ArbG Lübeck zu einer außerordentlichen Kündigung eines Kirchenmusiker wegen verpasster Trauerfeier

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.08.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1146 Aufrufe

Künstler, zu denen ich auch Kirchenmusiker rechne, sind eventuell eher als der durchschnittliche Arbeitnehmer in der Gefahr, in ihren kreativen Schaffensphasen alles um sich herum zu vergessen. Bei aller Nachsicht: ein „Recht auf Vergessen“ ihrer Termine haben auch sie nicht. Ob das Vergessen wichtiger Termine allerdings  sogleich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, hängt – wie auch in anderen Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung – entscheidend vom Vorliegen einschlägiger Abmahnungen ab.

In einem jetzt vom ArbG Lübeck (Urteil vom 15.6.2023 - 1 Ca 323 öD/23, PM vom 16.8.2023) entschiedenen Fall ging es um einen Kirchenmusiker, der bei einer Kirchengemeinde seit mehr als 25 Jahren beschäftigt ist. Aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung ist er ordentlich unkündbar. Er erhielt im Jahr 2022 bereits drei Abmahnungen. Im Dezember 2022 sagte der Kläger gegenüber dem Gemeindebüro verbindlich die musikalische Begleitung einer vier Tage später stattfindenden Trauerfeier zu. Noch am gleichen Tage sprach der zuständige Pastor die für die Trauerfeier vorgesehene Liederauswahl auf den Anrufbeantworter des Klägers. Dieser erschien aber nicht zur Trauerfeier und war auch telefonisch nicht erreichbar. Einer Bitte des Pastors um Rückruf kam er auch nicht nach. Drei Tage später entschuldigte sich der Kläger per E-Mail und begründete sein Fehlen mit einem seit Tagen anhaltenden Dauereinsatz für ein Kindermusical. Die beklagte Kirchengemeinde ging von vorsätzlichem Verhalten des Klägers aus und kündigte ihm außerordentlich.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Es war nicht überzeugt, dass der Kläger den Termin vorsätzlich verpasst hat. Das fahrlässige Übersehen der Trauerfeier, die fehlende Erreichbarkeit und das Verhalten im Nachhinein seien zwar gravierende Vertragsverstöße, reichten aber ohne eine vorherige thematisch einschlägige Abmahnung nicht zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Abmahnungen bezogen sich nach Auffassung des Arbeitsgerichts auf ganz andere Themen und konnten deshalb nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden.

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