Elefantenrennen in Bayern

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.07.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|681 Aufrufe

Viele Jahre gab es keine relevanten Entscheidungen mehr zu so genannten Elefantenrennen von LKW. Der jeweilige Fahrzeugführer wird wegen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 Satz 2 StVO nach §§ 49 StVG, 24 StVG geahndet. Welche Feststellungen sind aber für das tatrichterliche Urteil erforderlich, soll es zu einer rechtsfehlerfreien Verurteilung kommen?

Darüber hinaus ist die Beweiswürdigung hinsichtlich des Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 Satz 2 StVO, der ein Überholen nur erlaubt, wenn der Überholende mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt, insofern lückenhaft, als unklar bleibt, wie das Amtsgericht zu der Feststellung gelangt ist, dass der Überholvorgang „über 1 Minute“ gedauert hat. Dies ist von Bedeutung, weil nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 2 StVO regelmäßig erst ab einer Differenzgeschwindigkeit von 10 km/h anzunehmen  ist, was bei einer Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeugs von 80 km/h einer Dauer des Überholvorgangs von 45 Sekunden entspricht (OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2008 – 4 Ss OWi 629/08 = NStZ-RR 2009, 154 = DAR 2009, 339 = NZV 2009, 302; im Ergebnis ebenso hinsichtlich der Differenzgeschwindigkeit: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.11.2009 – 1 SsRs 45/09 = SVR 2010, 66 = VerkMitt 2010, Nr 21 = VRS 118, 28 [2010] = VRS 118, Nr 8 = OLGSt StVO § 5 Nr 12). Den äußerst knappen Darlegungen des angefochtenen Urteils kann allenfalls entnommen werden, dass die Feststellung zur Dauer des Überholvorgangs auf den Angaben des vernommenen Zeugen beruht. Indes hätte das Amtsgericht zur Ermöglichung einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht auch mitteilen müssen, auf welche Weise der Zeuge, bei dem es sich – wie sich aus den Lichtbildern, auf die das Amtsgericht Bezug genommen hat, noch ableiten lässt – um einen Polizeibeamten, der in einem Streifenfahrzeug unterwegs war, handelte, zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Der Senat schließt sich insoweit der zutreffenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuleitungsschrift an, die darauf hinweist, dass eine rein gefühlsmäßig geschätzte Zeitdauer wegen der damit verbundenen Unsicherheiten nicht ausreichend ist. Demgemäß hätte es näherer Feststellungen dazu bedurft, wie der Zeuge zu der zeitlichen Einschätzung, etwa durch „Mitzählen“, die Zuhilfenahme einer Uhr oder dergleichen, gelangt ist

BayObLG Beschl. v. 6.2.2024 – 202 ObOWi 90/24, BeckRS 2024, 9852

 

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