BAG zur Entgeltfortzahlung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion und behördlicher Absonderungsanordnung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 22.03.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|945 Aufrufe

Die Corona-Pandemie lässt aus der Ferne grüßen. Eine wichtige arbeitsrechtliche Grundsatzfrage bedurfte noch der höchstrichterlichen Klärung. Ist eigentlich der symptomlose Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt? Im jetzt vom BAG (Urteil vom 20. März 2024 – 5 AZR 234/23, PM 8/24) entschiedenen Fall lagen die Dinge wie folgt: Der Kläger ist als Produktionsmitarbeiter bei der Beklagten, einem Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, beschäftigt. Er hatte sich keiner Schutzimpfung gegen das Coronavirus unterzogen und wurde am 26. Dezember 2021 positiv auf das Virus getestet. Für die Zeit vom 27. bis zum 31. Dezember 2021 wurde dem unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen leidenden Kläger eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Für diese Zeit leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung. Am 29. Dezember 2021 erließ die Gemeinde N. eine Verfügung, nach der für den Kläger bis zum 12. Januar 2022 Isolierung (Quarantäne) in häuslicher Umgebung angeordnet wurde. Für die Zeit vom 3. bis zum 12. Januar 2022 lehnte der Arzt die Ausstellung einer Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Begründung ab, das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung würden zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichen. Mit der Verdienstabrechnung für Januar 2022 nahm die Beklagte für diese Zeit vom Lohn des Klägers einen Abzug in Höhe von ca. 1.000,00 Euro brutto vor. Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung dieses Betrags verlangt.

Das BAG hat dem klagenden Arbeitnehmer nun in letzter Instanz recht gegeben. Der Kläger sei aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert gewesen. Hierfür sei es nicht darauf angekommen, ob bei ihm durchgehend Symptome von COVID-19 vorgelegen haben. Die SARS-CoV-2-Infektion stelle einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Die Absonderungsanordnung sei keine eigenständige, parallele Ursache für Arbeitsunfähigkeit, vielmehr beruhe das daraus resultierende Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion (Monokausalität). Diese sei die nicht hinwegzudenkende Ursache für die nachfolgende Absonderungsanordnung. Aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion sei es dem Kläger rechtlich nicht möglich gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten zu erbringen (§ 275 Abs. 1 BGB).

Ohne Rechtsfehler habe die Vorinstanz, das LAG Hamm (Urteil vom 24.08.2023 – 15 Sa 1033/22, BeckRS 2023, 23481), des Weiteren angenommen, es könne nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das Unterlassen der empfohlenen Corona-Schutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion ursächlich war. Das Berufungsgericht hat hierbei zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Nichtvornahme der Schutzimpfungen einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten darstellte (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG), was schon für sich genommen höchst zweifelhaft sein dürfte. Das Berufungsgericht habe dann in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Gefahr von Impfdurchbrüchen in die Kausalitätsprüfung einbezogen. Die wöchentlichen Lageberichte des RKI und dessen Einschätzung der Impfeffektivität ließen – so das LAG – nicht den Schluss zu, dass Ende Dezember 2021/Anfang Januar 2022 die beim Kläger aufgetretene Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der Schutzimpfung hätte verhindert werden können.

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