Vorabentscheidungsersuchen des BAG zur Kündigung wegen eines Austritts aus der katholischen Kirche

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.02.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|933 Aufrufe

Darf ein kirchlicher Arbeitgeber die Begründung bzw. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses von der Angehörigkeit zur Kirche abhängig machen? Das ist eine Grundsatzfrage, in der seit der Rechtssache Egenberger ein Konflikt zwischen dem BVerfG und dem EuGH besteht. Im Falle von Frau Egenberger geht es um die wegen ihrer Konfessionslosigkeit verweigerte Einstellung als Referentin bei der Diakonie. Die mit Spannung erwartete Entscheidung des BVerfG lässt indes auf sich warten.

Das BAG (1.2.2024 – 2 AZR 196/22 (A) hat es nunmehr mit einem ähnlich gelagerten Fall aus dem Bereich der katholischen Kirche zu tun. Der beklagte Verein ist ein Frauen- und Fachverband in der katholischen Kirche in Deutschland, der sich der Hilfe für Kinder, Jugendliche, Frauen und ihre Familien in besonderen Lebenslagen widmet. Zu seinen Aufgaben gehört die Beratung von schwangeren Frauen. Die Klägerin ist bei diesem Verein seit dem Jahr 2006 in der Schwangerschaftsberatung beschäftigt. Von Juni 2013 bis zum 31. Mai 2019 befand sie sich in Elternzeit. Die Klägerin erklärte im Oktober 2013 vor einer kommunalen Behörde ihren Austritt aus der katholischen Kirche. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Elternzeit am 1. Juni 2019 außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2019. Zuvor hatte der Beklagte erfolglos versucht, die Klägerin zum Wiedereintritt in die katholische Kirche zu bewegen. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte der Beklagte in der Schwangerschaftsberatung vier Arbeitnehmerinnen, die der katholischen Kirche und zwei Arbeitnehmerinnen, die der evangelischen Kirche angehörten. Die Vorinstanzen haben beide Kündigungen für unwirksam gehalten. Der Zweite Senat des BAG hat das Verfahren über die Revision des Beklagten ausgesetzt und den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts ersucht. Es bedürfe der Klärung, ob die Ungleichbehandlung der Klägerin mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, vor dem Hintergrund des durch Art. 10 Abs. 1, Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen ua. wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.

Mal schauen, wer schneller entscheidet, das BVerfG im Falle Egenberger oder der EuGH auf das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen.

 

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