FRACKE

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.12.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|916 Aufrufe

Auch wenn diese Rechtsprechung keine echte Neuheit ist, soll doch einmal wieder etwas zu dem Dauerbrenner "Mietwagenkosten nach Unfall" hier gebracht werden: Das AG Seesen, das im Blog noch nicht so ganz oft aufgetaucht ist, hat sich mit der Thematik einmal wieder befasst und hat (entsprechend der wohl h.M.) einen Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer gebildet:

 

1. Zu einem erstattungsfähigen Schaden nach einem Verkehrsunfall gehören nach ständiger Rechtsprechung auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für die Dauer der erforderlichen Reparatur des geschädigten Kraftfahrzeuges. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind einem Geschädigten Mietwagenkosten jedoch nur insoweit zu ersetzen, als sie zur Schadensbeseitigung erforderlich waren. Die Beklagte hat insoweit bereits einen Betrag in Höhe von 315,66 EUR auf die außergerichtlich geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 328,66 EUR gezahlt. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 12,48 EUR zu.

 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Geschädigter, der durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurde, vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung lediglich die Erstattung derjenigen Aufwendungen zur Schadensbeseitigung verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGH NJW 2006, 1726). Die Klägerin kann daher die Kosten ersetzt verlangen, die nach dem sog. angemessenen „Normaltarif“ erstattungsfähig sind. Die Angemessenheit bestimmt sich danach, zu welchem Preis der Geschädigte zur Zeit des Mietbedarfs in der betreffenden Region ein dem eigenen Fahrzeug entsprechendes Fahrzeug am kostengünstigsten hätte anmieten können. Ein Geschädigter muss mithin das preisgünstigste Fahrzeug mieten, das er im Rahmen seiner individuellen Erkenntnismöglichkeiten auf dem örtlich und zeitlich relevanten Markt in zumutbarer Weise erlangen kann (BGH NJW 2006, 1506). Grundsätzlich sind nur die Kosten einer solchen Fahrzeugmiete erstattungsfähig. Ausnahmen kann es allerdings dann geben, wenn unfallbedingte Mehrleistungen der Vermieterin oder sonstige mit der Unfallsituation verbundene andere Umstände eine Erhöhung rechtfertigen (BGH NJW 2007, 3782). Zu welchem Preis die Klägerin auf dem für sie zeitlich und örtlich relevanten Markt ein angemessenes Fahrzeug tatsächlich hätte anmieten können, kann vom Gericht in Anwendung des § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung geschätzt werden. In geeigneten Fällen können Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Es kann dabei sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Marktpreisspiegel zu Grunde gelegt werden. Der Umstand, dass beide Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen und zum Teil grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich ihrer Datenerhebung begegnen, reicht nicht aus, um durchgreifende Zweifel an ihrer jeweiligen Eignung als Schätzgrundlage zu begründen (vgl. BGH NJW 2011, 1947). Nur wenn eine Partei konkrete Tatsachen aufzeigt, die sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken, kann eine der beiden Methoden als vorzugswürdig angesehen werden. Es kann daher auch der arithmetische Mittelwert der beiden Listen zugrunde gelegt werden (vgl. etwa OLG Celle NJW-RR 2012, 802).

 Konkrete Einwände gegen die Tauglichkeit einer der beiden zur Schadensschätzung geeigneten Quellen sind nicht vorgetragen.

 Entsprechend der Berechnung der Klägerin ist nach der Schwacke-Liste 2022 im PLZ-Gebiet 381 für eine 11-tägige Anmietung eines Fahrzeugs der Fahrzeugklasse 2 nach dem Modus auf Grundlage einer Wochenpauschale ein Betrag von 413,55 EUR angemessen. Der arithmetische Mittelwert des Fraunhofer-Marktpreisspiegels 2022 für eine Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 2 beträgt dagegen 315,66 EUR. Der Mittelwert beträgt somit (413,55 EUR + 315,66 EUR / 2) 364,61 EUR. Nach Abschlag der sparten Aufwendungen in Höhe von 10% ergibt sich ein Mittelwert von 328,14 EUR.

 Da die Beklagte bereits 315,66 € gezahlt hat, verbleibt ein Restanspruch in Höhe von 12,48 EUR.

AG Seesen Urt. v. 26.10.2023 – 1 C 228/23, BeckRS 2023, 30769

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