Schifffahrt und Ertragsteuerrecht - eine ganz eigene Verbindung (FG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.2023 – 2 K 190/21)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 19.06.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2595 Aufrufe

Die Schifffahrt und das Ertragsteuerrecht – das ist eine eigene kleine „bubble“. Ob es ein Highspeed-Katamaran ist, der als Passagierfähre zwischen Hamburg und Helgoland verkehrt, und bei dem der Arbeitgeber in Zypern ansässig ist (FG Mecklenburg-Vorpommern v. 21.11.2023 – 1 K 232/22, BeckRS 2023, 41751), oder jetzt ein Arbeitnehmer, der auf einem unter liberianischer Flagge fahrenden Schiff dient (FG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.2023 – 2 K 190/21): Die Fälle sind immer spannend und mit grenzüberschreitendem Bezug ausgestattet.

Im letzteren Fall war der klagende Seemann der Auffassung, dass im Streitjahr 2018 keine Berücksichtigung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) von gut 70.000 EUR in seinem Ansässigkeitsstaat Deutschland erfolgen dürfe. Das mit Liberia bestehende DBA (DBA Liberia 1970) enthält – entgegen sonstiger DBA-Praxis (BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000, Rn. 392 ff.; Vogel/Lehner/Prokisch OECD-MA 2017 Art. 15 Rn. 236) – keine Sonderregelung für derartige Einkünfte. Vielmehr bleibt es beim „Arbeitsortsprinzip“ des Art. 15 OECD-MA (BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000, Rn. 403 ff.). Die Auffassung der Finanzverwaltung zur dann gebotenen Anwendung des Art. 15 Abs. 1 DBA Liberia besagt, dass „soweit in Deutschland ansässige Besatzungsmitglieder ihre Tätigkeit auf einem Schiff unter liberianischer Flagge ausüben und sich das Schiff im Hoheitsgebiet von Liberia oder auf hoher See aufhält, … Liberia als Tätigkeitsstaat anzusehen“ ist (BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000, Rn. 404):

Nach Seerecht wird eine Tätigkeit in internationalen Gewässern dem Staat zugeordnet, dessen Flagge das Schiff trägt. Hält sich das Schiff dagegen im Hoheitsgebiet Deutschlands auf, steht das Besteuerungsrecht für die darauf entfallenden Einkünfte Deutschland zu, weil insoweit der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zugleich dessen Tätigkeitsstaat ist. Hält sich das Schiff in den Hoheitsgewässern von Drittstaaten auf, kann das deutsche Besteuerungsrecht aufgrund eines DBA zugunsten eines dritten Staates beschränkt sein.

Im Streitfall hatte sich der Kläger nach diesen Regelungen (weit) mehr als  183 Tage in Liberia aufgehalten, so dass Liberia als Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Liberia für die „dafür bezogenen Vergütungen“ zustand. Für die übrigen Einkünfte von gut 19.000 EUR blieb es hingegen beim Besteuerungsrecht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat. Die DBA mit dritten Staaten, die das Schiff angelaufen hatte, gaben Deutschland auch für diese Teile des Arbeitslohns das Besteuerungsrecht.

Als vergleichsweise altes DBA enthält das DBA Liberia keine Rückfallsklauseln für den Fall, dass Liberia sein Besteuerungsrecht nicht annimmt. Insoweit kommt allerdings die nationale Klausel des § 50d Abs. 8 EStG in Betracht: Hier ist jedoch der Nachweis, dass Liberia auf das zustehende Besteuerungsrecht verzichtet hat, leicht zu führen – dieser ist sogar im relevanten BMF-Schreiben bereits fest vorgesehen (BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000, Rn. 408). Damit entfällt die Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG. Zusätzlich (Kollisionsregel in § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG) ist der Rückfall nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG zu prüfen – dieser scheidet allerdings aus, wenn der andere Staat auch „seine“ unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht mit entsprechenden Einkünften zur Einkommensteuer heranzieht, was in Liberia der Fall ist (BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000, Rn. 409).

Damit bleibt es bei der Nichtbesteuerung von großen Teilen des Arbeitslohns – nur der Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) wird auf die übrigen Einkünfte angewendet. Eine weitere Verböserung hält allerdings § 10 Abs. 2 EStG bereit, der den Sonderausgabenabzug des Klägers entsprechend der steuerfreien Anteile seines Arbeitslohns dezimiert. Die Regelung ist zwar in letzter Zeit sehr umkämpft (zB BFH v. 13.4.2021 – I R 19/19, BeckRS 2021, 25258) und auch gesetzgeberisch gemildert worden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2. HS EStG) – aufgrund des Drittstaatenbezugs ergibt sich dadurch jedoch keine Verbesserung für den Kläger.

Ähnliche Verhältnisse herrschen übrigens beim DBA Trinidad und Tobago (Vogel/Lehner/Prokisch OECD-MA 2017 Art. 15 Rn. 236). Unter der Flagge dieses Staates fahrende Schiffe würden allerdings dennoch nicht dieselben Rechtsfolgen auslösen, da dieses Land zu den „nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten“ des „Steueroasen-Abwehrgesetzes“ gehört (§ 2 StAbwV). Daher werden deutsche Besteuerungsrechte durch diese DBA „nicht berührt“ (§ 1 Abs. 3 Satz 2 StAbwG).

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