LAG Baden-Württemberg: Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Kürzung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.05.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1734 Aufrufe

Nach der viel beachteten Entscheidung des BGH (10.1.2023 – 6 StR 133/22, NJW 2023, 1075) zur Untreuestrafbarkeit durch Gewährung einer gegen das Begünstigungsverbot verstoßenden Vergütung an Betriebsratsmitglieder, wird in vielen Unternehmen die Betriebsratsvergütung nochmals kritisch hinterfragt. In nicht wenigen Fällen wird sich dabei voraussichtlich zeigen, dass Korrekturbedarf besteht. Ein solche Kürzung (bzw. Rückforderung) der Vergütung ist sehr konfliktträchtig und wird daher auch vermehrt zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Einen kleinen Vorgeschmack gibt eine neue Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 26.5.2023 – 12 TaBV 1/23), bei der es um die Frage ging, ob die Kürzung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden mitbestimmungspflichtig ist.

Der Sachverhalt lag wie folgt: Die Großkraftwerk Mannheim AG (nachfolgend: die GKM) unterhält in Mannheim einen Betrieb mit ca. 500 Arbeitnehmern sowie 60 Auszubildenden. Für den Standort Mannheim ist ein elfköpfiger Betriebsrat gebildet. Der Vorsitzende des Betriebsrats ist langjährig bei der GKM beschäftigt. Er ist seit dem Jahr 1994 Mitglied des Betriebsrats und beginnend ab dem Jahr 1998 aufgrund der Betriebsratstätigkeit von der beruflichen Tätigkeit freigestellt. Bis zur Freistellung war er als Schlosser tätig und wurde nach dem bei der GKM bestehenden Haustarifvertrag eingruppiert und vergütet. Das Amt als Vorsitzender des Betriebsrats übernahm er im März 2002. Seit dem Jahr 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt und vergütet. Seit März 2011 wurde ihm ein Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit überlassen. Im Juni 2022 kürzte die GKM die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden und stellte ihm keinen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit mehr zur Verfügung. Die Vergütung ist nach Auffassung der GKM auf Grundlage der Vergütungsentwicklung derjenigen Arbeitnehmer zu ermitteln, die mit dem Betriebsratsvorsitzenden vor dessen Amtsantritt als Betriebsrat vergleichbar gewesen und gemäß den Regelungen des Haustarifvertrags eingruppiert seien. Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass es sich bei der Vergütungskürzung um eine Umgruppierung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes handele. Mit dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren begehrt er daher die Verpflichtung der GKM, die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden einzuholen und im Falle der Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.

Das LAG Baden-Württemberg konnte es dahinstehen lassen, ob die GKM berechtigt war, die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden zu kürzen und ob das Vergleichsentgelt zutreffend ermittelt wurde (Das ist noch Gegenstand eines separaten Rechtsstreits, in dem das ArbG Mannheim die Klage in erster Instanz abgewiesen hat: Urteil vom 13.4.2023 - 7 Ca 139/22, Berufung anhängig unter 19 Sa 34/23). In dem vorliegenden Verfahren war nur darüber zu befinden, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, was das LAG Baden-Württemberg verneint. Die GKM habe den Betriebsrat zu Recht nicht beteiligt. Der Betriebsratsvorsitzende übe aufgrund der Freistellung bereits keine Tätigkeiten aus, die in Anwendung einer einschlägigen kollektiven Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung bewertet werden könnten. Die Ermittlung des Vergleichsentgelts und die hierauf erfolgte Vergütungskürzung beruhten vielmehr auf einer bloßen Durchschnittsberechnung der von anderen Arbeitnehmern bezogenen Vergütung.

Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen.

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