BAG: Zeitpunkt des Zugangs

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.08.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1032 Aufrufe

Es besteht ein Beweis des ersten Anscheins, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen.

Das hat das BAG entschieden.

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zum 31.12.2021 oder erst zum 31.3.2022 beendet worden ist. Die Parteien hatten vereinbart, dass die Kündigungsfrist ein Vierteljahr zum Quartalsende betrage. Das Kündigungsschreiben wurde der Klägerin unstreitig am 30.9.2021 in den Hausbriefkasten eingelegt (Einwurf-Einschreiben). Sie behauptet aber, dies sei erst zu einem so späten Zeitpunkt im Verlauf des Tages erfolgt, dass mit einer Kenntnisnahme nicht mehr hätte gerechnet werden dürfen. Das Schreiben sei ihr erst am 1.10.2021 zugegangen.

Ihre Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof haben bislang die Annahme einer Verkehrsanschauung, wonach bei Hausbriefkästen im Allgemeinen mit einer Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen sei, die allerdings stark variieren können, nicht beanstandet (…). Die örtlichen Zeiten der Postzustellung stellen nicht unbeachtliche individuelle Verhältnisse des Empfängers dar. Zu diesen könnte zB eine Vereinbarung mit dem Postboten über persönliche Zustellzeiten zählen (…), konkrete eigene Leerungsgewohnheiten oder auch die krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheit (…). Die allgemeinen örtlichen Postzustellungszeiten gehören dagegen nicht zu den individuellen Verhältnissen, sondern sind vielmehr dazu geeignet, die Verkehrsauffassung über die übliche Leerung des Hausbriefkastens zu beeinflussen. Der Senat hat bereits in der Entscheidung vom 22. März 2012 (…) auf die (örtlich) stark variierenden Postzustellungszeiten, die für die Bestimmung der Verkehrsanschauung herangezogen werden können, hingewiesen. Das Berufungsgericht ist inzident vom Bestehen einer solchen Verkehrsanschauung ausgegangen.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, es bestehe ein Beweis des ersten Anscheins, dass das Kündigungsschreiben am Zustelltag zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten der Klägerin gelegt wurde.

BAG, Urt. vom 20.6.2024 - 2 AZR 213/23, BeckRS 2024, 19012

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