Schimmelpilz - niedrige Miete, also muss Mieter/in mehr heizen und lüften, sagt das LG Hanau (BeckRS 2022, 20141)

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 16.10.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht|2552 Aufrufe

Der Klassiker: das Gebäude stammt aus der "kritischen" Bauzeit (60iger Jahre, sagt der Beschluss des LG), von außen dringt keine Feuchtigkeit in das Gebäude und die Mieter haben Schimmelpilz an der Schlafzimmerwand. 

Nach Auffassung des LG Hanau dringt die Mietminderung nicht durch. Die Miete (Genossenschaftswohnung) ist gering, die Möbel stehen zu dicht an der Schlafzimmerwand, es läge "kein ausreichendes Heizen und Lüften" vor, sagt das LG unter Berufung auf BGH NZM 2019, 136). Die Mieter könnten vor diesem Hintergrund keinen Neubaustandard erwarten.

Indes: im Beschluss findet man keine Feststellungen dazu, wie oft die Mieter auf Stoß hätten lüften und auf welche Raumtemperatur die Mieter die Räume mindestens hätten halten müssen, um dann erst zu beurteilen, ob dies noch für die Mieter "zumutbar" ist. Was "nicht ausreichend" sein soll, ist so nicht überprüfbar - und für Mieter auch nicht erkennbar.  Zudem: nach h.M. müssen Mieter in Schlafzimmer keineswegs so hohe Temperaturen erreichen wie in anderen Räumen - aber auch dazu finden sich keine konkreten Feststellungen. Dogmatisch am wenigsten überzeugend ist dann der Schluss von der niedrigen Miete in einer Genossenschaftswohnung auf "Erwartungen" des Mieters an den Standard der Mietsache - zumal auch dieser nicht begründet wird.

Die Entscheidung zeigt, dass leider manche Tatgerichte es sich schon bei den tatrichterlichen Feststellungen zur Frage der Vermeidbarkeit des Schimmels durch Lüften und Heizen zu einfach machen. Allerdings sind manche gerichtlich bestellte und vereidigte Sachverständige leider oft auch nicht in der Lage, zu berechnen, wie oft in einer Wohnung mit x Personen geheizt und gelüftet werden sollte, um Kondensat in Wandbereichen zu vermeiden. Allein das Verwenden von Textbausteinen indes - wie hier in vielen Teilen des Urteils - ersetzt keine richtige Entscheidung im Einzelfall. 

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