BayObLG: Das BVerfG ist toll...und erst einmal das faire Verfahren...nur nicht, was die Daten in Bayern angeht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.01.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht4|3815 Aufrufe

Ich bin tatsächlich von einer aktuellen BayObLG-Entscheidung sehr irritiert. Da hatte das BVerfG ja gerade schön etwas zur "Informationsparität" entschieden. Grundtenor: "Alles was ein Verteidiger als wichtig zur Prüfung der Messung ansehen kann, kann er auch bekommen. Das ändert aber nichts an der Figur des so genannten Standardisierten Messverfahrens und der eingeschränkten gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht in OWi-Sachen!" Eine tolle Entscheidung, wie ich finde. Und dann lese ich so etwas, was mich tatsächlich ratos sein lässt:

1. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren kann sich im Zusammenhang mit einer standardisierten Messung im Straßenverkehr ein Anspruch des Betroffenen auf Zugang zu nicht bei der Bußgeldakte befindlicher, aber bei der Verfolgungsbehörde vorhandener und zum Zwecke der Ermittlungen entstandener bestimmter Informationen, hier der sog. ‚Rohmessdaten‘ einer konkreten Einzelmessung, ergeben (Anschluss an BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18 bei juris).

 2. Demgegenüber wird durch die bloße Versagung der Einsichtnahme bzw. die Ablehnung der Überlassung von nicht zu den Bußgeldakten gelangter sog. ‚Rohmessdaten‘ das rechtliche Gehör des Betroffenen (Art. 103 Abs. 1 GG) regelmäßig nicht verletzt (Festhaltung u.a. an BayObLG, Beschluss vom 09.12.2019 - 202 ObOWi 1955/19 = DAR 2020, 145 = BeckRS 2019, 31165; 06.04.2020 - 201 ObOWi 291/20 bei juris und KG, Beschluss vom 02.04.2019 - 122 Ss 43/19 bei juris).

 3. Ein Anspruch des Betroffenen und seiner Verteidigung auf Einsichtnahme und Überlassung der (digitalen) Daten der gesamten Messreihe besteht nicht (u.a. Anschluss an OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.05.2020 - 1 OWi 2 SsBs 94/19 = ZfSch 2020, 413 und 27.10.2020 - 1 OWi 2 SsBs 103/20 bei juris).

BayObLG Beschl. v. 4.1.2021 – 202 ObOWi 1532/20, BeckRS 2021, 1 

 

 

Leitsätzen 2 und 3 würde ich angesichts der BVerfG-Rechtsprechung widersprechen.

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4 Kommentare

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Nicht nur Sie, Herr Krumm.

Das dürfte eigentlich jeder, der sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchgelesen und dabei mitgemacht hat, so sehen. Fragt sich nur, ob man beim BAYOBLG nicht alles gelesen hat oder ob man es einfach nicht verstehen wollte, weil alles am Besten so schön bequem bleiben soll wie man es sich insbesondere in Bayern beim Polizeiverwaltungsamt und bei den Gerichten immer gern gemacht hat...

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Eine angesichts des rechtsstaatlichen Instanzengefüges und auch angesichts gültiger Logikgrundsätze völlig unverständliche Entscheidung!

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Ich sehe das Problem nicht. Das BayOblG sieht das Recht auf faire Verfahren als verletzt an, nicht aber das Recht auf rechtliches Gehör. Es meint, dass man Anspruch auf die Daten hat, die die eigene Messung betreffen, aber nicht auf die Daten zur Messung anderer Fahrzeuge. Das kann man für falsch halten, aber ein innerer Widerspruch ist hier nicht gegeben.

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Man kann nur immer wiederholen, dass es zu begrüssen ist, wenn die Gerichte nicht jeden Blödsinn aus Karlsruhe mitmachen.

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