Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln trotz vorheriger Sicherstellung?

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 13.05.2023
Rechtsgebiete: StrafrechtBetäubungsmittelrecht|4091 Aufrufe

Die Frage, ob Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln trotz vorheriger Sicherstellung der Betäubungsmittel möglich ist, ist umstritten. 1. und 2. Strafsenat des BGH bejahen dies (BGH NJW 2008, 2276; BGH NStZ 2010, 522). Der 5. Strafsenat vertrat dagegen im Jahr 2008 die Auffassung, eine von vorneherein erfolglose und damit nutzlose Beihilfehandlung, nämlich die versuchte Entgegennahme von nicht existenten Rauschgifterlösen, stelle lediglich einen straflosen Beihilfeversuch dar (BGH NJW 2008, 1460).

Dem 1. Strafsenat lag nun wieder ein solcher Fall vor (BGH Beschl. v. 4.1.2023 – 5 StR 390/22, BeckRS 2023, 4015):

Zum Sachverhalt: Der Angeklagte sollte im Auftrag von Hintermännern den Standort eines auf dem Seeweg nach Deutschland transportierten Containers mit 412 kg Kokain ausfindig machen, damit das Kokain geborgen und in Umlauf gebracht werden konnte. Der Container mit dem Kokain war jedoch bereits zuvor in Deutschland sichergestellt worden, ohne dass die Hintermänner davon erfuhren. Der Angeklagte wusste, dass seine Tätigkeit für die Abwicklung des Drogengeschäfts relevant war und informierte seinen Auftraggeber laufend über seine Bemühungen.

Entscheidung des Landgerichts: Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und anderen Betäubungsmitteldelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten.

Entscheidung des 1. Strafsenats: Der 1. Strafsenat verwarf die Revision des Angeklagten u.a. mit folgender Begründung:

Entgegen der Ansicht der Revision belegen diese Feststellungen eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB. Die Sicherstellung der Drogen steht einer Förderung der auf die Erlangung der Betäubungsmittel gerichteten Bemühungen der Hinterleute (Handeltreiben) nicht entgegen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, ohne dass es auf den Erfolg ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256, 264 mwN). Zwar war hier der Warenfluss durch die Sicherstellung objektiv endgültig zur Ruhe gekommen. Das Handeltreiben der Hinterleute war hingegen nicht beendet, weil diese sich in Unkenntnis der Sicherstellung weiter darum bemühten, in den Besitz des Kokains zu kommen, und hierzu den Angeklagten mit der Suche nach dem Container betrauten. Da es für die Strafbarkeit des Haupttäters beim Handeltreiben aber nicht auf den tatsächlichen Umsatzerfolg ankommt, sondern allein auf das hierauf abzielende Verhalten, muss ein Gehilfe auch nur dessen auf den Erfolg abzielendes Verhalten unterstützen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 2010 – 2 StR 368/09, NStZ 2010, 522; vom 26. April 1994 - 1 StR 87/94, NJW 1994, 2162; Beschlüsse vom 28. Mai 2008 – 1 StR 196/08, NJW 2008, 2276 und vom 9. Juli 1996 – 1 StR 728/95, NStZ-RR 1996, 374). So ist es hier. Der Angeklagte förderte durch seine Nachforschungen die Bemühungen der Haupttäter, in den Besitz der Drogen zu gelangen.

Zwar hat der Senat mit Urteil vom 7. Februar 2008 (5 StR 242/07, NJW 2008, 1460, 1461) entschieden, dass der beabsichtigte Transport von Rauschgifthandelserlösen, die infolge vorangegangener Sicherstellung der Drogen tatsächlich nicht erzielt worden waren, wegen untauglicher und erfolgloser Bemühungen nicht als (vollendete) Beihilfe zum Handeltreiben anzusehen ist. Soweit dies entgegenstehen könnte, hält er an dieser Rechtsprechung, der sich kein anderer Senat des Bundesgerichtshofs in entscheidungserheblicher Weise angeschlossen hat (vgl. – nicht tragend – BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 1 StR 411/19; offengelassen von BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 3 StR 218/17), nicht fest.

Ich vertrete im BtMG-Kommentar Patzak/Volkmer/Fabricius (10. Auflage) eine differenzierte Auffassung (§ 29 BtMG Rn. 434):

Ausgehend davon, dass als Hilfeleisten i. S. d. § 27 StGB jede Handlung anzusehen ist, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters in irgendeiner Weise erleichtert oder objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (BGH NJW 2008, 1460 (1461); BGH NStZ 2017, 337; BGH NStZ 2019, 461; Kühl in Lackner/Kühl StGB § 27 Rn. 1; Fischer StGB § 27 Rn. 14), erscheint eine differenzierte Beurteilung abhängig vom Sachverhalt angezeigt. Grundsätzlich ist eine Beihilfe durch die Sicherstellung nicht ausgeschlossen, denn das Handeltreiben, das keinen Umsatzerfolg voraussetzt, ist durch die Sicherstellung von Betäubungsmitteln noch nicht beendet. Jedoch kann eine Person faktisch keine Beihilfe mehr leisten, wenn mit der Sicherstellung ein Rauschgiftgeschäft in der Weise zur Ruhe kommt, dass nicht mehr mit einem Waren- oder Geldfluss zu rechnen ist. Denn dem Gehilfen fehlt damit die Möglichkeit, das Rauschgiftgeschäft noch zu erleichtern oder objektiv zu fördern. Danach scheidet eine Beihilfe zum Handeltreiben aus bei einer Fahrt zur Entgegennahme von Betäubungsmitteln, die sich bereits im Gewahrsam der Strafverfolgungsbehörden befinden. Da die Fahrt praktisch ins Leere geht, kann sie das Handeltreiben nicht mehr fördern. Auch ein Telefonat des „Gehilfen“ mit dem Lieferanten, um herauszufinden, was mit dem überfälligen Kurier geschehen ist, erleichtert oder fördert das Geschäft nicht mehr. Eine Beihilfe kann dagegen trotz Sicherstellung der Betäubungsmittel bejaht werden, wenn die Beihilfehandlung bspw. auf den Transport des Kaufgeldes gerichtet ist, da hier das nicht beendete Handeltreiben weiterhin objektiv gefördert wird (siehe Patzak, Konkurrenzverhältnisse beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, 2021, 166 f.).

 

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