Entscheidung über die Tagessatzhöhe nach Einspruch gegen den Strafbefehl: zum Ermessen des Gerichts bei Beschlussentscheidung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.08.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|937 Aufrufe

Wird Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und dieser auf die Höhe eines jeden Tagessatzes beschränkt, kann das Gericht im Beschlusswege entscheiden. Das ist sehr praktisch und schon Ressourcen. Aber wo sind die Grenzen einer solche  Beschlussentscheidung. Dazu hat das LG Nürnberg-Fürth Stellung genommen:

 

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.04.2024 wird als unbegründet verworfen.

 2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht Nürnberg erließ am 27.12.2023 gegen die Angeklagte einen Strafbefehl, in dem es eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 50 € verhängte. Die Tagessatzhöhe war geschätzt. Dagegen legte ihr Verteidiger fristgerecht Einspruch ein, der auf die Tagessatzhöhe beschränkt war. Zugleich schrieb er, es möge im schriftlichen Verfahren entschieden werden, Einkommensnachweise würden vorgelegt werden. Am 19.02.2024 zeigte sich ein neuer Verteidiger an und erhielt umgehend Akteneinsicht. Nachdem nichts einging, monierte das Amtsgericht am 28.02.2024 die fehlenden Einkommensnachweise beim neuen Verteidiger. Der antwortete nicht.

 Am 19.03.2024 übersandte das Amtsgericht die Akte an die Staatsanwaltschaft und bat um eine Stellungnahme zur Tagessatzhöhe. Die Staatsanwältin telefonierte mit dem Verteidiger, der die Übersendung von Einkommensnachweisen avisierte, und bat das Gericht, etwas zuzuwarten. Nachweise übersandte der Verteidiger nicht. Am 11.04.2024 fragte das Amtsgericht erneut bei der Staatsanwaltschaft an. Diese beantragte die Zurückweisung des Einspruchs.

 Mit Beschluss vom 22.04.2024 stellte das Amtsgericht fest, dass es bei der Tagessatzhöhe von 50 € verbleibe.

 Hiergegen legte der Verteidiger sofortige Beschwerde ein, deren Begründung innerhalb weiterer 14 Tage er ankündigte. Eine Begründung erfolgte jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft beantragte, den angegriffenen Beschluss aufzuheben, weil die Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe unzureichend sei.

 II.

 Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Erstgerichts trifft zu.

 Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft war die Entscheidung im Beschlusswege nicht zu beanstanden. Gemäß § 411 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 StPO kann das Amtsgericht mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden, wenn der Einspruch auf die Höhe der Tagessätze einer festgesetzten Geldstrafe beschränkt ist. Ob das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen, wobei eine Hauptverhandlung sich jedenfalls dann als notwendig erweist, wenn die mündliche Anhörung der Angeklagten zur Aufklärung erforderlich ist.

 Die Begründung für die Ausnahmeregelung der Entscheidung im Beschlusswege wird darin gesehen, dass bei Erlass des Strafbefehls die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten oftmals nicht genau bekannt sind und das Gericht, wenn keine Angaben gemacht werden, diese schätzen muss. Vorliegend war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten jedoch entbehrlich, da das Amtsgericht davon ausgehen konnte, dass diese durch die Vorlage schriftlicher Unterlagen nachgewiesen würden, wenn der ohnehin niedrig geschätzte Tagessatz von 50 € bei einer Geschäftsführerin, die wegen eines Delikts nach dem GmbHG verfolgt wird, unterschritten werden sollte. Der Verteidiger wies in seinem Einspruchsschreiben namens der Angeklagten selbst darauf hin, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden könne. Weiter kündigte die Verteidigung mehrfach an, Unterlagen zur Einkommenssituation der Angeklagten nachzureichen. Dies geschah dann aber trotz wiederholter Aufforderung nicht. Auch wurde von Seiten der Verteidigung nicht von einer Entscheidung im Beschlussverfahren Abstand genommen oder mitgeteilt, dass entgegen der vorigen Ankündigung doch keine Unterlagen vorhanden seien. Das Amtsgericht hatte mithin keinen Anlass anzunehmen, die im Strafbefehl geschätzte Tagessatzhöhe sei zu hoch gegriffen. Die Entscheidung im Beschlusswege erfolgte nach allem ermessensfehlerfrei.

 III.

 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.

LG Nürnberg-Fürth Beschl. v. 4.7.2024 – 12 Qs 23/24, BeckRS 2024, 15790 

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