Sonderausgabe heute oder gestern? Oder: Wie hängt § 22 UmwStG mit der Kirchensteuer zusammen (FG Hamburg v. 15.6.2023 – 3 K 156/21)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 14.12.2023
Rechtsgebiete: Steuerrecht3|2805 Aufrufe

Zwischen Vergangenheit und Gegenwart – beim rückwirkenden Ereignis (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) nach § 22 Abs. 2 Satz 2 UmwStG wird es bunt. Aber der Reihe nach. Der „scope“ des Umwandlungssteuergesetzes sind die Ertragsteuern. So auch der Umwandlungssteuererlass (BMF v. 11.11.2011) in seiner Tz. 01.01:

Die Vorschriften des UmwStG regeln ausschließlich die steuerlichen Folgen von Umwandlungen (§§ 3 bis 19 UmwStG) und Einbringungen (§§ 20 bis 25 UmwStG) für die Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer. Steuerliche Folgen für andere Steuerarten (z. B. die Umsatz-, die Grunderwerb- oder die Erbschaftsteuer) regelt das UmwStG nicht.

Andere Steuerarten als die der Ertragsteuern sind mithin nicht umfasst, insbesondere nicht die Erbschaftsteuer (z.B. FG München v. 26.2.2020 – 15 K 2779/18, BeckRS 2020, 6699). Wer im Rückwirkungszeitraum – zwischen steuerlichem Übertragungsstichtag (§ 2 Abs. 1 UmwStG) und Wirksamkeit der Umwandlung – Anteile erbt, ist mithin nicht von der Fiktion des § 2 UmwStG betroffen. Die Zuschlagsteuern zur Einkommensteuer hingegen schon! Der Solidaritätszuschlag wird ebenso erfasst wie die Kirchensteuer (BeckOK UmwStG/Mückl UmwStG § 2 Rn. 77).

Was nun, wenn eine Sperrfristverletzung nach § 22 Abs. 2 UmwStG eine Besteuerung des „Einbringungsgewinns II“ auslöst? Davon ist bei einem Einbringenden, der Mitglied einer Kirche ist, auch dessen Kirchensteuer betroffen. Diese hängt nach den Regeln des § 51a EStG von der Einkommensteuer ab. Wird die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer geändert, ändert sich die Zuschlagsteuer entsprechend (§ 51a Abs. 5 Satz 2 EStG). Bei der Besteuerung im Wege des „rückwirkenden Ereignisses“ (§ 22 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) wird mithin auch die Kirchensteuer rückwirkend erhöht.

Ein (ganz) anderes Problem stellt sich allerdings, wenn der Steuerpflichtige die so rückwirkend erhobene Kirchensteuer als Sonderausgabe geltend machen will (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Bei der Berücksichtigung von Sonderausgaben gilt das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG: Für deren Abziehbarkeit ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sie geleistet wurden (BFH v. 16.2.2011 – X R 46/09, BStBl. II 2011, 685, Rz. 13). Das Gesetz bestimmt hier zwar Ausnahmen – man denke an den Zehn-Jahres-Zeitraum des § 10b Abs. 1a EStG. Bei der Sonderausgabe „Kirchensteuer“ hingegen gibt es eine solche nicht – die Probleme in diesem Bereich waren bislang allerdings meist im Bereich des Zusammenspiels mit der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) angesiedelt (z.B. BFH v. 16.3.2021 – X R 23/19, BeckRS 2021, 26042).

Der Kläger vor dem FG Hamburg (Urteil v. 15.6.2023 – 3 K 156/21, BeckRS 2023, 31181) wollte die Kirchensteuer gerne im Zeitpunkt der Einbringung des § 21 UmwStG geltend machen. Nach einem Anteilstausch im Jahr 2014 hatte die übernehmende Gesellschaft in den Jahren 2018 und 2019 die Sperrfrist anteilig verletzt und damit jeweils beim einbringenden Kläger die Folgen des § 22 Abs. 2 UmwStG ausgelöst. Nach seiner Anzeige des Sachverhalts (zu den umstrittenen Handlungspflichten nach einem schädlichen Ereignis Dettmeier/Prodan, Ubg 2019, 562) setzte das Finanzamt u.a. höhere Kirchensteuer fest, die der Kläger im Jahr 2019 beglich. In diesem Jahr kam es zu einer weiteren Sperrfristverletzung, deren kirchensteuerliche Folgen der Kläger im Jahr 2021 bezahlte. Entgegen dem Abflussprinzip sollte der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG hingegen seiner Meinung nach jeweils im Jahr 2014 greifen.

Das Finanzgericht hat ohne Zulassung der Revision das Abflussprinzip für den Sonderausgabenabzug bestätigt – auch wenn sich die zugrunde liegende Steuer aus einem rückwirkenden Ereignis ergibt. Damit sollten diese Grundsätze auch für andere rückwirkende Ereignisse im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gelten – man denke an den ganzen Katalog der Beispiele des AEAO zu § 175, unter 2.4. Aber auch andere Sperrfristen – auch außerhalb des Umwandlungssteuergesetzes – sollten betroffen sein, etwa § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG (BMF v. 8.12.2011, Tz. 27, 35) oder § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG (BMF v. 19.12.2018, Tz. 28).

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3 Kommentare

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Man kann sich natürlich denken, dass die Verlegung des Sonderausgabenabzugs in das Jahr des rückwirkenden Ereignisses (mit den dadurch deutlich erhöhten Einkünften) sehr interessant ist. Allerdings ist es schon erstaunlich, deswegen zu klagen, weil das Abflussprinzip für den Sonderausgabenabzug eigentlich zu den Basics gehört - was schon so manchen, der nach einem guten Jahr in einem schlechten Jahr eine größere Nachzahlung auf die ESt/KiSt/SolZ für das gute Jahr leisten muss, weil er die Vorauszahlungen nicht anpassen ließ, gestört haben dürfte. Es geht also nicht nur bei rückwirkenden Ereignissen um die Frage des Zeitpunkts des Kirchensteuerabzugs.

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Da haben Sie sicherlich recht - vielen Dank für Ihren Kommentar. Aufgrund der siebenjährigen Dauer von Sperrfristen nach § 22 Abs. 1, 2 UmwStG oder § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist der Effekt dort allerdings "dramatischer" als bei einer Nachzahlung, meine ich...

BG

Es kommt nicht auf die Dauer an, sondern nur auf die Differenz der zvE der beiden Jahre.

Da hilft eben oft nur eine sehr flotte Vorauszahlung noch im Jahr des großen Einkommens. Das wird aber häufig übersehen und ist bei den Sperrfristfällen in der Tat sogar unmöglich.

Viele Steuerpflichtige dürften ohnehin für ein Jahr mit geballtem Einkommen aus vielen Jahren  (Abfindung, Betriebsveräußerung, Anteilsveräußerung usw.) einen anteiligen Kirchensteuererlass beantragen. Und der müsste sogar noch viele Jahre nach dem Steuerjahr möglich sein, wenn die Festsetzung erst später drastisch erhöht wird. Und er packt das Übel bei der Wurzel.

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