so drin? Es beginnt i.d.R. mit Darstellungen zur Person und dann den tatsächlichen Feststellungen (also der Darstellung der festgestellten Tat. Dem folgt die Beweiswürdigung. Und in dieser beginnt man üblicherweise mit der Einlassung des Betroffenen oder eben der Angabe, dass sich dieser nicht eingelassen habe. Genau darauf darf man nicht verzichten!

 

Das angefochtene Urteil leidet jedoch an einem sachlich-rechtlichen Mangel der Beweiswürdigung: Diese genügt nicht den Mindestanforderungen des § 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit §§ 261, 267 StPO.

Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der ordnungswidrigen Handlung gefunden werden. Vielmehr müssen hinsichtlich der Beweiswürdigung die Urteilsgründe regelmäßig auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung für widerlegt ansieht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 9. Juli 2009 – 3 Ss OWi 290/09; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Oktober 2006 – 1 Ss 55/06; OLG Rostock, Beschluss vom 1. April 2005 – 2 Ss (OWi) 389/04 1 246/04 –, jeweils bei juris, sowie Senge in KK-OWiG, 5. Aufl., § 71 Rdnr. 107 und Krenberger in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl., § 71 Rdnr. 15, alle mit weiteren Nachweisen).

Dem angefochtenen Urteil ist demgegenüber nichts dahingehend zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene in der Hauptverhandlung geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Es bleibt zudem unklar, ob das Tatgericht eine etwaige bestreitende Einlassung des Betroffenen aufgrund der benannten Beweismittel, insbesondere der verlesenen Unterlagen und der zeugenschaftlichen Vernehmung des Bruders des Betroffenen, als widerlegt erachtet oder wie es sich sonst im Rahmen der Beweiswürdigung mit einer eventuellen Äußerung auseinandergesetzt hat.

Das Fehlen einer Darstellung der Einlassung in den Urteilsgründen begründet auch im Bußgeldverfahren regelmäßig (vgl. OLG Bamberg und OLG Rostock a.a.O.) bzw. jedenfalls dann einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils, wenn – wie hier – die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.)

 

KG, Beschl. v. 12.01.2022 – 3 Ws (B) 8/22, BeckRS 2022, 1843

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