Schedulisierte Anrechnung ausländischer Steuern - § 32d Abs. 5 EStG vs. § 34c EStG bei FG Düsseldorf vom 28.11.2023 - 10 K 2714/20

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 22.12.2023
Rechtsgebiete: Steuerrecht1|2280 Aufrufe

Anrechnungsüberhänge („excess tax credits“) gilt es zu vermeiden – nach deutschem Steuerrecht gehen sie ersatzlos unter. Wer nach § 34c Abs. 1 EStG ausländische Ertragsteuern anrechnen will, muss neben Nachweiserfordernissen (§ 68b EStDV) auch den Anrechnungshöchstbetrag beachten. Nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ist (bezogen auf den einzelnen ausländischen Staat, § 68a Satz 2 EStDV)

die auf die ausländischen Einkünfte nach Satz 1 erster Halbsatz entfallende deutsche Einkommensteuer … in der Weise zu ermitteln, dass der sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens, einschließlich der ausländischen Einkünfte, nach den §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b ergebende durchschnittliche Steuersatz auf die ausländischen Einkünfte anzuwenden ist.

Mehr als die so ermittelte Höchstgrenze wird als Anrechnung nie gewährt – zudem ist die Höhe der tatsächlichen, nicht mehr ermäßigungsfähigen, festgesetzten und gezahlten ausländischen Steuer (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG) sowie die Höhe der deutschen tariflichen Einkommensteuer, die ermäßigt werden soll (§ 2 Abs. 6 Satz 1 EStG), zu beachten. In Extremfällen, etwa bei einer tariflichen Einkommensteuer von 0 € (Brandis/Heuermann/Wagner EStG § 34c Rn. 51), ist als Alternative auch der Abzug der Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte (§ 34c Abs. 2 EStG) auf Antrag möglich.

Besonders komplex wird es, wenn dann auch noch Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) hinzukommen. Diese hat der Gesetzgeber nicht nur mit der “Schedule” der Abgeltungssteuer (§ 32d EStG), sondern in weiten Teilen auch mit einem eigenen Anrechnungsregime ausgestattet (§ 32d Abs. 5 EStG), das Vorrang gegenüber der Anrechnung nach § 34c EStG hat (§ 34c Abs. 1 Satz 1 2. HS EStG; BFH v. 30.11.2016 – VIII R 11/14, BeckRS 2017, 94491 Rn. 31 ff.). Nach § 34c Abs. 1 Satz 3 1. HS EStG sind die dem besonderen Regime des § 32d Abs. 5 EStG unterfallenden Einkünfte wiederum bei der Höchstbetragsberechnung des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht zu berücksichtigen. Wenn dann auch noch ein DBA mit dem ausländischen Staat besteht (§ 34c Abs. 6 EStG; § 32d Abs. 5 Satz 2 EStG), ist Verwirrung vorprogrammiert.

So auch im Urteil des FG Düsseldorf vom 28.11.2023 (10 K 2714/20, BeckRS 2023, 36055): Die zusammenveranlagten Kläger (R 34c Abs. 3 Satz 7 EStR) hatten als unbeschränkte Steuerpflichtige in- wie ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen und anderen Einkunftsarten bezogen. Durch hohe Abzugsbeträge (§ 2 Abs. 3 ff. EStG) fiel das zu versteuernde Einkommen ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 5b EStG) mit 4.227 Euro so gering aus, dass eigentlich im Streitjahr 2017 keine tarifliche Einkommensteuer hätte anfallen können. Allerdings waren nach dem DBA Niederlande 2012 freigestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Auf diese Weise kam es zu einer tariflichen Einkommensteuer von 162 Euro. 

Im Wege der Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) konnten die Einkünfte aus Kapitalvermögen (insgesamt, § 32d Abs. 6 Satz 3 EStG) zwar in die tarifliche Besteuerung mit einbezogen werden. Das separate Anrechnungsregime des § 32d Abs. 5 EStG lässt sich dadurch jedoch nicht vermeiden (§ 32d Abs. 6 Satz 2 EStG). Absatz 5 des § 32d EStG ist danach 

mit der Maßgabe anzuwenden, dass die nach dieser Vorschrift ermittelten ausländischen Steuern auf die zusätzliche tarifliche Einkommensteuer anzurechnen sind, die auf die hinzugerechneten Kapitaleinkünfte entfällt.

Somit wird das “Delta” (“zusätzliche”...) zwischen der tariflichen Einkommensteuer mit und ohne Kapitaleinkünfte (nur) für die Anrechnung nach § 32d Abs. 5 EStG zur Verfügung gestellt. Fällt dieses Delta groß aus und übersteigt es die ausländische Steuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, kann der übersteigende Betrag nicht für die übrigen ausländischen Einkünfte verwendet werden. Vielmehr bleibt es bei der gewohnten Schedulisierung. Bei den Klägern lag damit “zuviel” Anrechnungspotential in der Schedule des § 32d EStG und “zuwenig” außerhalb der Schedule vor - ohne Ausgleichsmöglichkeit...

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Meines Erachtens müsste das aus der Anwendung des § 32d Abs. 6 EStG resultierende “Delta” (“zusätzliche”...) zwischen der tariflichen Einkommensteuer mit und ohne inländische Kapitaleinkünfte grundsätzlich auch für die Anrechnung von ausländischen Steuern nach § 34c Abs. 1 EStG bzw. § 34c Abs. 6 EStG verwendet werden können. Die Bezugnahme auf § 32d Abs. 5 EStG in § 32d Abs. 6 EStG bedeutet m.E. keinen Ausschluss einer Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG, sondern präzisiert nur die Anrechung von ausländischen Steuern im Zusammenhang mit ausländischen Kapitalerträgen.

§ 34c Abs. 1 Satz 1 2. HS EStG verneint m.E. nur die Anrechnung von ausländischen Steuern auf ausländische Kapitalerträge wird. Dass sich § 34c Abs. 1 Satz 1 2. HS EStG allein auf ausländische Kapitaleinkünfte bezieht, ist zwar nicht dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen, wohl aber dem zitierten BFH v. 30.11.2016 – VIII R 11/14 und der Gesetzesbegründung in der BT-Drucksache 16/10189. Hierin wird explitzit und stets nur auf ausländische Kapitalerträge Bezug genommen. Folglich müssten ausländische Steuern auf Nicht-Kapitaleträge iRd der Höchstbeträge nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG auch auf die zusätzliche tarifliche Steuer für inländische Kapitalerträge anrechenbar sein, wenn nach 32d Abs. 6 EStG die Anwendung der Günstigerprüfung insgesamt eine geringere Steuerbelastung ergibt

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