Duschen als Arbeitszeit?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 19.08.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1231 Aufrufe

Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.

Das hat das BAG entschieden.

Der Kläger ist Containermechaniker. Zu seinen Aufgaben gehört u.a. das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen an Containern und eine entsprechende Nachlackierung. Die beklagte Arbeitgeberin stellt hierfür Arbeitskleidung, Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske zur Verfügung.

Die Parteien streiten darüber, ob das Umkleiden, Duschen sowie der Weg zu den Waschräumen zur Arbeitszeit gehört. Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, in der Berufungsinstanz hat das LAG Nürnberg dem Kläger weitere Beträge zugesprochen. Die Revision der Arbeitgeberin war überwiegend begründet. Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

Umkleidezeiten können vergütungspflichtige Arbeitszeit sein. Das hatte das BAG bereits in Urteilen vom 15.7.2021 - 6 AZR 207/20, NZA 2021, 1720 und vom 13.10.2021 - 5 AZR 270/20, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 69, entschieden. Hier muss das LAG allerdings die konkrete Dauer noch aufklären. Der "Selbstversuch" des Kammervorsitzenden erschien dem BAG untauglich, schon deshalb, weil der Kammervorsitzende mutmaßlich aufwändiger (mit Anzug und Krawatte) gekleidet war, als der Kläger typischerweise am Arbeitsplatz erscheint. Nahe liegt zudem, dass das Umkleiden im Winter länger dauert als im Sommer, wenn mehr Bekleidungsstücke zu tauschen sind.

Auch die "Duschzeiten" bedürfen weiterer Aufklärung. Das Duschen kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein, wenn dem Arbeitnehmer sonst nicht zugemutet werden, den Heimweg mit ÖPNV oder im eigenen Pkw anzutreten. Ob der Kläger allerdings tatsächlich am Ende eines jeden Arbeitstages so verdreckt oder verschwitzt ist, dass er duschen muss, oder ob an manchen Tagen nicht auch Waschen reicht, muss das LAG ebenfalls noch aufklären. Die bisherigen Feststellungen waren teilweise widersprüchlich.

Ohne weiteres Arbeitszeit ist der Weg von den Umkleide-/Waschräumen zum Arbeitsplatz. Wege auf dem Betriebsgelände sind vergütungspflichtig. Allerdings betrug die Wegstrecke im Streitfall nur 40 m, was selbst außerhalb olympischer Normen in deutlich unter einer Minute bewältigt werden kann.

BAG, Urt. vom 23.4.2024 - 5 AZR 212/23, BeckRS 2024, 20630

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