BAG: Evangelischer Kirchenkreis ist kein öffentlicher Arbeitgeber im Sinne des § 165 SGB IX

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.01.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2307 Aufrufe

Das SGB IX sieht in den §§ 163 ff. zahlreiche Pflichten der Arbeitgeber im Hinblick auf schwerbehinderte Menschen vor. Praxisrelevant sind insbesondere die Pflichten im Bewerbungsverfahren (§ 164 SGB IX). Verstöße des Arbeitgebers gegen diese Pflichten stellen regelmäßig ein Indiz im Sinne des § 22 AGG dar und erhöhen die Chancen abgelehnter schwerbehinderter Erwerber, eine Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) einzuklagen, signifikant. Öffentliche Arbeitgeber sind zudem nach § 165 SGB IX grundsätzlich verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Missachtung dieser Pflicht löst ebenfalls die Beweislastumkehr des § 22 AGG aus. Umso wichtiger ist es, den genauen Anwendungsbereich der Vorschrift des § 165 SGB IX zu klären. Mit dieser Frage beschäftigt sich eine gerade in Form einer Pressemitteilung bekannt gemachte Entscheidung des BAG (25.1.2024 – 8 AZR 318/22, PM 2/24).

In diesem Fall hatte sich ein schwerbehinderter Mensch um eine Stelle in der Verwaltung eines Kirchenkreises der Evangelischen Kirche im Rheinland beworben. Trotz Offenlegung seiner Schwerbehinderung wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Seine Bewerbung blieb erfolglos. Seiner Ansicht nach wurde er im Auswahlverfahren wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Dies indiziere die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Hierzu sei der Kirchenkreis nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet gewesen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts gelte er gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX als öffentlicher Arbeitgeber. Mit seiner Klage hat der Kläger deshalb die Zahlung einer Entschädigung verlangt. Das BAG hält die Klage indes für unbegründet.

Der Kläger habe keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dargelegt. Eine solche könne nicht aufgrund der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vermutet werden. Hierzu sei der beklagte Kirchenkreis nicht verpflichtet gewesen. Die Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX bestehe zwar gemäß § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX ua. für Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dies betreffe aber nach dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Begriffsverständnis nur Körperschaften, die staatliche Aufgaben wahrnehmen. Kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts dienten demgegenüber primär der Erfüllung kirchlicher Aufgaben. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts solle dabei die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaft unterstützen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Einladungspflicht auf kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts erstrecken wollte. Insoweit stünden sie den ebenfalls staatsfernen privaten Arbeitgebern gleich.

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