BAG gibt Grundsatz der Tarifeinheit auf

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 23.06.2010

Der 10. Senat des BAG hat sich in einem soeben veröffentlichten Beschluss vom heutigen Tage der Rechtsauffassung des 4. Senats angeschlossen und den Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben (BAG, Beschluss vom 23.6.2010 - 10 AS 2/10 u.a.). Der 4. Senat will die Auffassung vertreten, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebs unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle der Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag (so genannte Tarifpluralität). (BAG, Beschluss vom 27.1.2010 - 4 AZR 549/08 (A), NZA 2010, 645). Diese Rechtsauffassung stand jedoch in Widerspruch zur bisherigen Judikatur des 10. Senats, die er nunmehr aufgegeben hat.

Die Pressemitteilung lautet:

Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich der vom Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Anfragebeschluss vom 27. Januar 2010 dargelegten Rechtsauffassung zur Tarifeinheit (vgl. Pressemitteilung Nr. 9/10) angeschlossen. Auch nach Auffassung des Zehnten Senats gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, für Beschäftigte kraft Koalitionsmitgliedschaft nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers (Verbandsmitgliedschaft oder eigener Abschluss des Tarifvertrags) mehr als ein Tarifvertrag Anwendung findet, wenn für den einzelnen Arbeitnehmer jeweils nur ein Tarifvertrag gilt (sog. Tarifpluralität). Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können.

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2 Kommentare

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 Ein Satz, welcher schwizen macht:

"Der 4. Senat will die Auffassung vertreten, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebs unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle der Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag (so genannte Tarifpluralität)."

 Ein Satz, welcher vergleichbar schwizen macht:

„Eine Eisenbahn ist ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften – Dampf, Elektrizität, tierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon durch die eigene Schwere der Transportgefäße und deren Ladung usf. – bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßige gewaltige, je nach den Umständen nur bezweckterweise nützliche oder auch Menschenleben vernichtende und menschliche Gesundheit verletzende Wirkung zu erzeugen fähig ist.“

 

 

 RGZ 1, 247, 252

Ich hoffe, diese kleine - und selbstverständlich nicht böse gemeinte - Anmerkung zum Stil findet Gehör.

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@ "tjelle"

Woher kommt die Formulierung mit dem "schwi(t)zen machen"? Ist mir in anderer Form als  Mozart-Zitat bekannt:

"Als „Concerten, welche schwizen machen“ hat Wolfgang Amadeus Mozart in einem Brief an seinen Vater seine Wiener Klavierkonzerte bezeichnet." (http://www.ngz-online.de/archiv/neusser_feuilleton/Pianistische-Achterba...)

Haben Sie darauf angespielt?

 

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