Anspruch aus dem Nichts!

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 22.07.2021
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-Recht|2497 Aufrufe

Wird das Sondereigentum bei einem Leitungsbruch durch den Eintritt von Wasser in Mitleidenschaft gezogen, tritt der Gebäudeversicherer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf den Plan. Denn bei der „angemessenen Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert“ iSv § 19 II Nr. 3 WEG wird das Sondereigentum traditionell mitversichert. Unbill droht, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Selbstbehalt vereinbart hat (ich halte das nicht für ordnungsmäßig). Denn dann wird ein Schaden nicht vollständig reguliert.

Beispiel

Ein Leitungswasserschaden am gemeinschaftlichen Eigentum und am Sondereigentum beträgt zusammen 14.950 EUR (11.750 EUR bei Wohnungseigentümer K, 3.200 EUR im gemeinschaftlichen Eigentum). Es ist ein Selbstbehalt von 1.000 EUR vereinbart. Der Gebäudeversicherer zahlt also 13.950 EUR. Der Selbstbehalt entfällt dann rechnerisch quotal in Höhe von (gerundet) 78 % auf K und 22 % auf B. K erhielte also nur 10.964 EUR und müsste 786 EUR selbst trage.

Kann K von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Versicherungsnehmerin diesen Betrag verlangen, obwohl diese diesen Betrag nicht erhalten hat? Das LG Frankfurt (Urteil vom 20.05.2021 – 2-13 S 149/19) meint ja! Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe K „die Schadensbeseitigung in vollem Umfang zu ermöglichen“ und den Aufwand für den Selbstbehalt – auf der zweiten Stufe – in der Jahresabrechnung auf alle Eigentümer umzulegen. D.h., K erhält von B – und also von seinen Miteigentümern (und einem kleinen Teil von sich selbst) – etwas, was B vom Gebäudeversicherer nicht erhalten hat.

Was ist die Anspruchsgrundlage? Das LG meint, es sei die zwischen der Gemeinschaft und den Wohnungseigentümern bestehende Treuepflicht. Die Höhe des Selbstbehaltes sei üblicherweise unmittelbar mit der Höhe der Prämienzahlung verbunden. Insoweit profitierten alle Wohnungseigentümer durch eine Reduzierung der Versicherungsprämie von dem Selbstbehalt, solange es nicht zu einem Schaden käme.

Bewertung

Das Ergebnis überzeugt mich nicht. Es ist allemal besser, bei der angemessenen Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert keinen Selbstbehalt zu vereinbaren. Wenn doch, muss aber jeder Wohnungseigentümer mit dem Ergebnis leben und hat keinen Anspruch gegen seine Nachbarn. Insoweit schuldet er diesen Treue, selbst für seinen unversicherten Schaden einzutreten.  

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