Amphetaminkonsum mach ungeeignet - 1 Jahr Abstinenz stellt die Eignung nicht wieder her

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.02.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1155 Aufrufe

Amphetaminkonsum ist nicht gut. Und er führt zu Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Rechtsprechung macht da keinen Unterschied, ob das Amphetamin bei einer Fahrt oder anlässlich anderer Straftaten festgestellt wurde, hier etwa durch die Angabe der Antragstellerin "Pep" konsumiert zu haben. Was aber, wenn er danach ein Jahr (nachweisbar) abstinent ist?  "Tut nicht zu Sache", meint der VGH München.

 

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

 Gründe: 

 I.

 Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der ihr am 28. September 2009 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1 (79.03, 79.04), A (79.03, 79.04), B und L.

 Am 2. Februar 2023 wurde der Antragsgegnerin bekannt, dass die Antragstellerin bei einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt am 3. Dezember 2022 den Konsum von „Pep“ eingeräumt und der sachbearbeitenden Polizeibeamtin weitere 2,53 g Betäubungsmittel ausgehändigt hat. Ein Stofftest habe positiv auf Amphetamin reagiert. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 15. Februar 2023 verurteilte das Amtsgericht Kempten die Antragstellerin wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

 Mit Schreiben vom 13. April 2023 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 FeV auf, bis 22. Juni 2023 ein verkehrsmedizinisches Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zu der Frage vorzulegen, ob sie Amphetamin oder andere Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG eingenommen habe bzw. einnehme, die die Fahreignung in Frage stellten.

 Am 14. Juli 2023 legte die Antragstellerin ein verkehrsmedizinisches Gutachten vom 23. Juni 2023 vor, wonach sie Betäubungsmittel im Sinne des BtMG (Amphetamin) eingenommen habe, die die Fahreignung in Frage stellten. Sie habe am 2. Dezember 2022 schon vor längerer Zeit erworbenes Amphetamin eingenommen, ansonsten keine Drogen konsumiert. Nur als Jugendliche mit etwa 13 Jahren habe sie zweimal an einem Wochenende Amphetamin probiert und im Alter von 18 Jahren einmal Cannabis geraucht, daran aber keinen Gefallen gefunden. Bei zwei unvorhergesehenen Urinkontrollen entsprechend den CTU-Kriterien am 14. und 23. Juni 2023 seien keine Drogen im Urin nachgewiesen worden. Auch eine am 7. Dezember 2022 abgegebene Urinprobe sei negativ auf Drogen verlaufen.

 Im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis teilte die Antragstellerin per E-Mail vom 17. Juli 2023 mit, sie habe sich im Dezember 2022 von ihrem Ex-Ehemann getrennt, der sie seit der Geburt des gemeinsamen Sohnes psychisch misshandelt habe. Ihre beiden Kinder befänden sich in Therapie, um das Erlebte zu verarbeiten. Sie sei auf den Führerschein angewiesen, um die Kinderbetreuung zu organisieren und ihre Arbeitsstelle aufzusuchen. Da sie dann ihre Miete nicht mehr zahlen könne, würden ihre Kinder erneut aus ihrem Umfeld gerissen. Sie müsse noch zwei Kredite ihres Ex-Ehemannes abbezahlen und habe niemanden, der sie unterstützen könne. Ihren Ex-Ehemann wolle sie auf keinen Fall wieder in ihrem Leben haben.

 Mit Bescheid vom 11. August 2023 entzog die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Fahrerlaubnis aller Klassen und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgelds auf, ihren Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids, abzuliefern. Ferner erklärte sie die beiden Verfügungen für sofort vollziehbar. Zur Begründung führte sie aus, es stehe fest, dass die Antragstellerin innerhalb des letzten Jahres Amphetamin, ein Betäubungsmittel im Sinne der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG konsumiert habe, was die Fahreignung nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ausschließe. Daher müsse die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV entzogen werden.

 Am 22. August 2023 gab die Antragstellerin ihren Führerschein ab. Am 7. September 2023 ließ sie durch ihre Bevollmächtigte Klage beim Verwaltungsgericht Augsburg erheben, über die noch nicht entschieden ist, und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen.

 Den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht als unbegründet ab und führte zur Begründung aus, der Antrag richte sich bei sachgerechter Auslegung nicht gegen die bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung, da sich diese durch die Ablieferung des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde erledigt habe. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei formell und materiell rechtmäßig. Sie trage den in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten formellen Begründungsanforderungen in ausreichender Weise Rechnung. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses rechtmäßig gewesen. Denn die Entziehung der Fahrerlaubnis sei regelmäßig bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden seien oder wenn jener die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt habe. Dies sei hier der Fall. Die Antragstellerin habe eingeräumt, am 3. Dezember 2022 Amphetamin konsumiert zu haben. Für einen Ausnahmefall nach Nr. 3 der Vorbemerkung der Anlage 4 zur FeV bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vorgetragenen Gründe müssten sich auf eine vom Regelfall abweichende Wirkung der Einnahme von harten Drogen auf die Fahreignung der Antragstellerin beziehen. In dieser Richtung habe sie nichts vorgetragen. Persönliche Umstände hätten außer Betracht zu bleiben. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihre Fahreignung wiedererlangt habe. Denn seit dem eingeräumten Amphetaminkonsum am 3. Dezember 2022 bis zum Erlass des Entziehungsbescheids sei noch kein Jahr verstrichen gewesen. Zudem setze die Wiedererlangung der Fahreignung den Nachweis eines motivational gefestigten Verhaltens- und Einstellungswandels entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV voraus und müsse die Abstinenz durch Nachweise belegt werden, die den CTU-Kriterien entsprächen. Mit den Drogentests vom 7. Dezember 2022 und 14. und 23. Juni 2023 liege kein durchgängiger Abstinenznachweis vor. Aufgrund der unzureichenden Dauer der behaupteten Abstinenz sei die Antragsgegnerin auch nicht gehalten gewesen, eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV oder ein Drogenabstinenzkontrollprogramm anzuordnen. Da die Antragstellerin als fahrungeeignet anzusehen gewesen sei, habe die Antragsgegnerin ihr zwingend gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis entziehen müssen. Doch auch bei Annahme offener Erfolgsaussichten der Klage fiele eine allgemeine Interessenabwägung zu ihren Lasten aus. Angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen sei die Entziehung der Fahrerlaubnis auch unter Berücksichtigung der persönlichen, familiären und beruflichen Folgen für den betroffenen Fahrerlaubnisinhaber regelmäßig nicht unverhältnismäßig. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis werde in der Regel nur in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprächen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem Durchschnitt aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege. Die Möglichkeit einer drogenbedingten Beeinträchtigung der Fahreignung rechtfertige grundsätzlich auch die Anordnung oder Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung einer Fahrerlaubnisentziehung. Maßgeblich für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung sei daher, ob von der Möglichkeit einer erneuten drogenbedingten Beeinträchtigung der Fahreignung ausgegangen werden müsse. Dies sei grundsätzlich erst dann zu verneinen, wenn sich aus einem medizinisch-psychologischen Gutachten die Fahreignung der Antragstellerin ergebe. Vorliegend wäre ein entsprechender Nachweis wohl erst im Wiedererteilungsverfahren zu erbringen. Es stehe fest, dass sie harte Drogen konsumiert habe. Eine einjährige Drogenabstinenz sowie deren Stabilität seien nicht belegt. Etwaige berufliche Nachteile müsse sie folglich zur Gefahrenabwehr hinnehmen. Das Gutachten komme nachvollziehbar zum Ergebnis, dass sie Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes genommen habe.

 Mit ihrer Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, macht die Antragstellerin geltend, aus dem vorgelegten verkehrsmedizinischen Gutachten sei ersichtlich, dass sie seit 4. Dezember 2022 keine Drogen mehr konsumiert habe. Bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis am 11. August 2023 habe sie über acht Monate unbeanstandet am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Nach dem forensisch-toxikologischen Befund über eine Haarprobe vom 18. Oktober 2023 habe sie rückwirkend für sechs Monate keine Drogen konsumiert. Seit 18. April 2023 sei sie bei einem Drogenabstinenzprogramm angemeldet. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 4. Dezember 2023 legte die Antragstellerin eine weitere Bescheinigung über einen negativen Drogentest am 21. November 2023 vor. Auf die Replik vom 7. Dezember 2023 wird Bezug genommen.

 Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

 II.

 Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

 Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

 Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansehen und ihr die Fahrerlaubnis entziehen durfte.

 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), in Kraft getreten am 1. Juli 2023, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2023 – 11 CS 23.1413 – juris Rn. 11; B.v. 12.6.2023 – 11 C 23.559 – juris Rn. 18; B.v. 30.1.2023 – 11 CS 22.2596 – juris Rn. 13 jeweils m.w.N.; SächsOVG, B.v. 26.7.2023 – 6 A 1/21 – juris Rn. 7; OVG LSA, B.v. 26.10.2022 – 3 M 88/22 – juris Rn. 5; OVG SH, B.v. 11.2.2022 – 5 MB 2/22 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris Rn. 2 ff.; B.v. 5.1.2015 – 16 B 1026/14 – juris Rn. 7; vgl. auch BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 9.18 – Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 21 Rn. 30). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sog. harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, a.a.O.). Bei Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ein Ermessensspielraum steht der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu (vgl. BayVGH, B.v. 12.6.2023 a.a.O.).

 Dieser Rechtslage setzt die Beschwerde nichts entgegen. Vielmehr behauptet sie, ohne sich mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, die Antragstellerin habe die Fahreignung wiedererlangt, da sie eine Drogenabstinenz von mehr als einem Jahr eingehalten habe. Durch etwa ein halbes Jahr auseinanderliegende negative Drogentests (7. Dezember 2022 und 14./23. Juni 2023) lässt sich jedoch offensichtlich nicht nachweisen, dass die Antragstellerin in der Zwischenzeit keine Betäubungsmittel konsumiert hat. Amphetamine sind im Urin nur mehrere Tage nachweisbar (vgl. Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl. 2016, § 3 Rn. 187 f.; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl. 2022, Vor §§ 29 ff. Rn. 394). Der Zeitraum zwischen Anfang Dezember 2022 und Mitte Juni 2023 wird durch die Haarprobe vom 18. Oktober 2023 nur zum Teil abgedeckt. Nach dem Untersuchungsbefund sind dies die zurückliegenden sechs Monate, also die Zeit ab dem 18. April 2023. Vom 18. April 2023 bis zum hier rechtlich maßgebenden Erlass des Entziehungsbescheids am 11. August 2023 waren knapp vier Monate verstrichen. Die Beschwerde ignoriert, dass es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtung der Entziehung der Fahrerlaubnis auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt (stRspr des BVerwG, vgl. U.v. 30.8.2023 – 3 C 15.22 – juris Rn. 8; U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – BVerwGE 175, 206 Rn. 13; U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 13). Vier Monate können jedoch nicht als ausreichend langer Abstinenzzeitraum angesehen werden (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.10.2023 a.a.O. Rn. 19 ff.). Weiter blendet die Beschwerde aus, dass zusätzlich zum Nachweis der Abstinenz der Nachweis eines motivational gefestigten Verhaltens- und Einstellungswandels erforderlich ist, der regelmäßig durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu erbringen ist (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV und Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [VkBl 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [VkBl 198], in Kraft getreten am 1.6.2022; Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff in Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Komm., 3. Aufl. 2018, S. 304; BayVGH, B.v. 5.10.2023 a.a.O. Rn. 19; B.v. 9.9.2022 – 11 CS 22.1504 – juris Rn. 29). Dieser Nachweis war im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht erbracht und ist es bis heute nicht. Nach Bescheiderlass eingetretene Änderungen der Sachlage können weder im anhängigen Klageverfahren noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern allenfalls in einem behördlichen Verfahren zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2021 – 11 CS 21.630 – juris Rn. 14).

 Der sonstige Vortrag ist rechtlich nicht maßgeblich. Der beanstandungslosen Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, auch über längere Zeit hinweg, kommt keine hinreichende Aussagekraft hinsichtlich einer dauerhaften Drogenabstinenz zu, da der Umfang der tatsächlichen Verkehrsteilnahme nicht nachprüfbar ist, das Ausbleiben drogenbedingter Auffälligkeiten auf einer lediglich zeitweiligen situationsbedingten Anpassung oder bloßem Zufall beruhen kann und es schon die relativ geringe Kontrolldichte im Straßenverkehr mit sich bringt, dass häufig trotz fortbestehender Drogenproblematik lange keine Zuwiderhandlungen aktenkundig werden (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 11 CS 23.81 – juris Rn. 16; B.v. 11.7.2022 – 11 CS 22.939 – DAR 2022, 648 Rn. 21 m.w.N.; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 619/15 – juris Rn. 4). Da die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich zwingend ist, wenn dem Betroffenen die Fahreignung fehlt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV), besteht auch kein Raum für eine Einzelfallprüfung. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Gefahren, die von fahrungeeigneten Kraftfahrzeugführern für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgehen können, erscheint dies (ungeachtet der Motive für den Drogenkonsum im Einzelfall) vielmehr nicht unverhältnismäßig bzw. angemessen, auch wenn der Betroffene dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

 Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

VGH München Beschl. v. 9.1.2024 – 11 CS 23.2041, BeckRS 2024, 647

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