Zustellung bei unleserlicher Unterschrift/Paraphe der Zustellerin?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.03.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|799 Aufrufe

Vor zwei Tagen hatte ich eine Entscheidung des OVG im Blog. Es ging um die psychische Erkrankung des Klägers und dessen Fahreignung. Die Entscheidung betrifft aber auch einen anderen interessanten Bereich: Das Zustellungsrecht. Die MPU-Anordnung war nämlich gegen ZU zugestellt worden - letztere war aber schlecht ausgefüllt worden. Was nun?

 

Die fristgerechte Beschwerde des Klägers vom 1. Juni 2023 gegen den am 19. Mai 2023 (Bl. 21 PKH-Heft) zugestellten PKH-Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 12. Mai 2023 – - bleibt ohne Erfolg.

 Das Verwaltungsgericht hat die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Klägers (§ 166 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) zu Recht verneint. Der Senat weist die Beschwerde des Klägers daher aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, soweit diese Gründe oben unter I. 1. a), c) und d) und unter I. 2. wiedergegeben werden. Er sieht insoweit von einer weiteren (eigenen) Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung, sondern lediglich die folgenden Ergänzungen der Erwägungen der Vorinstanz.

 1. Wie dem Kläger bereits im Zuge der Eingangsbestätigung des Senatsvorsitzenden unter dem 8. Juni 2023 mitgeteilt worden ist, ordnet er unter I. seiner Beschwerdeschrift vom 1. Juni 2023 seine verschiedenen Begehren teilweise nicht richtig den Aktenzeichen zu, unter denen in erster Instanz Verfahren über sie geführt werden. Der Gegenstand der hier in Rede stehenden beabsichtigten Rechtsverfolgung sowie das erstinstanzliches Aktenzeichen des damit korrespondierenden erstinstanzlichen Klageverfahrens sind oben eingangs unter I. genannt.

 2. Soweit sich die Klage weiter gegen die nach den glaubhaften Angaben des Beklagten bereits am 30. August 2021 aufgehobene Kostenfestsetzung durch den Bescheid vom 19. Januar 2021 richtet, bietet sie mangels Klagegegenstand und Rechtsschutzbedürfnis keine hinreichende Erfolgsaussicht.

 3. Auch die mit seinem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis verbundene Untätigkeitsklage des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der unter II. der Beschwerdeschrift vom 1. Juni 2023 geltend gemachte Beschwerdegrund, wonach entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Gutachtenanordnung vom 5. Juli 2022 nicht wirksam zugestellt worden sei, weil die Zustellungsurkunde nicht mit einer Unterschrift der Zustellerin versehen sei, greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob die einschlägigen Zustellungsurkunde vom 6. Juni 2022 (Anlage 1 der Beschwerdeschrift des Klägers) von der Zustellerin auf eine im Rechtssinne als Unterschrift anzuerkennende Weise gezeichnet wurde oder auf nicht ordnungsgemäße andere Weise gezeichnet ist. Denn wie das Verwaltungsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 9. Juni 2023 zutreffend ausführt, ist das Erfordernis der Unterschriftsleistung gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO (i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwZG und § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG) keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung, sondern führt seine nicht ordnungsgemäße Erfüllung im Hinblick auf den Charakter der Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde im Sinne des (§§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 ZPO) lediglich dazu, dass § 419 ZPO (i. V. m. § 98 VwGO) zur Anwendung gelangen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 20.1.2020 – AnwZ [Brfg] 54/19 –, juris, Rnrn. 10 ff.; Sächs. OVG, Urt. v. 10.11.2022 – 1 A 1081/17.A –, InfAuslR, 2023, 211 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 43). Der gegenteiligen Auffassung des Klägers, wonach der hier gerügte Mangel unleserlicher Unterzeichnung den in § 419 ZPO beispielhaft genannten äußeren Mängeln ungleichwertig sei, folgt der Senat nicht. Vielmehr zählen gerade unleserliche Stellen in einer Urkunde zu den anerkannten Anwendungsfällen der Norm (Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 5, 23. Aufl. 2015, § 419 Rn. 1). Damit tritt dann zwar an die Stelle der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nur die freie Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ihres Originals im Hauptsacheverfahren, auf die hier perspektivisch zur der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuheben ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17.3.2023 – 12 ME 19/23 –, juris, Rnrn. 31 f.). Es ist aber nicht zu erkennen, dass diese Beweiswürdigung vorliegend voraussichtlich dazu führen würde, die Gutachtenanordnung vom 5. Juli 2022 als nicht zugestellt zu betrachten. Da der Kläger nicht den tatsächlichen Zugang der Anordnung, sondern nur deren (formgerechte) Zustellung bestreitet, würde sich im Übrigen über § 8 VwZG (i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwZG) zum selben Ergebnis, also der Bejahung einer Zustellung, gelangen lassen.

 4. Die vorstehenden Ausführungen unter II. 3. gelten entsprechend, soweit der Kläger unter II. seiner Beschwerdeschrift mit dem Argument nicht ordnungsgemäßer Unterzeichnung der Postzustellungsurkunde vom 21. Februar 2023 – Az.: 36 41 03 – V-FE 16.02.2023 – (Anlage 3 der Beschwerdeschrift) auch die formgerechte Zustellung des Versagungsbescheides vom 16. Februar 2023 in Abrede stellt.

OVG Lüneburg Beschl. v. 9.2.2024 – 12 PA 65/23, BeckRS 2024, 2645

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