Unfallflucht: Anonyme Anzeigen auf Parkplätzen?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.03.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht7|4234 Aufrufe

In der Tageszeitung las ich vor einigen Tagen eine erstaunliche Idee der örtlichen Polizeibehörde. Sie will zur Bekämpfung von Unfallfluchten das anonyme Anzeigen durch das Aufstellen von Polizeibriefkästen mit vorgefertigten ausfüllbaren Kärtchen nutzen. Die Briefkästen sollen an problematischen Örtlichkeiten aufgestellt werden. So soll die Verfolgung erleichtert und Druck auf den Flüchtenden aufgebaut werden, sich die Flucht genau zu überlegen, weil ja die Gefahr des Verfolgtwerdens höher sei. Es soll auch Polizeibehörden geben, die das schon so praktizieren.

Für mich ist das alles eine eigenartige Vorgehensweise, wobei ich mir mit der Bewertung derzeit noch im Unklaren bin. Ich würde ja mal gerne von den Bloglesern wissen, was sie davon halten. Vielleicht gibt es ja auch irgendwo schon Erfahrungen damit?    

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7 Kommentare

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Wenn schon, warum "anonym"? Wann kann doch wohl erwarten, dass sich in einem solchen Alltags-Fall jemand mit Namen zu erkennen gibt. Andernfalls wäre wäre das ein Fest für Täter, die nur von sich - anonym - ablenken wollen.

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Das ist ein sehr weites Feld.

Einerseits kann es in Einzelfällen für die Polizei hilfreich sein, wenn sie Ermittlungstipps bekommt, selbst wenn diese anonym sind. 

Und manche Zeugen wollen ihre Identität nicht offenbaren, etwa weil sie selber auf der Fahndungsliste stehen, oder selber etwas illegales getan haben, oder weil sie mit dem Täter verwandt oder verheiratet oder verschwägert oder befreundet oder geschäftlich verbunden sind oder Mannschaftssportskameraden oder Nachbarn oder sonstige Bekannte sind, und nicht wollen, daß der Täter erfährt, daß sie es waren, die ihn belasted haben.

Mache Zeugen haben vielleicht auch Angst vor dem Täter, oder die Augenzeugen wollen nicht ihre Zeit dafür opfern auf einer Polizeistation oder in einem Gericht eine Zeugenaussage abzugeben.

Allerdings könnten solche Praktiken auch dazu führen, daß demnächst niemand mehr bereit ist vor Gericht eine Aussage zu  machen, und alle Leute dann nur noch anonyme Hinweise geben wollen.

Außerdem besteht die Gefahr, daß anonyme Anzeigemöglichkeiten zu Schikane- und Mobbingzwecken mißbraucht werden, daß also diejenigen, die in einer Schulklasse oder in einem Dorf oder in einem Sportsverein das Sagen haben, diejenigen Mitschüler oder Nachbarn oder Vereinsmitglieder die unangepasst sind oder ihnen nicht passen, mit anonymen Anzeigen überziehen.

Menschen, die von anderen Leuten zum Beispiel für homosexuell oder pädophil gehalten werden, könnten so möglicherweise Opfer einer faschistoiden Hexenjagd werden.

Auch Menschen mit religiös oder politisch abweichenden Meinungen oder sonstigem jemanden mißliebigen verhalten, oder auch geschäftliche Konkurrenten oder Nebenbuhler, könnten so geschädigt und schikaniert werden.

Insbesondere wenn man das Modell vom Tatbestand der Verkehrsunfallflucht auf alle Straftatbestände ausweiten würde, könnte das einen gefährlichen Weg in eine verantwortungslose Denunzierungs- und Verleumdnungsgesellschaft eröffnen.

Wer einen anderen Menschen einer Straftat beschuldigt, der sollte auch zu seinem Wort stehen, und bereit sein für seine Beschuldigung seine Verantwortung zu tragen.

Ausnahmen mag es geben für Whistle-Blower, die Kriegsverbrechen oder Regierungskriminalität oder terroristische Aktionen anzeigen, und die sich vor der Rache eines Machtapparates oder einer Terrorgruppe fürchten müssen.

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Man kann Anzeigen doch bereits jetzt anonym stellen. Und eine anonyme Anzeige löst im Prinzip dieselben Ermittlungspflichten aus wie eine namentliche. Insofern muss man sich erst einmal vor Augen führen, dass keine grundsätzlich neue Möglichkeit eingeführt wird.

Fragen muss man sich daher nur, ob dieses bereits bestehende Instrument quasi gefördert werden sollte. Da kann man sagen: Lieber eine anonyme als gar keine Anzeige. Falls es so sein sollte, dass die Zahl namentlicher Anzeigen nicht negativ beeinflusst wird, ist diesbezüglich gar kein negativer Effekt gegeben.

Die Möglichkeit von Falschbeschuldigungen besteht. Auch das ist bisher bereits der Fall, im Übrigen auch bei namentlichen Anzeigen. Fragen muss man sich daher allein, ob zu erwarten ist, dass eine nennenswerte Zahl von Falschbeschuldigungen neu hinzukommt. Dafür sehe jedenfalls ich gegenwärtig keine Hinweise. Da die Anzeigekärtchen mittels Fingerabdrücken ggf. auch zurückverfolgbar wären, erscheint mir im Übrigen auch fraglich, ob dieses Medium für Falschbeschuldigungen besonders klug wäre.

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M. E. steht nur die Frage, ob man zur Wahrung berechtigter Interessen von Unfallgeschädigten das anonyme Denunziantentum fördern will oder nicht. Schon bisher mögliche anonyme Anzeigen sind doch etwas anderes, als auf einem vorgefertigten Mini-Fragebogen zwei Kfz-Kennzeichen einzutragen und 3 Kreuzchenfragen zu beantworten.

Ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser neuen Initiative. Ich bekenne aber andererseits ehrlich, dass es mir schon recht wäre, wenn ich dadurch einen „Ansprechpartner“ hätte, der die Reparatur der Beule bezahlt, die er meinem heiligen Blechle zugefügt hat.

Die Gefahr gezielter Falschbeschuldigungen halte ich für gering. Es müssen schließlich zwei Fahrzeuge vorhanden sein, deren Schäden zueinander passen. Andernfalls kann man mit einer falschen anonymen Anzeige jemanden vielleicht mal kurz ärgern aber nicht ernsthaft schaden.

Frau Stuth, Ihr Beitrag findet meine Zustimmung nicht. Nach meinem Kenntnisstand (widersprechen Sie mir wenn ich mich irre) ist es durchaus möglich einen Menschen zu mobben oder zu schikanieren oder in Verruf zu bringen oder sonstwie zu schaden (etwa daurch, daß der Beschuldigte die Beschuldigung seiner Versicherung melden muss und dadurch versicherungsrechtliche Nachteile erleidet, selbst wenn die Versicherung am Ende wegen nicht nachgewiesener Schuld nicht zahlt), ohne dessen gerichtliche Verurteilung zu erreichen (auch die Aufnahme als Beschuldigter in die Liste der Staatsanwaltschaft ist nachteilhaft, und wer sich als zu Unrecht Beschuldigter im Vorverfahren frühzeitig einen Verteidiger nimmt wird seine Auslagen auch nicht immer und auch später nicht immer vollständig erstattet erhalten).

Nicht uneingeschränkt zustimmen kann ich auch Ihrer These, daß man als Beschuldigter aus dem Schneider sei, wenn am eigenen Auto kein zum fremden Auto passender Schaden von der Polizei festgestellt wird. Insbesondere bei Parkunfällen, bei denen zum Beispiel mit einer Türe (die zur benachbarten Parkbucht zu weit geöffnet wird) oder mit der Stoßstange oder der Anhängerkupplung ein anderes Auto beschädigt wird, ist oft nur am geparkten geschädigten Auto eine Beule oder ein Kratzer, während das "aktive" Auto (oder das "aktive" Motorrad oder Fahrrad oder der Traktor oder der bewegte Einkaufswagen) oft keinen sichtbaren Schäden erleidet.

Falschbeschuldigungen haben meiner Erfahrung nach keineswegs Seltenheitswert. Insbesondere nicht unter Ex-Ehegatten, Ex-Lebensabschnittspartnern, verschmähten Verehrerinnen und verschmähten Verehrern, Nebenbuhler, Stutenbeisserinnen, Prozessgegner, Ex-Arbeitsvertragspartnern, Nachbarn, Mitschülern, Kommilitonen, oder Leute, die einfach bloß neidisch, mißgünstig, frustiert, chronisch verärgert, oder irgendwie gestört oder fanatisch sind. Und auch manche Menschen, die sich einbilden, jemand anderem überlegen zu sein, oder die eine vermeintlich höhere Position in einer informellen Hackordnung geltend machen wollen, lassen sich (gar nicht so selten) dazu hinreißen, jemanden mit Falschbeschuldigungen zu drohen, um ihn zu Unterwerfungs- oder Unterordnungs- oder Demutsgesten oder zu sonst irgendetwas irgendetwas zu nötigen.

Wenn man die Abgabe anonymer Anzeigen bei einem Delikt begrüßt und fördert, dann kommt früher oder später auch die Frage der Förderung von anonymen Anzeigen bei anderen Delikten auf den Tisch.

Daß der Gesetzgeber das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nicht als Ordnungswidrigeit sondern als Straftat einordnet, erscheint mir ohnenhin überzogen. Es erscheint mir manchmal als Wertungswiderspruch, daß Unfallflucht wie ich finde recht streng behandelt wird, während unterlassene Hilfeleistung wie ich finde jedoch meist bloß sehr lax geahndet wird, obwohl es in dem einen Fall bloß um einen meist überschaubaren Vermögensschaden geht, während in dem anderen Fall die Gesundheit eines Mitmenschen Schaden nimmt oder gefährdet wird. In beiden Fällen geht es wohl um Verantwortung und Solidarität, aber wegen eines kleinen Blechschadens seinen Schadensfreiheitsrabatt nicht verlieren zu wollen erscheint mir weniger unmenschlich als einen Verletzen (auch wenn man selber dessen verletzung nicht verursacht hat) einfach aus Bequemlichkeit und aus Mitleidlosigkeit hilflos irgenwo seinem Schicksal zu überlassen.

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Was an Beweismitteln wird zur Überführung gebraucht?  Zur zivilrechtlichen Haftung: das Fahrzeug. Strafrechtlich außerdem die Fahrerpersönlichkeit. Für letzteres wäre schon ein einvernehmbarer Zeuge von Belang. § 138 StGB und arg e contr zu "Zeit, zu der noch ... abgewendet werden kann" klärt in einem Rechtsstaat die Pflichten. Verfolgungspflicht hat die Staatsanwaltschaft und Polizei bei Straftaten. UWG-Klagen von der Zentrale werden übrigens auch häufig annonym erhoben ( "wurde uns beschwerdeführend bekannt.....").

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