Vorwurf sexualisierten Verhaltens eines Hochschuldozenten der Humboldt-Universität – Kündigungsrechtsstreit durch Vergleich beigelegt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.01.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|961 Aufrufe

Ein bemerkenswerter Kündigungsrechtsstreit hat vor dem Arbeitsgericht Berlin nun sein Ende gefunden. Das Verfahren hatte eine lange Vorgeschichte. Dem seit mehr als 30 Jahren bei der Humboldt-Universität als Hochschuldozent beschäftigten Kläger hatte die Humboldt-Universität in den Jahren 2007, 2010 und 2014 Abmahnungen wegen angeblicher sexualisierter Äußerungen gegenüber weiblichen Studierenden erteilt. Anlässlich regelmäßiger Beschwerden Studierender über den Lehr-Stil des Dozenten und über dessen behauptete sexualisierte Wortwahl und Verhaltensweisen fand im April 2023 ein Gespräch zwischen der Universität und dem Dozenten statt, in dem dem Dozenten die Anweisung erteilt wurde, keine Gespräche mehr mit weiblichen Studierenden unter vier Augen zu führen.

Die Humboldt-Universität hat behauptet, der Dozent habe eine Woche nach diesem Gespräch gegen die Weisung verstoßen und erneut allein mit einer weiblichen Studierenden ein Gespräch geführt. Auf diesen von der Universität behaupteten und von dem Dozenten bestrittenen Vorwurf hat die Universität die außerordentliche Kündigung von August 2023 mit sofortiger Wirkung sowie hilfsweise zum 31.3.2024 gestützt. Ergänzend hat sie von ihr behauptete unangemessene Äußerungen des Dozenten gegenüber der Trainerin eines Hochschul-Sportkurses und angebliche Äußerungen des Dozenten gegenüber einer weiblichen Studierenden im Jahr 2012 als außerordentliche Kündigungsgründe herangezogen. Im Verlauf des Verfahrens hat die Humboldt-Universität am 4.1.2024 eine weitere außerordentliche Kündigung gegenüber dem Hochschuldozenten wegen des Vorwurfs erklärt, er habe im hiesigen Verfahren bewusst unwahr vorgetragen und einen Prozessbetrug versucht.

Die Parteien haben den Rechtsstreit heute durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beendet. Danach endet das Arbeitsverhältnis des Hochschuldozenten am 30.06.2024. Bis dahin ist er unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitspflicht freigestellt.

Man fragt sich zum einen, warum die Humboldt-Universität erst so spät die Reißleine gezogen hat, und zum anderen, warum sie sich überhaupt auf einen Vergleich eingelassen hat. Hierzu das Statement der Präsidentin der HU, Julia von Blumenthal: „Es gibt keine Toleranz bei verbalen sexualisierten Übergriffen. Die Humboldt-Universität wird daher alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um Betroffene zu schützen. Der Schutz der Studierenden und Mitarbeitenden war für den Abschluss des Vergleichs ausschlaggebend. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Dozenten ist nicht zumutbar. Insbesondere wollten wir den Zeuginnen ersparen, vor Gericht aussagen zu müssen“. Dass man heute entschiedener gegen Fehlverhalten vorgehe, sei Teil eines gesellschaftlichen Kulturwandels. Bewegungen wie #metoo hätten zudem das Bewusstsein für sexualisierte Gewalt in der Gesellschaft weiter geschärft.

Arbeitsgericht Berlin, Vergleich vom 09.01.2024, 22 Ca 9390/23

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