EuGH: Streit um Nachtzuschläge beurteilt sich nach nationalem Recht

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.07.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1571 Aufrufe

Das Urteil des EuGH zu unterschiedlichen hohen Zulagen für Nachtschichten war mit Spannung erwartet worden, da derzeit zahlreiche weitere Klagen entsprechenden Inhalts die Arbeitsgerichte beschäftigen. Allerdings hat sich der EuGH einer Stellungnahme in der Sache enthalten und festgestellt, dass EU-Recht hier keine Anwendung findet (Urteil vom 7.7.2022 - C‑257/21 und C‑258/21, BeckRS 2022, 15729).

Geklagt hatten zwei Mitarbeiter von Coca-Cola, die Nachtarbeit im Schichtbetrieb geleistet hatten. Sie machten vor den deutschen Arbeitsgerichten eine Ungleichbehandlung geltend, da nach dem Manteltarifvertrag für regelmäßige Nachtarbeit nur 20% Zuschlag gezahlt wird, während der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit bei 50% liegt. Begründet wird die höhere Zulage damit, dass sie für die Betroffenen noch belastender sei, weil man sie nicht planen könne. Außerdem gebe es bei regelmäßigen Nachtschichten zusätzliche Vergünstigungen, zum Beispiel freie Tage.

Das BAG hatte sich Ende 2020 mit Fragen an den EuGH gewandt (NZA 2021, 1121). Die zentrale Frage an den EuGH ging dahin, ob durch eine tarifvertragliche Regelung, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Vergütungszuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, die Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88 im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchgeführt wird. Der EuGH hat die Frage verneint. In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise:

„Jedoch ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich die Richtlinie 2003/88 mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten Sonderfalls des bezahlten Jahresurlaubs darauf beschränkt, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, so dass sie grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet. (…) Zwar regeln die Art. 8 bis 13 der Richtlinie 2003/88 die Nachtarbeit. Diese Bestimmungen betreffen jedoch nur Dauer und Rhythmus der Nachtarbeit (Art. 8 und 13 dieser Richtlinie), den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Nachtarbeiter (Art. 9, 10 und 12 der Richtlinie) sowie die Unterrichtung der zuständigen Behörden (Art. 11 der Richtlinie). Sie regeln also nicht das Entgelt der Arbeitnehmer für Nachtarbeit und erlegen den Mitgliedstaaten folglich in Bezug auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalte keine spezifische Verpflichtung auf.“

Damit liegt der Ball wieder beim BAG, das jetzt in der Sache zu entscheiden hat. Bis dahin werden sicherlich noch einige Monate vergehen.

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