LAG Schleswig-Holstein zur Frage, ob das Schwenken eines Filetiermessers einen Kündigungsgrund darstellt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 22.01.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1808 Aufrufe

Wer glaubt, er hätte schon alle denkbaren Kündigungsgründe durchdacht, muss sich mal wieder eines Besseren belehren lassen. Wie steht es nämlich mit Hantieren mit einem äußerst scharfen Filetiermesser?

Im dem kürzlich veröffentlichen Urteil des LAG Schleswig-Holstein (13.7.2023 - 5 Sa 5/23, BeckRS 2023, 38259) ging um es um folgenden Sachverhalt: Der 29-jährige Kläger ist bei der Beklagten, die mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt, seit Juni 2019 als Industriemechaniker beschäftigt. Am 1. Juni 2022 arbeitete er mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter an einem Probierstand. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger der Mitarbeiterin ein Filetiermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm mit einem Abstand von 10 bis 20 cm an den Hals hielt und damit deren Leib und Leben bedrohte. Die Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin mit Kündigung vom 14. Juli 2022 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 2022.

Die Kündigungsschutzklage des Klägers war auch in zweiter Instanz erfolgreich. Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung seien unwirksam. Es fehle an einem hinreichenden Kündigungsgrund. Zwar komme eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben u.a. von Arbeitskollegen als „an sich“ als wichtiger Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung in Betracht. Dies setze aber voraus, dass der Arbeitnehmer mit dem Willen handele, dass der Kollege die Drohung zur Kenntnis nehme und als ernst gemeint auffasse. Selbst den Vortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt könne jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts auf einen bedingten Vorsatz beim Kläger geschlossen werden. Vielmehr sei es auch möglich, dass der Kläger das Messer schlicht in der rechten Hand haltend sich mit dem Oberkörper zur Mitarbeiterin gedreht hat und bei dieser Drehbewegung dessen rechte Hand mit dem Messer nahe an deren Hals gelangt ist.

Die Kündigungen könnten aber auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger allein durch das Hantieren mit dem Messer Leib und Leben der Mitarbeiterin objektiv und fahrlässig gefährdet hat. Der unsachgemäße Umgang mit einem Messer stelle zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Diese hätte nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung nur gerechtfertigt, wenn der Kläger zuvor wegen einer ähnlichen Pflichtverletzung abgemahnt worden wäre. Insbesondere stehe auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht zur Überzeugung des LAG fest, dass der Kläger das Messer bewusst und aktiv an den Hals der Mitarbeiterin gehalten habe.

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