Fall Mollath - Einige Anmerkungen zur schriftlichen Urteilsbegründung des LG Regensburg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.11.2014

Die schriftlich verfassten Gründe des noch nicht rechtskräftigen Urteils im wiederaufgenommenen Prozess gegen Gustl Mollath liegen seit 14 Tagen  vor.

Ein erster Blick in die mit 120 Seiten außergewöhnlich umfangreiche Begründung bestätigt meinen Eindruck aufgrund der Pressemitteilung am Tag der mündlichen Urteilsverkündung.

Damals hatte ich von einem „salomonischen Urteil“ geschrieben und bin dafür kritisiert worden. Vielleicht habe ich das Wort „salomonisch“ unangemessen gebraucht – gemeint war, dass dieses Urteil für Herrn Mollath einerseits einen Erfolg darstellt, andererseits auch nicht. Erfolgreich für ihn ist es insofern, als die jahrelange Unterbringung aufgrund einer nachgewiesenen gefährlichen Wahnerkrankung, Ergebnis des Urteils des LG Nürnberg-Fürth, nun vom LG Regensburg nachträglich als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen wurde. Herr Mollath ist für die Unterbringungszeiten zu entschädigen.

Dieses Urteil ist aber nur Teil eines außergewöhnlichen Gesamterfolgs: Vor gut zwei Jahren, Anfang November 2012, war Herr Mollath ein seit sechseinhalb Jahren in der forensischen Psychiatrie Untergebrachter und nahezu ohne Chance in absehbarer Zeit freigelassen und rehabilitiert zu werden. Auf seiner Seite standen zwar schon damals einige private Unterstützer, eine Strafverteidigerin und einige Journalisten. Auf der Gegenseite, die ihn als nach wie vor gemeingefährlichen Wahnkranken ansah, standen aber nicht nur das seit 2007 rechtskräftige Urteil, sondern  auch seine Behandler in der Psychiatrie, mehrere psychiatrische Gutachter, die Strafjustiz an drei bayerischen Standorten und die zunächst noch vom Ministerpräsidenten gestützte bayerische Justizministerin. Gegen diese Institutionen hat Gustl Mollath im Verlauf eines knappen Jahres die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, und zwar in einmaliger Weise auf Antrag der Staatsanwaltschaft (!), die Freilassung aus der Unterbringung, eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde und nunmehr auch ein neues Urteil erreicht. Im Verlauf dieser Zeit wurden anhand des „Falls Mollath“ außerdem wichtige Fehlkonstruktionen aufgedeckt, was in ein Bundesgesetzgebungsverfahren (StGB) sowie ein Landesgesetzgebungsverfahren (Maßregelvollzugsgesetz) mündete. Ohne dies aktuell empirisch überprüft zu haben: Ein solcher Erfolg ist in der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte einmalig. Wer nun davon spricht (sei es auf Seiten Herrn Mollaths oder auf der Gegenseite), Herr Mollath sei insgesamt gescheitert, der hat einen verzerrten Blick auf die Wirklichkeit. Allerdings: Die verlorenen Jahre kann ihm niemand zurückgegeben; die zu erwartende Entschädigung kann diesen Verlust nicht ansatzweise ausgleichen.

Zugleich enthält das Urteil auch einen „Misserfolg“ für Gustl Mollath, weil  der schwerste Vorwurf, seine Frau am 12.08.2001 geschlagen, gebissen und gewürgt zu haben, als seine rechtswidrige Tat festgestellt wurde. Seiner Darstellung, diese Tat habe so gar nicht stattgefunden bzw. er habe sich nur gegen einen Angriff seiner Frau gewehrt, ist das LG Regensburg nicht gefolgt. Dieser Misserfolg fällt allerdings gegenüber den oben genannten Erfolgen geringer ins Gewicht.

Die  Beweiswürdigung zum Tatvorwurf am 12.08.2001, ausgeführt auf  mehr als 50 Seiten der Urteilsgründe, ist nicht nur ausführlich, sondern akribisch und auch logisch stimmig. Im Kern glaubt das Gericht den Angaben der Nebenklägerin, die sie im früheren Verfahren gemacht hat, und den Beobachtungen des Arztes, den sie zwei Tage nach der Tat aufsuchte. Eine sehr kritische Würdigung dieser Angaben war geboten, denn die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung nicht ausgesagt, aber dennoch auf den geschilderten Vorwürfen beharrt. In einem Strafprozess, der als Prinzipien die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung kennt, ist ein solches Aussageverhalten  problematisch. Der BGH hat es dennoch zugelassen, die früheren Angaben eines Hauptbelastungszeugen zu verwerten, auch wenn dieser  die Aussage in der Hauptverhandlung (berechtigt) verweigert. Allerdings erweist sich eine derartige Beweiswürdigung auch im Fall Mollath als bedenklich: Die schriftlich niedergelegten Angaben der Nebenklägerin konnten praktisch nur untereinander und indirekt über die Vernehmung von Drittzeugen geprüft werden, ohne dass die Nebenklägerin in Gefahr geraten konnte, sich bei Rückfragen  in Widersprüche zu verwickeln. Da das Gericht die Nebenklägerin nie persönlich gesehen hat, konnte ein Gesamteindruck der entscheidenden personalen „Quelle“ der Vorwürfe nicht gewonnen werden. Wenn sich das Gericht dann zentral auf die früheren Aussagen stützt, muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden. So spricht nach Auffassung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Angaben zentral, dass die Nebenklägerin zum Zeitpunkt ihrer ersten Angaben über die Tat noch nicht die Absicht gehabt habe, sich von ihrem Mann zu trennen bzw. ihn anzuzeigen. Vielmehr habe sie ja noch Monate mit ihm zusammengelebt. Gerade dieser Umstand kann aber auch umgekehrt interpretiert werden: Dass sie noch so lange mit ihm zusammengeblieben ist, könnte eher gegen einen lebensgefährlichen Angriff sprechen. Welche Absicht die Nebenklägerin mit dem Attest positiv verfolgte, ist unbekannt. Dass es keine Motive gewesen sind, die dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben entgegenstanden, wird vom Gericht unterstellt. Dass die Gründe in der "Vorsorge" für ein späteres Scheidungsverfahren gelegen haben könnten, wird vom Gericht nicht diskutiert. Im Übrigen stützt sich die Kammer darauf, dass es sich bei den Tatschilderungen im Kern um konstante und darum auch zuverlässige Äußerungen handele. Das Konstanzkriterium ist allerdings ein recht schwaches Wahrheitsindiz, weil es auch einer lügenden Person ohne Weiteres gelingen kann, eine konstante Tatschilderung in mehreren Vernehmungen aufrecht zu erhalten. Angaben zum Randgeschehen (wie kam es zur Tat, was passierte vorher und nachher?) sind in den verwerteten Angaben nicht enthalten. Hierzu hätte es zur Aufklärung der mündlichen Vernehmung der Nebenklägerin bedurft.

Anders als die Nebenklägerin hat sich der Angeklagte als Beweismittel gegen sich selbst auch in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt. Seine Äußerung, er habe sich gewehrt, wird vom Gericht dahingehend gewürdigt, dass es jedenfalls am 12.08.2001 zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sein müsse. Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Wenn es eine Auseinandersetzung gab, bei der sich der Angeklagte gewehrt hat, dann kann erwartet werden, dass dieser die Auseinandersetzung auch im Einzelnen schildert. Hierzu aber schwieg der Angeklagte in der Hauptverhandlung. Es trifft allerdings nicht zu, dass sich – wie das Gericht meint (S. 66) – die Verteidigungsstrategien Mollaths (einerseits: Verletzungen vom Sprung aus dem Auto, andererseits: Verletzungen von einer Gegenwehr) widersprechen: Es ist denkbar, dass beides zutrifft und die Verletzungen von der Nebenklägerin beim Arzt als von einem einzigen Ereignis herstammend geschildert wurden.

Zentral ist der Zeuge Reichel, nach dessen Aussage er die Nebenklägerin zwei Tage nach der vorgeworfenen Tat gesehen hat und Verletzungszeichen schildert, die zu den Schilderungen der Nebenklägerin passen. Auch hier bemüht sich die Kammer, eventuelle Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. [Update 22.02.2015: Das Zustandekommen des Attests und des zugrundeliegenden Krankenblattinhalts ist sowohl inhaltlich als auch datumsmäßig  nach wie vor nicht eindeutig nachvollziehbar, diesbezügliche Widersprüche in der Darstellung Reichels wurden in der HV nicht geklärt.]

Insbesondere bleibe ich bei meiner schon kurz nach dem Urteil geäußerten Auffassung, dass die Frage der gefährlichen Körperverletzung durch eine das Leben gefährdende Handlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) für mich nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Da es keine Fotografien der Hämatome gibt, war das Gericht allein auf die – von ihm selbst eingeräumt – unzuverlässige Erinnerung des Arztes angewiesen und auf die durch den Arzt indirekt vermittelte Angabe der Nebenklägerin. Zum Würgen (auch mit Würgemalen) gibt es eine umfassende,  im Kern auch differenzierende Rechtsprechung. Die Schlussfolgerung, nicht näher dokumentierte Würgemale gingen in jedem Falle mit einer Lebensgefährdung einher, wird in der BGH-Rechtsprechung nicht geteilt. Die Angabe der Nebenklägerin, sie sei kurzfristig bewusstlos gewesen, beruht allein auf ihrer nicht überprüfbaren und auch von keinem weiteren objektiven Indiz bestätigten Angabe.

Das Gericht kommt hinsichtlich der Schudfrage zu dem Schluss, Herr Mollath habe am 12.08.2001 nicht ausschließbar unter Einfluss einer schwerwiegenden Störung gehandelt, die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB geführt habe. Obwohl dies in dubio pro reo zu einer Entlastung Mollaths führt, so dass er für den Angriff auf seine Frau weder bestraft noch untergebracht werden kann, wird diese Wertung von ihm als belastend empfunden. Ob diese subjektive Belastung als „Beschwer“ für eine Rechtsmittel (Revision) genügt, wird sicherlich Gegenstand der Begründung des von Mollath und seinem neuen Verteidiger eingelegten Rechtsmittels  sein.

Ohne auf diese verfahrensrechtliche Frage näher eingehen zu wollen, kann man aber bezweifeln, dass die materiellen Maßstäbe, die das Gericht hier an eine Subsumtion der Merkmale des § 20 StGB (und sei es auch nur in dubio pro reo) angelegt hat, zutreffend sind.

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Die Beweiswürdigung zu den anderen Tatvorwürfen hingegen stimmt mit meiner Einschätzung nach der Hauptverhandlung überein.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil kann hier nachgelesen werden: Urteil des LG Regensburg

Hinweis: Der Kommentarbereich mit fast 2000 Kommentaren ist nun für neue Kommentare geschlossen.

Mit dem Fall Mollath zusammenhängende Fragen werden jedoch von mir weiter verfolgt. Schon für demnächst ist ein  Beitrag zur (speziellen) Frage der Revisionszulässigkeit geplant. Zu dieser Frage kann dann auch wieder diskutiert werden. 

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1753 Kommentare

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@atropa belladonna

Herr Professor Müller schreibt Ihnen:

Es ist zwischen Gegenstand der Beschwer und den evtl. gerügten Rechtsfehlern und deren Begründung zu differenzieren. Ich gehe davon aus, dass die Beweiswürdigung diesbezüglich Inhalt der Revisionsbegründung ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das können. Es ist aber besonders wichtig Zulässigkeit und Begründetheit streng zu trennen. Ohne Ihnen nahe treten zu wollen: Ohne juristische Vorbildung irgendeiner Art ist das nicht gar so einfach wie mir scheint. Es würde aber vielleicht schon mal reichen zu wissen, dass wir die Frage der Zulässigkeit der Revision, insbesondere das damit verbundene Problem der Tenorbeschwer bei Freispruch bisher in der Blog-Diskussion völlig ausgeklammert haben. D.h. wir haben die Zulässigkeit bzw. die Tenorbeschwer oder die zulässigen Ausnahme davon, einfach hypothetisch unterstellt. Sollte aber die Revision nicht zulässig sein, dann wird der BGH sich nicht einen einzigen Gedanken zu den Fragen machen, die wir im Blog diskutiert haben. Im Grunde wird er bei Verneinung der Zulässigkeit das gar nicht dürfen.

WR Kolos schrieb:

@atropa belladonna

Herr Professor Müller schreibt Ihnen:

Es ist zwischen Gegenstand der Beschwer und den evtl. gerügten Rechtsfehlern und deren Begründung zu differenzieren. Ich gehe davon aus, dass die Beweiswürdigung diesbezüglich Inhalt der Revisionsbegründung ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das können. Es ist aber besonders wichtig Zulässigkeit und Begründetheit streng zu trennen. Ohne Ihnen nahe treten zu wollen: Ohne juristische Vorbildung irgendeiner Art ist das nicht gar so einfach wie mir scheint. Es würde aber vielleicht schon mal reichen zu wissen, dass wir die Frage der Zulässigkeit der Revision, insbesondere das damit verbundene Problem der Tenorbeschwer bei Freispruch bisher in der Blog-Diskussion völlig ausgeklammert haben. D.h. wir haben die Zulässigkeit bzw. die Tenorbeschwer oder die zulässigen Ausnahme davon, einfach hypothetisch unterstellt. Sollte aber die Revision nicht zulässig sein, dann wird der BGH sich nicht einen einzigen Gedanken zu den Fragen machen, die wir im Blog diskutiert haben. Im Grunde wird er bei Verneinung der Zulässigkeit das gar nicht dürfen.

Mir ist die Zulässigkeitsvoraussetzung im Prinzip klar. Gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Beschwerde, dann nützt auch die positiv zu beantwortende Begründetheit nichts. Auch der Grund für diese Regelung ist mir bewusst. Es soll auch irgendwann einmal Rechtssicherheit in einer Sache eintreten. Die Sache steht aber nicht selten mit dem Recht auf ein faires Verfahren und die Wahrung der Menschenwürde im Konflikt. Faktisch kann durch Umgehen dieser Grundrechte der Sinn der Zulässigkeitsregel missbraucht werden, in dem sich ein miserables Verfahren und/oder Urteil hinter der fehlenden Zulässigkeit einer Beschwer verstecken kann. Ist ein solcher Missbrauch nicht auch bei der Entscheidung über eine Zulässigkeit zu berücksichtigen? Sollten offensichtlich unbegründete Verfahrensweisen oder Urteile nicht auch unzulässig sein, damit es keinen Freibrief für Missbrauch und Manipulation gibt? Gibt es dafür Beispiele in der Rechtsprechung?      

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Sehr geehrter Herr Lippke,

Zu dem Namenproblem schreiben Sie:

Die Frage wann und warum die Patientin 728 MOPE (Mollath Petra) im Krankenblatt nun Müller, Petra heißt, ist ungeklärt. Ist das wichtig? Vielleicht schon.

Und ob das wichtig ist. Auf Seite 25 UA heißt es:

Die Kammer ist in der Gesamtschau auch davon überzeugt, dass der Eintrag in der Patientendatei und die Ausführungen in dem Attest vom 14.8.2001 auf einer Schilderung der Nebenklägerin gegenüber dem Zeugen Markus Reichel vom 14.8.2001 beruhen und die Angaben der Nebenklägerin erlebnisfundiert sind:

Wie sollte es für die Überzeugungsbildung der Kammer unwichtig sein, wenn die Patientendatei unter dem Namen Müller geführt wird, das Attest aber auf den Namen Mollath ausgestellt wurde und die Nebenklägerin aber Maske heißt?

 

Zu dem Problem der Zulässigkeit, insbesondere der Beschwer bzw. der Tenorbeschwer schreiben Sie:

Es soll auch irgendwann einmal Rechtssicherheit in einer Sache eintreten. 

Eine solche Verbindung (wie bei Fristen oder der Begrenzung des Instanzenzugs oder Rechtskraft z.B.) kann ich nicht erkennen. Vielmehr hat die Beschwer mit der Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten zu tun, und dem Umfang des Rechtssprechungsmonopols, und weil der Rechtsweg ohne Effektivität der Überprüfung einer Maßnahme der staatlichen Gewalt nichts wert ist, damit auch mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

Der Grundgedanke liegt in der Verhinderung von Popularklagen gegen unliebsame Entscheidungen und die Begrenzung der Antragsbefugnis auf diejenigen, die unmittelbar durch die Maßnahme in ihren eigenen Rechten verletzt sein könnten.

Zu Ihrem Vorwurf des Missbrauchs: Konkret könnte man daran denken, dass die Feststellungen zu der KV in den Urteilsgründen zu dem Zweck erfolgten, die Justiz zu rehabilitieren in dem Sinne: Aber, nicht alles war so falsch. Das mag schon so sein. Nun kommt man trotzdem nicht daran vorbei darzulegen, dass der Angeklagte durch die Feststellungen unmittelbar in seinen eigenen Rechten verletzt sein könnte, sei es nur in seinem Persönlichkeitsrecht. Die Verletzung der Verfahrensrechte fällt in die Begründetheit und spielt bei Freispruch an sich dann - grundsätzlich - keine Rolle mehr. 

WR Kolos schrieb:

Sehr geehrter Herr Lippke,

Zu dem Namenproblem schreiben Sie:

Die Frage wann und warum die Patientin 728 MOPE (Mollath Petra) im Krankenblatt nun Müller, Petra heißt, ist ungeklärt. Ist das wichtig? Vielleicht schon.

Und ob das wichtig ist. Auf Seite 25 UA heißt es:

Die Kammer ist in der Gesamtschau auch davon überzeugt, dass der Eintrag in der Patientendatei und die Ausführungen in dem Attest vom 14.8.2001 auf einer Schilderung der Nebenklägerin gegenüber dem Zeugen Markus Reichel vom 14.8.2001 beruhen und die Angaben der Nebenklägerin erlebnisfundiert sind:

Wie sollte es für die Überzeugungsbildung der Kammer unwichtig sein, wenn die Patientendatei unter dem Namen Müller geführt wird, das Attest aber auf den Namen Mollath ausgestellt wurde und die Nebenklägerin aber Maske heißt?

Sehr geehrter Herr Kolos,

ich ging davon aus, dass meine Frage klar als rhethorisch erkennbar war. Ich bin also ganz bei Ihnen. Im Zusammenhang mit dem IT-Bericht bin ich nun auch noch auf einen weiteren eklatanten Mangel gestossen. Der Auftrag zur IT-Untersuchung lautete entsprechend dem IT-Bericht und der Verlesung in der HV am 08.08.2014 u.a.

2.  Überprüfung  des  aktuellen  Arztprogramms hinsichtlich der Patientin Petra Mollath, geboren 29.09.1960,  geborene  Müller  (aktueller Familienname Maske)

Es wurden jedoch ausschließlich die Daten zur Patientin 728 MOPE in die HV eingeführt, obwohl spätestens seit der Zeugenaussage des Dr. Reichel vom 09.07.2014 bekannt war, dass die Nebenklägerin zusätzlich unter dem Namen Maske als Patientin geführt und betreut wurde. Zunächst hat hier insofern das RBA Mittelfranken die Erfülliung des Auftrags grundlos versäumt, das Gericht dies dann aber in der HV auch noch ignoriert.

WR Kolos schrieb:

Zu dem Problem der Zulässigkeit, insbesondere der Beschwer bzw. der Tenorbeschwer schreiben Sie:

Es soll auch irgendwann einmal Rechtssicherheit in einer Sache eintreten. 

Eine solche Verbindung (wie bei Fristen oder der Begrenzung des Instanzenzugs oder Rechtskraft z.B.) kann ich nicht erkennen. Vielmehr hat die Beschwer mit der Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten zu tun, und dem Umfang des Rechtssprechungsmonopols, und weil der Rechtsweg ohne Effektivität der Überprüfung einer Maßnahme der staatlichen Gewalt nichts wert ist, damit auch mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

Der Grundgedanke liegt in der Verhinderung von Popularklagen gegen unliebsame Entscheidungen und die Begrenzung der Antragsbefugnis auf diejenigen, die unmittelbar durch die Maßnahme in ihren eigenen Rechten verletzt sein könnten.

Zu Ihrem Vorwurf des Missbrauchs: Konkret könnte man daran denken, dass die Feststellungen zu der KV in den Urteilsgründen zu dem Zweck erfolgten, die Justiz zu rehabilitieren in dem Sinne: Aber, nicht alles war so falsch. Das mag schon so sein. Nun kommt man trotzdem nicht daran vorbei darzulegen, dass der Angeklagte durch die Feststellungen unmittelbar in seinen eigenen Rechten verletzt sein könnte, sei es nur in seinem Persönlichkeitsrecht. Die Verletzung der Verfahrensrechte fällt in die Begründetheit und spielt bei Freispruch an sich dann - grundsätzlich - keine Rolle mehr. 

Oft verstehe ich Sie gut, aber diesmal versagen meine Übersetzungsfähigkeiten von Juristisch auf Deutsch. Können Sie das konkret zur Sache Mollath für einen Nichtjuristen übersetzen. Ich würde das gerne richtig verstehen.

Vielen Dank im voraus

Lutz Lippke

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Lutz Lippke schrieb:

Im Zusammenhang mit dem IT-Bericht bin ich nun auch noch auf einen weiteren eklatanten Mangel gestossen. Der Auftrag zur IT-Untersuchung lautete entsprechend dem IT-Bericht und der Verlesung in der HV am 08.08.2014 u.a.

2.  Überprüfung  des  aktuellen  Arztprogramms hinsichtlich der Patientin Petra Mollath, geboren 29.09.1960,  geborene  Müller  (aktueller Familienname Maske)

Es wurden jedoch ausschließlich die Daten zur Patientin 728 MOPE in die HV eingeführt, obwohl spätestens seit der Zeugenaussage des Dr. Reichel vom 09.07.2014 bekannt war, dass die Nebenklägerin zusätzlich unter dem Namen Maske als Patientin geführt und betreut wurde. Zunächst hat hier insofern das RBA Mittelfranken die Erfülliung des Auftrags grundlos versäumt, das Gericht dies dann aber in der HV auch noch ignoriert.

Da kann ich Ihnen nicht folgen. In der IT-Untersuchung heisst es ausdrücklich:

Quote:

Ein Suchlauf auf dem Server nach dem Begriff "Mollath" ergab die drei genannten Word-Dokumente, Anlage 1, Seite 9.

Weitere Suchaktionen mit den Begriffen "Maske" und "Müller" auf dem gesamten Datenbestand des Servers erbrachten keine relevanten Suchtreffer.

Also hat die RBA Mittelfranken entgegen Ihrer Auffassung den Auftrag erfüllt. Das Gericht konnte nur die gefundenen Date(ie)n verwerten.

Zudem lag eine Schweigepflichtsentbindung nur für den Zeitraum August/September 2001 vor (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9), so dass rechtlich gesehen nur Date(ie)n aus diesem Zeitraum verwendet werden durften.

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MT schrieb:

Lutz Lippke schrieb:

Im Zusammenhang mit dem IT-Bericht bin ich nun auch noch auf einen weiteren eklatanten Mangel gestossen. Der Auftrag zur IT-Untersuchung lautete entsprechend dem IT-Bericht und der Verlesung in der HV am 08.08.2014 u.a.

2.  Überprüfung  des  aktuellen  Arztprogramms hinsichtlich der Patientin Petra Mollath, geboren 29.09.1960,  geborene  Müller  (aktueller Familienname Maske)

Es wurden jedoch ausschließlich die Daten zur Patientin 728 MOPE in die HV eingeführt, obwohl spätestens seit der Zeugenaussage des Dr. Reichel vom 09.07.2014 bekannt war, dass die Nebenklägerin zusätzlich unter dem Namen Maske als Patientin geführt und betreut wurde. Zunächst hat hier insofern das RBA Mittelfranken die Erfülliung des Auftrags grundlos versäumt, das Gericht dies dann aber in der HV auch noch ignoriert.

Da kann ich Ihnen nicht folgen. In der IT-Untersuchung heisst es ausdrücklich:

Quote:

Ein Suchlauf auf dem Server nach dem Begriff "Mollath" ergab die drei genannten Word-Dokumente, Anlage 1, Seite 9.

Weitere Suchaktionen mit den Begriffen "Maske" und "Müller" auf dem gesamten Datenbestand des Servers erbrachten keine relevanten Suchtreffer.

Also hat die RBA Mittelfranken entgegen Ihrer Auffassung den Auftrag erfüllt. Das Gericht konnte nur die gefundenen Date(ie)n verwerten.

Zudem lag eine Schweigepflichtsentbindung nur für den Zeitraum August/September 2001 vor (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9), so dass rechtlich gesehen nur Date(ie)n aus diesem Zeitraum verwendet werden durften.

1. Der Auftrag umfasste die Sicherstellung des gesamten Datenbestandes der Praxis. Damit forderte das Gericht sowieso unzulässig, die Sicherstellung der Daten sämtlicher Patienten der Praxis. Also die Darstellung des Gerichts scheint nicht grundsätzlich zu gelten (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9)

2. Die Praxisdaten beschränken sich nicht auf Worddateien. Das hatten wir doch schon. Es wäre sogar gut möglich, dass das Krankenblatt der Patientin Maske auch reguläre Einträge für die Zeit August/September 2001 enthält und das parallel dazu die im Krankenblatt MOPE verwalteten Daten der Manipulation dienten. Der Auftrag wurde nicht nur hierzu verfehlt.

3. Gegen die Beachtung der beschränkten  Schweigepflichtentbindung hätte der Arzt und das Gericht zudem auch verstossen, wenn Daten vom 3.6.02 über das eigentliche Attest vom 3.6.02 hinaus ermittelt wurden

4. Eine Beschränkung der Schweigepflichtsentbindung auf August/September 2001 hätte grundsätzlich zu Lasten der NK beachtet werden müssen, da zunächst nur ein Attest vom 3.6.02 als Erstattest von einer anderen Ausstellerin bekannt war und damit nicht nur zur Echtheit des Attestes vom 14.8.01 Zweifel bestanden, sondern auch zum Attest vom 3.6.02.

Ich danke Ihnen insofern für diesen Hinweis zur beschränkten Schweigepflichtentbindung. Wissen Sie zufällig auch mit Quelle, wann die Schweigepflichtentbindung angefordert, ggf. abgelehnt und dann beschränkt gewährt wurde. Der Bedarf zu Ermittlungen bestand ja schon spätestens Ende 2012.

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Lutz Lippke schrieb:

1. Der Auftrag umfasste die Sicherstellung des gesamten Datenbestandes der Praxis. Damit forderte das Gericht sowieso unzulässig, die Sicherstellung der Daten sämtlicher Patienten der Praxis. Also die Darstellung des Gerichts scheint nicht grundsätzlich zu gelten (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9)

2. Die Praxisdaten beschränken sich nicht auf Worddateien. Das hatten wir doch schon. Es wäre sogar gut möglich, dass das Krankenblatt der Patientin Maske auch reguläre Einträge für die Zeit August/September 2001 enthält und das parallel dazu die im Krankenblatt MOPE verwalteten Daten der Manipulation dienten. Der Auftrag wurde nicht nur hierzu verfehlt.

3. Gegen die Beachtung der beschränkten  Schweigepflichtentbindung hätte der Arzt und das Gericht zudem auch verstossen, wenn Daten vom 3.6.02 über das eigentliche Attest vom 3.6.02 hinaus ermittelt wurden

4. Eine Beschränkung der Schweigepflichtsentbindung auf August/September 2001 hätte grundsätzlich zu Lasten der NK beachtet werden müssen, da zunächst nur ein Attest vom 3.6.02 als Erstattest von einer anderen Ausstellerin bekannt war und damit nicht nur zur Echtheit des Attestes vom 14.8.01 Zweifel bestanden, sondern auch zum Attest vom 3.6.02.

Ich danke Ihnen insofern für diesen Hinweis zur beschränkten Schweigepflichtentbindung. Wissen Sie zufällig auch mit Quelle, wann die Schweigepflichtentbindung angefordert, ggf. abgelehnt und dann beschränkt gewährt wurde. Der Bedarf zu Ermittlungen bestand ja schon spätestens Ende 2012.

1. Es ist für die Verwertung unerheblich, welche Beweismittel aus der Praxis mitgenommen wurden. Das hatten wir ebenfalls schon.

2. Inwiefern lässt sich aus der Formulierung "Ein Suchlauf auf dem Server" folgern, dass die Suche auf Worddateien beschränkt war?

3. Siehe 1.

Zu der Schweigepflichtsentbindung ist mir weiter nichts bekannt.

 

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@MT

1. Es ist für die Verwertung unerheblich, welche Beweismittel aus der Praxis mitgenommen wurden. Das hatten wir ebenfalls schon.

Bezüglich der praktisch nicht erfolgten Verwertung haben Sie sicherlich recht. Ich bezog mich auch mehr auf die Äußerungen von StA und Gericht zur Beachtung der Schweigepflicht im Zusammenhang mit dem Beweisbegehren Mollaths (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9). Da sind doch vollkommen gegensätzliche Verfahrensweisen offensichtlich, oder sehe ich das falsch?

2. Inwiefern lässt sich aus der Formulierung "Ein Suchlauf auf dem Server" folgern, dass die Suche auf Worddateien beschränkt war?

Auf welche Dateitypen, Verzeichnisse usw. der Suchlauf des Dateiexplorers genau beschränkt war, ist im IT-Bericht nicht eindeutig benannt. Das aber die Datenbank des Praxissystems nicht in die Suche eingeschlossen war, ist offensichtlich. Hierzu hatte ich mehrfach technische Grundlagen zur Struktur von Datenbanken dargestellt. Einträge in der Datenbank sind eben nicht unbedingt mit der Generierung von Worddateien verbunden.

Ohne das hier zu vertiefen, es ist offensichtlich auch ungeprüft geblieben, ob auf den 7 Arbeitsstationen weitere Dateien zum Fall Mollath/Müller/Maske existieren. Da z.B. mit Word vorzugsweise auf einer Arbeitsstation und nicht auf dem Server gearbeitet wird, kann eine geöffnete Worddatei natürlich lokal auf der Arbeitsstation gespeichert werden. Diese könnte trotz gleichen Dateinamens vollkommen abweichende Inhalte gegenüber einer Datei auf dem Server haben.

Was meinen Sie zur zeitlichen Beschränkung der Schweigepflichtentbindung, also 3. und 4. in meinem Kommentar? Verhinderte die NK mit der Beschränkung nicht die Klärung der Fragen um die Atteste?

 

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Lutz Lippke schrieb:

Bezüglich der praktisch nicht erfolgten Verwertung haben Sie sicherlich recht. Ich bezog mich auch mehr auf die Äußerungen von StA und Gericht zur Beachtung der Schweigepflicht im Zusammenhang mit dem Beweisbegehren Mollaths (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9). Da sind doch vollkommen gegensätzliche Verfahrensweisen offensichtlich, oder sehe ich das falsch?

Ggf. nicht, wenn die Beamten selbst der Schweigepflicht unterliegen. Das hat Prof. Müller meine ich schon einmal in den Raum gestellt. Nehmen wir mal das Beispiel der Backup CD: Man muss die ganze CD, auf der auch Daten von nicht betroffenen Patienten sind, zwecks Untersuchung bzgl. nur einer Patientin mitnehmen. Man wird ja kaum parallel zum Praxisbetrieb dort ein weiteres "Live" System zwecks Untersuchung der CD aufbauen oder das für die Analyse nötige Equipment mitbringen können. Und selbst wenn, der Beamte würde alle Daten auf der CD zur Kenntnis nehmen können, egal ob er in der Praxis oder auf der Dienststelle untersucht.

Quote:

Auf welche Dateitypen, Verzeichnisse usw. der Suchlauf des Dateiexplorers genau beschränkt war, ist im IT-Bericht nicht eindeutig benannt. Das aber die Datenbank des Praxissystems nicht in die Suche eingeschlossen war, ist offensichtlich. Hierzu hatte ich mehrfach technische Grundlagen zur Struktur von Datenbanken dargestellt. Einträge in der Datenbank sind eben nicht unbedingt mit der Generierung von Worddateien verbunden.

Bei nochmaligem Lesen erscheint es mir schon so, als ob da nur nach Word-Dateien gesucht wurde. Nochmal der relevante Abschnitt mit noch einem Satz vorher:

Quote:

Das Arztprogramm legt die jeweiligen Dokumente auf ein Serververzeichnis ab ([...]) und verknüpft die Datenbankeinträge mit den Dokumenten auf dem Server. Ein Suchlauf auf dem Server nach dem Begriff "Mollath" ergab die drei genannten Word-Dokumente, Anlage 1, Seite 9.

Weitere Suchaktionen mit den Begriffen "Maske" und "Müller" auf dem gesamten Datenbestand des Servers erbrachten keine relevanten Suchtreffer.

Allerdings erscheint es mir auch so, als ob da eben _nicht_ Daten in die Datenbank gegeben werden, aus denen dann im Bedarfsfall Word-Dateien generiert werden, sondern dass die Word-Dateien eben in einem Serververzeichnis abgespeichert werden und das wars ("und verknüpft die Datenbankeinträge mit den Dokumenten auf dem Server"). Da kann natürlich der IT-Bericht ungenau sein, oder mein technisches Verständnis, aber nochmal die Frage an Sie: Sind Sie wirklich sicher, dass dieses spezielle Programm so arbeitet, dass die Daten des Attests in der Datenbank gespeichert sind und die Word-Dateien nur Zwischenprodukte?

Quote:

Ohne das hier zu vertiefen, es ist offensichtlich auch ungeprüft geblieben, ob auf den 7 Arbeitsstationen weitere Dateien zum Fall Mollath/Müller/Maske existieren. Da z.B. mit Word vorzugsweise auf einer Arbeitsstation und nicht auf dem Server gearbeitet wird, kann eine geöffnete Worddatei natürlich lokal auf der Arbeitsstation gespeichert werden. Diese könnte trotz gleichen Dateinamens vollkommen abweichende Inhalte gegenüber einer Datei auf dem Server haben.

Das ist natürlich ein guter Ermittlungsansatz, wenn es um Fälschung geht. Nur ist ja schon keiner in der Verhandlung drauf gekommen, dass die IT-Untersuchung des Servers nicht ausreichend sein könnte. Der Vorwurf der Fälschung des Attests stand aber in der Verhandlung - soweit ich weiss -  schon gar nicht im Raum. Dass wir jetzt möglicherweise mehr wissen und anders ermitteln würden, ist wieder etwas anderes.

Quote:

Was meinen Sie zur zeitlichen Beschränkung der Schweigepflichtentbindung, also 3. und 4. in meinem Kommentar? Verhinderte die NK mit der Beschränkung nicht die Klärung der Fragen um die Atteste?

Nun ja, grundsätzlich ist niemand verpflichtet, eine zeitlich unbegrenzte Schweigepflichtsentbindung zu geben. Es kann auf der einen Seite nicht sein, dass es bei der Verhandlung um eine Körperverletzung aus 2001 geht und man eine (rein hypothetische) Geschlechtskrankheit aus 2010 thematisiert. Von daher hat das schon seine Begründung. Auf der anderen Seite halte ich Ihre Position auch für gut vertretbar: wenn man schon aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Überzeugung ist, da wurde am Attest manipuliert, und es wird keine weitere Entbindung gegeben, kann man das durchaus zugunsten des Angeklagten würdigen. Nur war eine Manipulation - soweit ich weiss - in der Verhandlung eben kein Thema.

Das Thema Schweigepflichtsentbindung wurde ja in ganz anderem Zusammenhang aufgemacht. Da ging es um Ermittlungen bei einem anderen Arzt, die Herr Strate aber für unnötig hielt, weil dort schon einmal nichts gefunden wurde und die Informationen des Privatermittlers, der die Beweisanregung an das Gericht geschickt hat, wohl allgemein unzuverlässsig waren (HV 08.08.14, S. 10). Unter dem Gesichtspunkt sehe ich jedenfalls nicht, dass eine weitere Schweigepflichtsentbindung einen Mehrwert erbracht haben könnte.

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MT schrieb:

Lutz Lippke schrieb:

Bezüglich der praktisch nicht erfolgten Verwertung haben Sie sicherlich recht. Ich bezog mich auch mehr auf die Äußerungen von StA und Gericht zur Beachtung der Schweigepflicht im Zusammenhang mit dem Beweisbegehren Mollaths (15. HV-Tag 08.08.2014, S. 9). Da sind doch vollkommen gegensätzliche Verfahrensweisen offensichtlich, oder sehe ich das falsch?

Ggf. nicht, wenn die Beamten selbst der Schweigepflicht unterliegen. Das hat Prof. Müller meine ich schon einmal in den Raum gestellt. Nehmen wir mal das Beispiel der Backup CD: Man muss die ganze CD, auf der auch Daten von nicht betroffenen Patienten sind, zwecks Untersuchung bzgl. nur einer Patientin mitnehmen. Man wird ja kaum parallel zum Praxisbetrieb dort ein weiteres "Live" System zwecks Untersuchung der CD aufbauen oder das für die Analyse nötige Equipment mitbringen können. Und selbst wenn, der Beamte würde alle Daten auf der CD zur Kenntnis nehmen können, egal ob er in der Praxis oder auf der Dienststelle untersucht.

Das ist sicher eine streitbare Sache. Ich gehe davon aus, dass die Schweigepflicht gerade auch gegenüber dem Staat und seinen Beamten gilt. Dies kann m.E. nicht durch eine Schweigepflicht des Beamten aus seinem Dienstverhältnis zum Staat ersetzt werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Prof. Müller so etwas überhaupt erwägt. Etwas anderes ist es vielleicht bei Gefahr im Verzug.

Ihre Folgerung, dass die CD mit allen Patientendaten mitgenommen werden musste, kann ich so auch nicht folgen. Zumal es ja nicht mal zu einer sachverständigen Auswertung kam. Es kam nach meinem Dafürhalten 2 Möglichkeiten der Vorgehensweise:

Variante A: Zur Beweissicherung wird die CD beschlagnahmt, weil angenommen werden muss, dass der Beweis sonst verlustig geht. Der Arzt kann dann nichts dagegen tun. Eine Auswertung müsste dann von einem unabhängigen Sachverständigen erfolgen, der durch die Art seiner Vorgehensweise und Dokumentation sicherstellen kann, dass nur auf die freigegebenen Daten zugegriffen wird. Nach Auswertung dieser Daten wäre die CD an den Arzt zurückzugeben. Jeder Patient der Praxis hätte ein Auskunftsrecht, dass nachweislich der Datenschutz eingehalten wurde.

Variante B: Der Arzt beauftragt seinen Systembetreuer (Servicefirma), die geforderten Daten nachweislich bereitzustellen. Der Systembetreuer ist bereits durch die reguläre Arbeit zum Datenschutz verpflichtet und kann meist mit Admin-Tools die notwendigen Auswertungen ohne den persönlichen Zugriff auf Einzeldaten veranlassen. Die CD verbleibt im Zugriff des Arztes. Die Schweigepflicht bleibt abgesehen von der teilweisen Entbindung gewahrt.

MT schrieb:

Lutz Lippke schrieb:
   

Auf welche Dateitypen, Verzeichnisse usw. der Suchlauf des Dateiexplorers genau beschränkt war, ist im IT-Bericht nicht eindeutig benannt. Das aber die Datenbank des Praxissystems nicht in die Suche eingeschlossen war, ist offensichtlich. Hierzu hatte ich mehrfach technische Grundlagen zur Struktur von Datenbanken dargestellt. Einträge in der Datenbank sind eben nicht unbedingt mit der Generierung von Worddateien verbunden.

Bei nochmaligem Lesen erscheint es mir schon so, als ob da nur nach Word-Dateien gesucht wurde. Nochmal der relevante Abschnitt mit noch einem Satz vorher:

Quote:

Das Arztprogramm legt die jeweiligen Dokumente auf ein Serververzeichnis ab ([...]) und verknüpft die Datenbankeinträge mit den Dokumenten auf dem Server. Ein Suchlauf auf dem Server nach dem Begriff "Mollath" ergab die drei genannten Word-Dokumente, Anlage 1, Seite 9.

Weitere Suchaktionen mit den Begriffen "Maske" und "Müller" auf dem gesamten Datenbestand des Servers erbrachten keine relevanten Suchtreffer.

Allerdings erscheint es mir auch so, als ob da eben _nicht_ Daten in die Datenbank gegeben werden, aus denen dann im Bedarfsfall Word-Dateien generiert werden, sondern dass die Word-Dateien eben in einem Serververzeichnis abgespeichert werden und das wars ("und verknüpft die Datenbankeinträge mit den Dokumenten auf dem Server"). Da kann natürlich der IT-Bericht ungenau sein, oder mein technisches Verständnis, aber nochmal die Frage an Sie: Sind Sie wirklich sicher, dass dieses spezielle Programm so arbeitet, dass die Daten des Attests in der Datenbank gespeichert sind und die Word-Dateien nur Zwischenprodukte?

Ja ich bin mir aus technischer Kenntnis und Hersteller-Informationen zum konkreten System sicher. Aber diese grundsätzliche Sicherheit können Sie auch unabhängig von technischem Wissen aus den Informationen des IT-Berichts gewinnen. Wenn das Praxissystem keine eigene Datenbasis hätte, sondern nur Worddateien in einem Serververzeichnis abspeichern würde, dann könnten Sie im Krankenblatt keine Informationen vorfinden, die nicht in diesen Worddateien enthalten sind. Das ist keine technische Expertise, sondern das Wissen darum, das Magie seine Grenzen hat.

Aber zu Ihrer Entlastung will ich anmerken, dass es durchaus Systeme gibt, die so funktionieren, wie Sie vermuten. Es handelt sich dabei i.d.R. um kleine Dokumenten-Management-Systeme auf Dateibasis, die nur eine Strukturierung und Verschlagwortung der registrierten Dateien (Word, pdf, Mediendateien etc.) leisten. Komplexe Datenhaltung und Abrechnung ist mit solchen Systemen aber nicht zu machen. Deswegen war ich anfangs sicherheitshalber auch noch zurückhaltend mit konkreten Feststellungen und habe mich soweit wie erforderlich informiert und rückversichert. Das Praxissystem ist zumindest ursprünglich eine klassische Foxpro-Datenbank-Anwendung. Ob mittlerweile ein Umstieg auf den Standard SQL erfolgte, ist mir nicht bekannt. In jedem Fall handelt es sich um eine klassische Datenbankanwendung mit eigener Dateistruktur, bei nur mit der Exportfunktion (Arztbrief, Privatattest etc.) eine Ausgabe/Übergabe von Daten nach MS Word erfolgt. 

MT schrieb:

Lutz Lippke schrieb:
 

Ohne das hier zu vertiefen, es ist offensichtlich auch ungeprüft geblieben, ob auf den 7 Arbeitsstationen weitere Dateien zum Fall Mollath/Müller/Maske existieren. Da z.B. mit Word vorzugsweise auf einer Arbeitsstation und nicht auf dem Server gearbeitet wird, kann eine geöffnete Worddatei natürlich lokal auf der Arbeitsstation gespeichert werden. Diese könnte trotz gleichen Dateinamens vollkommen abweichende Inhalte gegenüber einer Datei auf dem Server haben.

Das ist natürlich ein guter Ermittlungsansatz, wenn es um Fälschung geht. Nur ist ja schon keiner in der Verhandlung drauf gekommen, dass die IT-Untersuchung des Servers nicht ausreichend sein könnte. Der Vorwurf der Fälschung des Attests stand aber in der Verhandlung - soweit ich weiss -  schon gar nicht im Raum. Dass wir jetzt möglicherweise mehr wissen und anders ermitteln würden, ist wieder etwas anderes.

Gut der Anlass für die IT-Untersuchung und die vorherigen Aktivitäten und Aussagen der StA werden jetzt natürlich kleingeredet. Dazu werde ich mich aus den Unterlagen noch klarer informieren und später auf konkrete Diskussionen einlassen und sie auch selbst einfordern.

MT schrieb:

Lutz Lippke schrieb:
 

Was meinen Sie zur zeitlichen Beschränkung der Schweigepflichtentbindung, also 3. und 4. in meinem Kommentar? Verhinderte die NK mit der Beschränkung nicht die Klärung der Fragen um die Atteste?

Nun ja, grundsätzlich ist niemand verpflichtet, eine zeitlich unbegrenzte Schweigepflichtsentbindung zu geben. Es kann auf der einen Seite nicht sein, dass es bei der Verhandlung um eine Körperverletzung aus 2001 geht und man eine (rein hypothetische) Geschlechtskrankheit aus 2010 thematisiert. Von daher hat das schon seine Begründung. Auf der anderen Seite halte ich Ihre Position auch für gut vertretbar: wenn man schon aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Überzeugung ist, da wurde am Attest manipuliert, und es wird keine weitere Entbindung gegeben, kann man das durchaus zugunsten des Angeklagten würdigen. Nur war eine Manipulation - soweit ich weiss - in der Verhandlung eben kein Thema.

Siehe Anmerkung zum vorherigen Zitat.

MT schrieb:

Das Thema Schweigepflichtsentbindung wurde ja in ganz anderem Zusammenhang aufgemacht. Da ging es um Ermittlungen bei einem anderen Arzt, die Herr Strate aber für unnötig hielt, weil dort schon einmal nichts gefunden wurde und die Informationen des Privatermittlers, der die Beweisanregung an das Gericht geschickt hat, wohl allgemein unzuverlässsig waren (HV 08.08.14, S. 10). Unter dem Gesichtspunkt sehe ich jedenfalls nicht, dass eine weitere Schweigepflichtsentbindung einen Mehrwert erbracht haben könnte.

Sie haben insofern recht, dass die Ermittlungen bei der anderen Arztpraxis auch von Strate nicht mehr gefordert wurde. Zuvor wurden ja erfolglose Anfragen bei einer nicht mehr zuständigen Praxis gestellt. Das konkrete Vorgehen und die Haltungen zu dem Privatermittler will ich hier nicht kommentieren.

Es ging mir um die grundsätzlichen Aussagen des Gerichts und der StA zum eigenen Verhalten bei fehlender Schweigepflichtentbindung (HV 08.08.14 S.9?). Dass diese nämlich auch zur Praxis Reichel Ende 2012 noch nicht vorlag, können Sie den Aussagen von OStA Meindl (Strate-Doku zur HV am 09.07.14) entnehmen. Trotzdem war der OStA in der Praxis um zu ermitteln. Darin sehe ich einen Widerspruch zu den Erklärungen vom 08.08.14. Nur darum ging es mir.

Ich hoffe der optische Salat dieses Kommentars hält sich in Grenzen. Ich bitte um Entschuldigung.

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Lutz Lippke schrieb:

Es ging mir um die grundsätzlichen Aussagen des Gerichts und der StA zum eigenen Verhalten bei fehlender Schweigepflichtentbindung (HV 08.08.14 S.9?). Dass diese nämlich auch zur Praxis Reichel Ende 2012 noch nicht vorlag, können Sie den Aussagen von OStA Meindl (Strate-Doku zur HV am 09.07.14) entnehmen. Trotzdem war der OStA in der Praxis um zu ermitteln. Darin sehe ich einen Widerspruch zu den Erklärungen vom 08.08.14. Nur darum ging es mir.

 

Deswegen waren das damals auch nur partiell eingeschränkte Ermittlungen mit angezogener Handbremse, für die keine Entbindung von der Schweigepflicht erforderlich war. So in etwa auch die dienstliche Erklärung Meindls.

Da sieht man mal wieder, welche starke Möglichkeiten einer zeugnisverweigerungsberechtigten Nebenklägerin zur Verfügung gestellt werden, auf die Gestaltung der Ermittlungen und der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, wenn sie auf das Verwertungsverbot verzichten darf.

Lutz Lippke schrieb:

Das ist sicher eine streitbare Sache. Ich gehe davon aus, dass die Schweigepflicht gerade auch gegenüber dem Staat und seinen Beamten gilt. Dies kann m.E. nicht durch eine Schweigepflicht des Beamten aus seinem Dienstverhältnis zum Staat ersetzt werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Prof. Müller so etwas überhaupt erwägt.

Henning Ernst Müller schrieb:

5. Wie müsste nun StA und Gericht mit der Tatsache umgehen, dass sie das Beweismittel "Praxis-Backup-CD" mit vielen Patientendaten in den Händen halten, das der Arzt wegen seiner Schweigepflicht gar nicht freiwillig herausgeben durfte?   

Schwierige Frage, sorry.Ich sehe aber auch den großen Skandal nicht, den Sie hier offenbar sehen. Die CD soll schließlich nicht im Netz veröffentlicht werden und die Behörden sind selbst zur Geheimhaltung verpflichtet. Ich sage mal: Fehler können passieren. (Ok, Ihnen wahrscheinlich nie) Aber ich weiß auch nicht, was diese Frage  jetzt noch mit dem Mollath-Verfahren zu tun haben sollte. Übrigens: Wenn ein Arzt gegen seine Schweigepflicht verstößt, kann seine Aussage trotzdem in einem Strafprozess verwertet werden (Schweigepflicht und ZVR begründen kein absolutes Verwertungsverbot) - möglicherweise beruht darauf Ihr Missverständnis.

Quote:

Etwas anderes ist es vielleicht bei Gefahr im Verzug.

Da sind wir bei der großen Frage, was Gefahr im Verzug ist. Ist das schon der Fall, wenn möglicherweise an einem Attest manipuliert wurde? Es wäre dann ja nicht auszuschließen, dass weitere Manipulationen vorgenommen werden oder Daten verschwinden. Nur den Verdacht einer Manipulation am Computersystem zu erhärten, ohne das Computersystem untersucht zu haben, dürfte wohl schwierig sein.

Quote:

Ihre Folgerung, dass die CD mit allen Patientendaten mitgenommen werden musste, kann ich so auch nicht folgen. Zumal es ja nicht mal zu einer sachverständigen Auswertung kam. Es kam nach meinem Dafürhalten 2 Möglichkeiten der Vorgehensweise:

Variante A: Zur Beweissicherung wird die CD beschlagnahmt, weil angenommen werden muss, dass der Beweis sonst verlustig geht. Der Arzt kann dann nichts dagegen tun. Eine Auswertung müsste dann von einem unabhängigen Sachverständigen erfolgen, der durch die Art seiner Vorgehensweise und Dokumentation sicherstellen kann, dass nur auf die freigegebenen Daten zugegriffen wird. Nach Auswertung dieser Daten wäre die CD an den Arzt zurückzugeben. Jeder Patient der Praxis hätte ein Auskunftsrecht, dass nachweislich der Datenschutz eingehalten wurde.

Dann ist die CD zumindest vorübergehend noch bei den Behörden, also ist die von Ihnen angenommene Gefahr nicht vollständig gebannt.

Quote:

Variante B: Der Arzt beauftragt seinen Systembetreuer (Servicefirma), die geforderten Daten nachweislich bereitzustellen. Der Systembetreuer ist bereits durch die reguläre Arbeit zum Datenschutz verpflichtet und kann meist mit Admin-Tools die notwendigen Auswertungen ohne den persönlichen Zugriff auf Einzeldaten veranlassen. Die CD verbleibt im Zugriff des Arztes. Die Schweigepflicht bleibt abgesehen von der teilweisen Entbindung gewahrt.

Das klingt für den Normalfall zunächst einmal nach einem gangbaren Weg. Nur wie will man dann feststellen, ob eine Manipulation vorgelegen hat? Dafür wäre ja Ihren Ausführungen nach ggf. auch ein Untersuchung aller Praxis PCs erforderlich gewesen.

Die andere Frage ist, welche Auswertungsmöglichkeiten es für den Systembetreuer gibt. Was würde man denn mit den Admin-Tools grundsätzlich für Informationen erhalten können oder erhalten müssen, damit das Sinn macht?

MT schrieb:

Ja ich bin mir aus technischer Kenntnis und Hersteller-Informationen zum konkreten System sicher. Aber diese grundsätzliche Sicherheit können Sie auch unabhängig von technischem Wissen aus den Informationen des IT-Berichts gewinnen. Wenn das Praxissystem keine eigene Datenbasis hätte, sondern nur Worddateien in einem Serververzeichnis abspeichern würde, dann könnten Sie im Krankenblatt keine Informationen vorfinden, die nicht in diesen Worddateien enthalten sind. Das ist keine technische Expertise, sondern das Wissen darum, das Magie seine Grenzen hat.

Aber zu Ihrer Entlastung will ich anmerken, dass es durchaus Systeme gibt, die so funktionieren, wie Sie vermuten. Es handelt sich dabei i.d.R. um kleine Dokumenten-Management-Systeme auf Dateibasis, die nur eine Strukturierung und Verschlagwortung der registrierten Dateien (Word, pdf, Mediendateien etc.) leisten. Komplexe Datenhaltung und Abrechnung ist mit solchen Systemen aber nicht zu machen. Deswegen war ich anfangs sicherheitshalber auch noch zurückhaltend mit konkreten Feststellungen und habe mich soweit wie erforderlich informiert und rückversichert. Das Praxissystem ist zumindest ursprünglich eine klassische Foxpro-Datenbank-Anwendung. Ob mittlerweile ein Umstieg auf den Standard SQL erfolgte, ist mir nicht bekannt. In jedem Fall handelt es sich um eine klassische Datenbankanwendung mit eigener Dateistruktur, bei nur mit der Exportfunktion (Arztbrief, Privatattest etc.) eine Ausgabe/Übergabe von Daten nach MS Word erfolgt. 

Danke für die Ausführungen. Das hilft für das Verständnis der technischen Seite eine Menge weiter.

Quote:

Gut der Anlass für die IT-Untersuchung und die vorherigen Aktivitäten und Aussagen der StA werden jetzt natürlich kleingeredet. Dazu werde ich mich aus den Unterlagen noch klarer informieren und später auf konkrete Diskussionen einlassen und sie auch selbst einfordern.

Bzw. "großgeredet", wenn man es von der anderen Seite sieht. Ich warte ab, was Sie schreiben.

4

f&f

Alle Sterne!

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@I.S., # 31 vom 26.01.2015

 

Sie sind ja der Meinung `jeder der irgendwie an die Datei rankommt´ hätte die ursprüngliche Datumsangabe des Ursprungsattestes vom 14.08.01 nach seinen Wünschen abändern können, bzw. hätte erreichen können, dass dieses Ursprungsdatum stehen bleibt, oder neu eingesetzt wird.

 

Bei dieser Praxis-EDV ist es für mein Dafürhalten so gesteuert, dass gefertigte und ausgedruckte Vorlagen, die nicht mehr veränderbar sind, wie vermutlich die „Bescheinigungen zur Vorlage beim Sozialversicherungsträger“ automatisch mit dem Ursprungsdatum ausgedruckt werden, bei einem späteren, erneuten Ausdruck. So war das auch beim Polizeiausdruck, da kam automatisch das alte Datum vom 14.08.2001.

 

Datumsvorlagen wie „Attest“, die veränderbar sind, werden bei einem späteren Ausdruck automatisch mit dem neuen aktuellen Tagesdatum versehen, vernünftigerweise muss ich sagen, denn der Inhalt ist ja womöglich auch nicht mehr der alte wie beim Ursprungsdatum, und der Arzt bekundet durch seine Unterschrift den veränderten Atteststand am Ausdrucksdatum.

 

Die beiden Attestdokumente, die 2014 von der Polizei ausgedruckt worden sind, wurden rechts oben mit dem automatisch vom System generierten Tagesdatum ausgedruckt mit „Nbg. den 06.08.2014“, obwohl sie ursprünglich am 03.06.2002 angefertigt worden waren.

 

Wenn man, wie Sie vorschlagen, den Textinhalt kopiert etc., dann hat man noch lange nicht den im System hinterlegten Vorlagendruck kopiert, und wie gesagt, wenn man in den wieder reingeht und ausdruckt, dann kommt „boshafterweise“ wieder die automatisch generierte aktuelle Tagesdatumsangabe.

 

Vielleicht gibt es einfache Möglichkeiten dieses aktuelle Tagesdatum beim Ausdruck des Attestformulars zu umgehen. P.S. hat diese Möglichkeit auf jeden Fall seinerzeit offenbar nicht gefunden. Ich denke nur jemand der die Berechtigung als System-Admin hat kann das automatisch generierte Tagesdatum umgehen, so wie vermutlich der Arzt selber.

 

Vielleicht lesen Sie sich einfach zur Belustigung mal die Zeugenaussage Westenrieder im WAV durch. – Der berichtet ausführlich und hartnäckig darüber, dass der Richter B. ständig den Daumen auf eben diesem fatalen Datum vom 03.06.02 hielt, das besser das Datum vom 14.08.01 sein sollte.

 

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-...

 

Ich erlaube mir zu zitieren:

 

  • VRiinLG Escher: „…Zu dem Attest – können Sie sich da noch erinnern““
  • Zeuge Westenrieder: „In der Verhandlung ist kein einziges Mal zur Sprache gekommen, dass diese Körperverletzungsgeschichten 5 Jahre vor der Hauptverhandlung waren. Und es wurde auch nicht gesprochen, dass diese Freiheitsberaubung auch einige Jahre vor dem Termin waren. Das Attest wurde zwar vorgelegt, ohne Datum, das wurde nicht vorgelesen. Ich kann auch begründen warum. Da bin ich mir sicher.
  • VRiinLG Escher: „Das würde ich gerne wissen“.
  • Zeuge Westenrieder: Ich saß immer rechts vom Vorsitzenden. Ich habe immer mitgelesen, das Datum konnte ich nicht lesen, weil der Daumen drauf gewesen ist. Der Daumen ist drauf gewesen auf dem Datum. Als mir das Attest zugespielt wurde, habe ich mich sehr gewundert über das Datum, über den langen Zeitraum, zwischen Attesterstellung und Vorfall.
  • VRiinLG Escher: „Da haben Sie wirklich darauf geachtet, dass da en Datum…“.
  • Zeuge Westenrieder: „Ja da bin ich mir ganz sicher“.

 

 

 

5

@atropa belladonna

Zur Datumsfunktion

Das könnte alles so sein. Wenn die Angaben im IT-Bericht stimmen, dann wird in der Vorlage in einem Textfeld erst beim Druckaufruf das Datum per VBA-Makro aktualisiert. Dies könnte so beabsichtigt sein, damit man das ursprüngliche Schreiben (z.B. einen Entwurf) zunächst mit dem eigentlichen Erstellungsdatum ansehen kann, aber standardmäßig mit dem aktuellen Datum druckt. Ich würde das als Komfortfunktion einstufen und nicht als Sicherheitsmerkmal. Es geht immerhin um freie Texte, die ohne Stempel und Unterschrift noch keine Urkunde darstellen. Ein besonderer Schutz ist also gar nicht notwendig. Warum sollte der Hersteller der Praxissoftware in das Ergebnis einer Exportfunktion (Exportieren von Daten zum Zweck der Weiterverarbeitung mit einem anderen Programm) Sicherheitsfunktionen einbauen, die das eigene System gar nicht kontrollieren kann. Denn die MS Wordinstallation bzw. das Betriebssystem hat seine eigene Benutzerverwaltung. Üblicherweise ist in Word der Ersteller der Herrscher des Dokuments. In Dokumenten sollten Administratoren gar keine Rechte haben, die nicht adminstrativen Aufgaben (Systemwartung) dienen.

Ich gehe davon aus: wenn man das Textfeld einfach durch Überschreiben ersetzt, kann man mit beliebigem Datum ausdrucken. Speichert man in diesem Zustand, dann ist das Aktualisierungsmakro eventuell auch futsch. Genaues wüsste man erst, wenn man eine Dateikopie dieser Worddateien überprüfen könnte. Das wird aber wohl unrealistisch sein.

Interessanter wäre doch vielmehr die Frage, welche Rechte die Zeugin S in der Praxissoftware hatte. Konnte sie das Krankenblatt aufrufen und editieren? Kannte sie das Passwort für Frau Dr. Reichel, die ja nicht selbst mit dem PC arbeitete? Auch hierzu wird es wohl keine Antworten geben, auch wenn dies nun wirklich wesentlicher Kern der Konfiguration des Systems ist (siehe Auftrag zur IT-Untersuchung) und diese Information zudem keinerlei Schweigepflichten unterliegt.

OStA Meindl hätte dies also schon Ende 2012 klären können und vielleicht sogar müssen. Das "neue" alte Attest tauchte erst 1/2 Jahr später Mitte 2013 auf und damit nach Zeugenvernehmungen und Telefonaten des OStA ua. mit dem RA der NK. Die bis dahin einzige Version eines Attestes erklärte OStA Meindl dann umgehend zur Zweitschrift. Ich hätte das nicht getan. Es gab dafür keinen Anlass. Es sei denn, der Dr. Reichel hatte schon bei seinen Vernehmungen Ende 2012 / Anfang 2013 die Existenz des Attestes vom 14.08.2001 behauptet und das Attest vom 03.06.2002 als Zweitausfertigung bezeugt. Das wäre mir aber neu.     

   

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Lutz Lippke schrieb:

 

OStA Meindl hätte dies also schon Ende 2012 klären können und vielleicht sogar müssen. Das "neue" alte Attest tauchte erst 1/2 Jahr später Mitte 2013 auf und damit nach Zeugenvernehmungen und Telefonaten des OStA ua. mit dem RA der NK. Die bis dahin einzige Version eines Attestes erklärte OStA Meindl dann umgehend zur Zweitschrift. Ich hätte das nicht getan. Es gab dafür keinen Anlass. Es sei denn, der Dr. Reichel hatte schon bei seinen Vernehmungen Ende 2012 / Anfang 2013 die Existenz des Attestes vom 14.08.2001 behauptet und das Attest vom 03.06.2002 als Zweitausfertigung bezeugt. Das wäre mir aber neu.     

   

 

Das Mysterium Attest hält auch zum Besuch des OStA Meindl in der Arztpraxis einige Episoden von Interesse bereit:

Meindl wurde damals quasi unförmlich von der Justizministerin angewiesen, einen Wiederaufnahmeantrag in Sachen Mollath zu schreiben. Ein guter Jurist - wie er meint - kann auch jeden Antrag beliebig in jede Richtung schreiben - in Bayern vermutlich auch entscheiden. So einem guten Juristen entgeht natürlich auch nicht, dass erstmals der Stern darüber berichtet hatte, die Ausstellerin des Attests vom 3.06.2002 hätte auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, die Patientin überhaupt nicht zu kennen. Das war - wie sich später bestätigen sollte - die entscheidende Information für den Erfolg des Wiederaufnahmeantrags und für die Entlassung Mollaths aus der Psychiatrie.

Natürlich weiß ein guter Jurist, der alles in jede Richtung schreiben kann, sofort um die Bedeutung so einer Information. Wie er in seiner dienstlichen Stellungnahme sagte, tastete Meindl sich mit Hilfe von Google und Telefonbüchern an den Ehemann der bis dahin als Ausstellerin des Attests bekannten Ärztin heran und ließ sich die sensationelle Stern-Recherche bestätigen. Dieser sagte ihm, dass die Praxis im Wesentlichen von dem Zeugen Reichel geführt wurde. Da lag die Vermutung nicht weit, dass er möglicherweise der tatsächliche Aussteller war. Eine Aussage wurde benötigt. Telefonisch wurde sodann mit dem Zeugen ein Termin in der Praxis vereinbart. Eine Dienstfahrt nach Nürnberg, so in der Vorweihnachtszeit, da ließ sich der LOStA nicht nehmen, den OStA zu begleiten. Da fehlte nur noch die Justizministerin. 

OStA Meindl: "Haben ihn vernommen zu seiner damaligen Tätigkeit als Arzt, zu der Anamnese, Diagnostik, die er letztendlich in dem Attest das uns aus den Akten bekannt war – wir hatten ja die Nürnberger Akten – wir haben ihm das auch vorgelegt. Markus Reichel – wird er noch erzählen können – hat dann entsprechend geantwortet ..." (Mitschrift 3.VT, S.43). Dazu der Zeuge Reichel zu der Dokumentation: "Primäre Krankenblattnotiz, die ich lange gesucht habe.  ... Und nachdem die unter dem Mädchennamen Müller abgelegt war, sind wir bei der ersten Recherche nicht darauf gestoßen und bei der Vernehmung in der Praxis auch. Da war mir Existenz der Akte noch nicht bekannt. Deshalb versucht, zusammenzureimen, wie es wohl gewesen sein mag, wie zustande gekommen und wann ausgedruckt. Diese Akte ist erst später aufgekommen, Staatsanwaltschaft angerufen, aber war wohl nicht interessant" (Mitschrift 3.VT, S.49-50). Im Rahmen der vom LG in Auftrag gegebenen IT-Recherche konnte zwar bestätigt werden, dass das Krankenblatt unter dem Namen Müller geführt wurde, eine Suchanfrage unter Müller und Maske aber dennoch zu keinen Ergebnissen führte. Suchergebnisse ergab nur die Anfrage unter dem Namen Mollath. Für die IT-Untersuchung war das offensichtlich gar nicht so schwer, da was zu finden. Man könnte meinen, das hätte ein promovierter Arzt mit Hilfe eines OStA und eines LOStA auch hinkriegen können.

Schon wesentlich mehr Informationen zu diesem Zeitpunkt hatte die glaubwürdige Zeugin Simbek. Sie hatte sich für ihren Chef von der Nebenklägerin eine Kopie des auf den 14.08.2001 datierten Attests geben lassen, damit er vor OStA und LOStA nicht ganz so unwissend dasteht. Diese Kopie des angeblichen Originals ist bei dem Zeugen Reichel entweder nicht angekommen oder aber er hatte vergessen, sie dem OStA und dem LOStA zu erwähnen. So musste die STA etwa ein halbes Jahr lang noch warten, um von der Existenz des so genannten Originals vom 14.08.2001 in Erstschrift Kenntnis zu erlangen. Auf einem geheimnisvollen Weg landete das Attest dann plötzlich in ihrer Post, nachdem ihr Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wurde.

Ausgerechnet und wie der Zufall so will, ist auf dieser Erstschrift vom 14.08.2001 der i.V.-Vermerk deutlich zu erkennen. Weil dieser Vermerk damals in Zusammenhang mit der Echtheit des Attests diskutiert wurde, haben damals einige Stimmen in der Presse gemeint, das könnte einen Einfluss auf die Entscheidung des OLG über die Beschwerde zu dem WA-Antrag haben. Das war natürlich so falsch wie unecht das Attest.

WR Kolos schrieb:

Meindl wurde damals quasi unförmlich von der Justizministerin angewiesen,

Das ist wie mit der Verwertung der früheren Zeugenaussage der Nebenklägerin, obwohl sie im Wiederaufnahmeverfahren schweigt: kritikwürdig, aber rechtlich sind Staatsanwälte nun einmal an Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden.

Paragraf 146 GVG schrieb:

Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.

In Bayern sogar in der Verfassung:

Art. 89 Bayerische Verfassung schrieb:

Die öffentlichen Ankläger vor den Strafgerichten sind an die Weisungen ihrer vorgesetzten Behörde gebunden.

 

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WR Kolos schrieb:

Lutz Lippke schrieb:

 

OStA Meindl hätte dies also schon Ende 2012 klären können und vielleicht sogar müssen. Das "neue" alte Attest tauchte erst 1/2 Jahr später Mitte 2013 auf und damit nach Zeugenvernehmungen und Telefonaten des OStA ua. mit dem RA der NK. Die bis dahin einzige Version eines Attestes erklärte OStA Meindl dann umgehend zur Zweitschrift. Ich hätte das nicht getan. Es gab dafür keinen Anlass. Es sei denn, der Dr. Reichel hatte schon bei seinen Vernehmungen Ende 2012 / Anfang 2013 die Existenz des Attestes vom 14.08.2001 behauptet und das Attest vom 03.06.2002 als Zweitausfertigung bezeugt. Das wäre mir aber neu.   

 

 

Das Mysterium Attest hält auch zum Besuch des OStA Meindl in der Arztpraxis einige Episoden von Interesse bereit:

Meindl wurde damals quasi unförmlich von der Justizministerin angewiesen, einen Wiederaufnahmeantrag in Sachen Mollath zu schreiben. Ein guter Jurist - wie er meint - kann auch jeden Antrag beliebig in jede Richtung schreiben - in Bayern vermutlich auch entscheiden. So einem guten Juristen entgeht natürlich auch nicht, dass erstmals der Stern darüber berichtet hatte, die Ausstellerin des Attests vom 3.06.2002 hätte auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, die Patientin überhaupt nicht zu kennen. Das war - wie sich später bestätigen sollte - die entscheidende Information für den Erfolg des Wiederaufnahmeantrags und für die Entlassung Mollaths aus der Psychiatrie.

Natürlich weiß ein guter Jurist, der alles in jede Richtung schreiben kann, sofort um die Bedeutung so einer Information. Wie er in seiner dienstlichen Stellungnahme sagte, tastete Meindl sich mit Hilfe von Google und Telefonbüchern an den Ehemann der bis dahin als Ausstellerin des Attests bekannten Ärztin heran und ließ sich die sensationelle Stern-Recherche bestätigen. Dieser sagte ihm, dass die Praxis im Wesentlichen von dem Zeugen Reichel geführt wurde. Da lag die Vermutung nicht weit, dass er möglicherweise der tatsächliche Aussteller war. Eine Aussage wurde benötigt. Telefonisch wurde sodann mit dem Zeugen ein Termin in der Praxis vereinbart. Eine Dienstfahrt nach Nürnberg, so in der Vorweihnachtszeit, da ließ sich der LOStA nicht nehmen, den OStA zu begleiten. Da fehlte nur noch die Justizministerin.

OStA Meindl: "Haben ihn vernommen zu seiner damaligen Tätigkeit als Arzt, zu der Anamnese, Diagnostik, die er letztendlich in dem Attest das uns aus den Akten bekannt war – wir hatten ja die Nürnberger Akten – wir haben ihm das auch vorgelegt. Markus Reichel – wird er noch erzählen können – hat dann entsprechend geantwortet ..." (Mitschrift 3.VT, S.43). Dazu der Zeuge Reichel zu der Dokumentation: "Primäre Krankenblattnotiz, die ich lange gesucht habe.  ... Und nachdem die unter dem Mädchennamen Müller abgelegt war, sind wir bei der ersten Recherche nicht darauf gestoßen und bei der Vernehmung in der Praxis auch. Da war mir Existenz der Akte noch nicht bekannt. Deshalb versucht, zusammenzureimen, wie es wohl gewesen sein mag, wie zustande gekommen und wann ausgedruckt. Diese Akte ist erst später aufgekommen, Staatsanwaltschaft angerufen, aber war wohl nicht interessant" (Mitschrift 3.VT, S.49-50). Im Rahmen der vom LG in Auftrag gegebenen IT-Recherche konnte zwar bestätigt werden, dass das Krankenblatt unter dem Namen Müller geführt wurde, eine Suchanfrage unter Müller und Maske aber dennoch zu keinen Ergebnissen führte. Suchergebnisse ergab nur die Anfrage unter dem Namen Mollath. Für die IT-Untersuchung war das offensichtlich gar nicht so schwer, da was zu finden. Man könnte meinen, das hätte ein promovierter Arzt mit Hilfe eines OStA und eines LOStA auch hinkriegen können.

Schon wesentlich mehr Informationen zu diesem Zeitpunkt hatte die glaubwürdige Zeugin Simbek. Sie hatte sich für ihren Chef von der Nebenklägerin eine Kopie des auf den 14.08.2001 datierten Attests geben lassen, damit er vor OStA und LOStA nicht ganz so unwissend dasteht. Diese Kopie des angeblichen Originals ist bei dem Zeugen Reichel entweder nicht angekommen oder aber er hatte vergessen, sie dem OStA und dem LOStA zu erwähnen. So musste die STA etwa ein halbes Jahr lang noch warten, um von der Existenz des so genannten Originals vom 14.08.2001 in Erstschrift Kenntnis zu erlangen. Auf einem geheimnisvollen Weg landete das Attest dann plötzlich in ihrer Post, nachdem ihr Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wurde.

Ausgerechnet und wie der Zufall so will, ist auf dieser Erstschrift vom 14.08.2001 der i.V.-Vermerk deutlich zu erkennen. Weil dieser Vermerk damals in Zusammenhang mit der Echtheit des Attests diskutiert wurde, haben damals einige Stimmen in der Presse gemeint, das könnte einen Einfluss auf die Entscheidung des OLG über die Beschwerde zu dem WA-Antrag haben. Das war natürlich so falsch wie unecht das Attest.

Sehr geehrter Herr Kolos,

herzlichen Dank für die Einblicke in die Genese bzw. Auferstehung des Attests vom 14.08.2001. Als so flüssige und lebensnahe Geschichte war das Geschehen mir noch nicht bewusst. Man fühlt sich ein wenig wie im Kriminaltheater, wo das Kabinettstück sicher irgendwann hingelangt. Das Attest dafür, schreibe ich gerne mit.

Sie schreiben

Schon wesentlich mehr Informationen zu diesem Zeitpunkt hatte die glaubwürdige Zeugin Simbek.

In ihrer Zeugenaussage am 9.7.14 bleibt die Zeugin ja zum Attest vom 14.08.01 vage und unsicher. Zur Frage der Ausstellung am 14.8.01:

S.10 "... ob er [der Arzt] es da [am 14.8.01] ausgehändigt hat schon, weiß ich nicht"

"Aber wann das erste ausgehändigt oder an dem Tag da kann ich mich nicht mehr erinnern."

 

Offensichtlich ist, dass die Zeugin vollen Zugriff auf die Worddatei mit dem Attesttext hatte (S.32).

Dann zeigt sie das Originalattest bzw. eine Kopie davon:

"Das war das Originalattest. Vom 14.8.2002. Anderes habe ich nicht." (S.32)

"Wie lang habe ich das? Vielleicht letztes Jahr? Wie das hier zur Sprache kam. Aber genauen Zeitraum. Letzten Sommer, August, September, oder halt später." (S.32)

Genau, da wollte mein Chef das vorlegen zur Befragung. Da war ja das
schon Thema. Im Augsut war das ja schon... Durch die Presse. (S.34)

Für mich ist damit noch nicht klar, ob der Zeugin das Attest vom 14.8.01 bereits im Dezember 2012 oder doch erst Mitte 2013 vorgelegen haben soll. Haben Sie noch mehr Informationen? 

Viele Grüsse

Lutz Lippke

PS: Zur Frage ob Original, Kopie oder Ausdruck einer Worddatei mit eingefügter Scan-Unterschrift bin ich immer erstaunt, wie schnell Juristen so etwas feststellen können. Es konnte natürlich offensichtlich zu erkennen sein, aber grundsätzlich ist die allgegenwärtige Scan-, Retuschier- und Drucktechnik so perfekt, dass teilweise Sicherheiten zum Schutz vor Geldfälscher eingebaut wird. Ich könnte vollkommen ungeübt bei makellosen Schreiben, aber auch bei schlechten Faxkopien allein mit den PC-Bordmitteln das Datum in ca. 10 Minuten verändern und vorlegen. Ob die Manipulation wirklich für einen Nichtforensiker sicher erkennbar wäre, möchte ich bezweifeln. Das hinge vermutlich von der Tagesform ab, meiner beim Manipulieren und der des Prüfers beim Übersehen. Zwischen August 2001 und Juli 2013 lagen ca. 4370 Tage. Genug Zeit zum Üben.

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Achso um es vollständig zu machen.

Die durch Auftauchen des Attests vom 14.08.2001 zur Zweitschrift degradierte Version vom 03.06.2002, die ja Mollath sowohl in die Forensik, als auch in die Wiederaufnahme brachte, hatte nun den Makel nicht mehr als Attest nach der Trennung der Mollath's im Mai 2002 zu gelten. Die Trennung der Eheleute erfolgte ja am Tag des Auszugs und war nach Definition des Gerichts der Geburtstag des Belastungseifers, selbstverständlich ohne Empfängnis und sogar ohne Schwangerschaft. Da wird sogar die Jungfrau Maria noch neidisch. Wenn das mal kein Wunder ist. Gibt es denn schon einen Pilgeraltar am LG Regensburg?

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Was die nicht aufgeführten Schürfwunden in den Attesten vom 14.08.01 und vom 03.06.02 angehen so bin ich der Meinung, dass der Arzt sie hätte aufführen müssen, nachdem sie von dem von P3M geschilderten Vorfall vom 12.08.01 (körperliche Auseinandersetzung mit Ehemann) hätten stammen können.

 

Natürlich braucht man in einem Attest keine sachfremden Diagnosen aufführen, wie z. B. eine Mandelentzündung, aber man müsste Befunde aufführen, die mit dem geschilderten Geschehen in einem Zusammenhang stehen könnten und dann dazu schreiben, dass der Patient mitgeteilt habe, dass sie nicht von dem Vorfall stammen, der vom Arzt mittelbar bestätigt werden soll.

 

Wenn ein Patient zum Arzt kommt und berichtet diesem, sein Partner habe ihm zwei Zähne ausgeschlagen, und der Arzt sieht beispielsweise einen dritten abgebrochenen Zahn, oder einen Riss in der Lippe, dann wird er das logischerweise in seinem Attest aufführen und ggf. dazu schreiben, dass der Patient mitgeteilt habe, dass der diese Verletzungen nicht vom dem Angriff des Partners kämen.

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@ I.S. und Lutz Lippke

 

Es ist doch nebensächlich ob es sich nun um ein Sicherheitsmerkmal handelt oder um eine Komfortfunktion, auf jeden Fall wird beim Attestausdruck automatisch das Druckdatum ausgedruckt rechts oben und zwar auch noch aktuell, siehe den Polizeiausdruck aus dem Jahre 2014.

 

Ich habe nicht behauptet, dass es keine Möglichkeiten gibt das Datumsmakro zu umgehen, also wie I. S. schreibt „Makro löschen, gewünschtes Datum eintragen etc.“, aber wie dann Lutz Lippke schreibt kann das „Aktualisierungsmakro evt. auch futsch“ sein, anschließend, wenn man diesen Zustand speichert.

 

Vielleicht hätte man auch das Systemdatum des Rechners umstellen können, vor dem Ausdruck, aber all das ist eben nicht gemacht worden.

 

Wie dem auch sei, Sie sind hier versierte EDV-Experten und selbst Sie sehen Probleme, die durch die Datumsmakromanipulation hätten entstehen können und P. S. ist oder war offensichtlich kein EDV-Experte und hat sich nicht an das Datumsmakro, oder an die Umstellung des Systemdatum des Rechners gewagt.

Vielleicht hat sie mit dem zweiten Dokument vom 03.06.02, das beim Polizeiausdruck leer war, einen Versuch gestartet, der nicht geglückt ist.

 

Vielleicht werden die Worddateien z. B. der „Vorlagen zu den Sozialversicherungsträgern“, nachdem der Arzt im PC die Endfassung angesehen hat, von ihm schreibgeschützt, wobei diese Art von Vorlagen keine große Rolle spielen, es geht ja um die Attestvorlagen.

 

Dem Zeugen Westenrieder sind in Bezug auf Zeitangaben zwei Dinge aufgefallen, die mutmaßlich verschleiert werden sollten, a) der lange Zeitraum von 5 Jahren zwischen den Vorfällen und der HV und b) die Tatsache, dass es einen „langen Zeitraum zwischen „Attesterstellung und Vorfall“ gegeben hat, also einen langen Zeitraum zwischen dem 03.06.02 und dem 14.08.01, bzw. chronologisch genauer zwischen dem 14.08.01 und dem 03.06.02:

 

  • Es ist während der ganzen Verhandlung nie zur Sprache gekommen, dass die Vorfälle (KV und Freiheitsberaubung) 5 Jahre zurücklagen.
  • Das „Datum“ des Attests wurde nicht vorgelesen, damit wird er das Druckdatum vom 03.06.02 gemeint haben, aber zusätzlich wird auch der Untersuchungstag, also der 14.08.01 nicht vorgelesen worden sein.
  • Wenn er von einem Datum spricht auf dem der Daumen drauf gewesen sei, dann wird er das Druckdatum oben rechts gemeint haben, sonst wäre der Richterdaumen ja zusätzlich noch in der Mitte des Attests, beim Untersuchungsdatum gelegen, oder der Richter hätte zwei Daumen einsetzen müssen.
  • Zitat Westenrieder hierzu noch einmal:

 

  • „Zeuge Westenrieder: Ich saß immer rechts vom Vorsitzenden. Ich habe immer mitgelesen, das Datum konnte ich nicht lesen, weil der Daumen drauf gewesen ist. Der Daumen ist drauf gewesen auf dem Datum. Als mir das Attest zugespielt wurde, habe ich mich sehr gewundert über das Datum, über den langen Zeitraum, zwischen Attesterstellung und Vorfall.“

Mit diesem Satz wundert sich Westenrieder also nicht über den langen Zeitraum von 5 Jahren zwischen den Vorfällen und der HV, sondern über den ebenfalls langen Zeitraum von 9,5 Monaten zwischen dem Vorfall und der Attesterstellung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ich habe eine Frage an die Kommentatoren:

Ich habe irgendwie die Erinnerung, dass es mal hieß im Urteil des ersten Strafverfahrens sei "ein Datumsschreibfehler" gestanden, oder auch mehrere.

Kann sich noch einer der Blogger daran erinnern?

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#46

Beim Versuch, die vielen Unregelmäßigkeiten des Falls Mollath aufzuarbeiten, mag auch der Zeitabstand zwischen Vorfall und Attesterstellung als Auffälligkeit betrachtet werden. Allerdings ist Abwarten und Sammeln von Beweisen im Ehe- und Trennungskonflikt nicht ungewöhnlich und man kann davon ausgehen, dass Richter das wissen. Der Inhalt des Attests war schon Gegenstand der ersten Hauptverhandlung im Jahr 2003, so dass sich in Anbetracht der gesamten juristischen Auseinandersetzung einschließlich der bekannten Verzögerungen der Aspekt übermäßiger Dauer schon relativieren lässt.

 

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@ I.S:

Da ich keinen Endlosbeitrag durch immer wieder Zitieren generieren möchte, hier mit noch einmal separat.

Es ist schlichtweg, sorry, dass ich das so sage, "Unfug" zu behaupten, es wäre normal oder gar nachvollziehbar, in Misshandlungsfällen (!!!) z.B die Schürfwunden auf Bitten der Patientin (was Sie annehmen, warum er es weggelassen hat, weiß ja keiner) wegzulassen.

Die Situation war doch so, bzw. SOLL doch SO gewesen sein:

Arme verängstigte, zum xten Mal geprügelte, PM trifft sich zufällig mit ihrer, ihr kaum bekannten, Beinahe Schwägerin in der Eisdiele. Erzählt verschämt und verstört, was ihr wiederfahren sei (laut Erinnerung PS in 2006 zwar nicht, laut Erinnerung von PS in 2014 dann doch)

So, PS muss sie absolut überreden, drängen, damit zum Arzt zu gehen, da PM, wie ja bekanntlich alle verprügelten Frauen, gar nicht will, dass das rauskommt, außerdem ja sich selber schlimme Sorgen um ihren Mann macht und dem doch nur helfen und auf keinen Fall schaden möchte.

Genau SO soll es doch gewesen sein, auch nach Überzeugung des Gerichts.

Und da werden Verletzungen, die ebenfalls vom angeblich notorisch prügelnden Eheman stammen könnten, und es in genau SOLCHEN Fällen, die hier nachträglich von einigen Beteiligten suggeriert wurde, es aller Erfahrung nach auch SIND, selbstverständlich ebenfalls dokumentiert.

Egal wie sehr das vom Prügelopfer verharmlost und bestritten wird.

Gerade um eben belegen zu können, dass die Person misshandelt wird, und zwar regelmäßig.

Brauchen wir uns doch nur mal erinnern, bei praktisch allen Kindstötungen wird regelmäßig attestiert, dass die Körper der Opfer von diversen frischen , teils Wochen, teils Monate, teils Jahre alten Verletzungen übersät sind.

Den (Gerichts-)mediziner zeigen Sie mir bitte, der da nur die zum Tode führenden Misshandlungen dokumentieren dürfte oder würde.

Einfach absurd.

Aber vielleicht sollte man MRs Aussage in 2014, dass PM vorsichtshalber mal ein Attest von ihm wollte, falls ihr mal WIRKLICH etwas SCHLIMMES p a s s i e r t, einfach etwas ernster nehmen?

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Zeugnisverweigerungsrecht und Verzicht auf Verwertungsverbot

Diese Kombination wurde hier ja schon juristisch kritisch diskutiert. RA Strate hatte zu Beginn der HV die Nebenklage auf diese Unfairness auch moralisch angesprochen.

Um es mal konkret zu grundsätzlichen Verfahrensrechten dieses Rechtsstaats für mich klar zu machen, hier noch mal meine Nachfrage.

Die Nebenklägerin kann in Cafes, Arztpraxen, Wohnstuben und in nachweislich gegenüber dem Beschuldigten rechtsverweigernden Vorverfahren den Angeklagten über Jahre massiv beschuldigen und sich dann unter Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht zuhause in die warme Stube setzen und vollkommen unbehelligt abwarten. Mit dem Verzicht auf das Verwertungsverbot bringt die Nebenklägerin trotzdem alle diese Vorwürfe in die HV ein. Der Anwalt der NK kann vor Ort auch weiterhin auf die Beweiserhebung und das Verfahren Einfluss nehmen. Hierzu die 1. Frage: Konnte der Anwalt der NK rein rechtlich auch den Angeklagten, die Zeugen oder andere Verfahrensbeteiligte befragen?

Der Angeklagte dagegen, kann zwar sein Aussageverweigerungsrecht in Anspruch nehmen, aber muss die gesamte HV vor Ort durchstehen und alle Beschuldigungen der NK, die immer wieder verlesen und erörtert werden, über sich ergehen lassen. Wenn er die Aussage durchgängig verweigern will, muss er sämtliche sachlichen Fehlleistungen, die unbewussten und bewussten Manipulationen, sowie Erinnerungsschwächen der anderen Beteiligten ertragen. Diese "ich weiß nichts mehr Genaues, aber ich spekuliere mal das ich es doch weiß, fragen Sie mich ruhig"-Aussagen werden weder den Zeugen noch der Nebenklägerin vorgehalten oder irgendwann zum Nachteil gereicht. Ganz im Gegenteil.

Der Angeklagte kann sich dieser unzumutbaren Prozedur im Gegensatz zur Nebenklägerin nicht entziehen. Jede Reaktion des Angeklagten, jede Einwendung zur Sache von ihm wird zu Nachteil für ihn ausgebaut und ausgelegt. Einem Angeklagten, dem für die jahrelange, rechtswiedrige Verräumung pro Tag eine Entschädigung von unter 25 € zusteht und der für dieses Tribunal in der Wiederaufnahme vermutlich weiter mit wesentlich höheren Kosten belastet wird. Auch wieder ganz im Gegensatz zur Nebenklägerin.

Also, in einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation sind die Parteien allein aufgrund der Vorauswahl durch die StA bzw. aufgrund eines rechtsverweigerndes Vorverfahren mit vollkommen verschiedenen Verfahrensrechten ausgestattet und diametralen Konsequenzen ausgesetzt.

Verstösst das nicht ganz offensichtlich gegen Grundsätze der Rechtsordnung wie Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf ein faires Verfahren?

Es wurde zur Wiederaufnahme ja immer auch davon gesprochen, diese würde zugunsten von Mollath durchgeführt. Damit werde seinem Streben nach Rehabilitation berücksichtigt. Zunächst ist ja so, dass auch die StA selbst die Wiederaufnahme beantragte. Denn die Justiz müsste selbst ein Interesse daran haben, dass der hässliche Fleck der Rechtsbeugung bzw. des Reinfalls auf eine Falschbeschuldigung möglichst ausbleicht. Wenn nun diese Wiederaufnahme jedoch im Gegensatz zum Vorverfahren durch die NK (Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts) und den mehrjährigen Zeitablauf (die die Justiz im Übrigen verschuldete) eine vollkommen andere Verfahrenssituation darstellt, dann ist da doch grundsätzlich etwas faul. Das muss man doch als Juristen anhand von Grundrechten, Gesetzen und Rechtsprechung übereinstimmend feststellen können, wenn Willkür nicht der Grundbaustein dieses Rechtsstaats sein sollte. Über diese Frage wird jedoch diskutiert, als ginge es um eine seltene Ausnahme ohne besondere Bedeutung. Wie soll man das verstehen?   

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Lutz Lippke schrieb:

Hierzu die 1. Frage: Konnte der Anwalt der NK rein rechtlich auch den Angeklagten, die Zeugen oder andere Verfahrensbeteiligte befragen?

Ja, das und noch mehr.

Paragraf 357 StPO, Auszug schrieb:

Die Befugnis zur Ablehnung eines Richters (§§ 24, 31) oder Sachverständigen (§ 74), das Fragerecht (§ 240 Absatz 2), das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden (§ 238 Absatz 2) und von Fragen (§ 242), das Beweisantragsrecht (§ 244 Absatz 3 bis 6) sowie das Recht zur Abgabe von Erklärungen (§§ 257, 258) stehen auch dem Nebenkläger zu.

Lutz Lippke schrieb:

Verstösst das nicht ganz offensichtlich gegen Grundsätze der Rechtsordnung wie Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf ein faires Verfahren?

Der Gleichheitsgrundsatz ist wohl nicht tangiert, weil jeder Angeklagte in der gleichen Situation auch genau die gleichen Einschränkungen hinnehmen muss.

Die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, insbesondere das Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 d EMRK), ist ein Hauptkritikpunkt an der BGH Rechtsprechung. Ihre Argumentation mag juristisch nicht ganz geschliffen sein, im Kern sagen Sie aber das aus, was kritisiert wird: Die Anklage kann sich auf eine schriftliche Zeugenaussage stützen, die vom Angeklagten bzw. dessen Verteidiger nicht mehr unmittelbar durch Befragung des Zeugen angegriffen werden kann.

Ob das eine offensichtliche Verletzung ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Quote:
Über diese Frage wird jedoch diskutiert, als ginge es um eine seltene Ausnahme ohne besondere Bedeutung. Wie soll man das verstehen?   

Das ist jetzt nur eine Vermutung, aber eine solche Konstellation dürfte tatsächlich selten zustande kommen. Das heisst aber nicht, dass die Frage keine Bedeutung hat. Im Gegenteil.

Vielleicht kommt ihr Eindruck deswegen zustande, weil Juristen berufsbedingt eher nüchtern argumentieren.

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MT schrieb:

Lutz Lippke schrieb:

Hierzu die 1. Frage: Konnte der Anwalt der NK rein rechtlich auch den Angeklagten, die Zeugen oder andere Verfahrensbeteiligte befragen?

Ja, das und noch mehr.

Paragraf 357 StPO, Auszug schrieb:

Die Befugnis zur Ablehnung eines Richters (§§ 24, 31) oder Sachverständigen (§ 74), das Fragerecht (§ 240 Absatz 2), das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden (§ 238 Absatz 2) und von Fragen (§ 242), das Beweisantragsrecht (§ 244 Absatz 3 bis 6) sowie das Recht zur Abgabe von Erklärungen (§§ 257, 258) stehen auch dem Nebenkläger zu.

Lutz Lippke schrieb:

Verstösst das nicht ganz offensichtlich gegen Grundsätze der Rechtsordnung wie Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf ein faires Verfahren?

Der Gleichheitsgrundsatz ist wohl nicht tangiert, weil jeder Angeklagte in der gleichen Situation auch genau die gleichen Einschränkungen hinnehmen muss.

Die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, insbesondere das Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 d EMRK), ist ein Hauptkritikpunkt an der BGH Rechtsprechung. Ihre Argumentation mag juristisch nicht ganz geschliffen sein, im Kern sagen Sie aber das aus, was kritisiert wird: Die Anklage kann sich auf eine schriftliche Zeugenaussage stützen, die vom Angeklagten bzw. dessen Verteidiger nicht mehr unmittelbar durch Befragung des Zeugen angegriffen werden kann.

Ob das eine offensichtliche Verletzung ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Quote:
Über diese Frage wird jedoch diskutiert, als ginge es um eine seltene Ausnahme ohne besondere Bedeutung. Wie soll man das verstehen?   

Das ist jetzt nur eine Vermutung, aber eine solche Konstellation dürfte tatsächlich selten zustande kommen. Das heisst aber nicht, dass die Frage keine Bedeutung hat. Im Gegenteil.

Vielleicht kommt ihr Eindruck deswegen zustande, weil Juristen berufsbedingt eher nüchtern argumentieren.

MT, Danke für die Erläuterungen.  Trotzdem muss ich zum Gleichheitsgrundsatz (grundsätzlich) nochmal nachhaken.

Der Gleichheitsgrundsatz ist wohl nicht tangiert, weil jeder Angeklagte in der gleichen Situation auch genau die gleichen Einschränkungen hinnehmen muss.

Diese Auslegung des Artikel 3 des Grundgesetzes habe ich schon Desöfteren gelesen. Ich glaube auch gerne, dass es sich um eine Mehrheitsmeinung unter Juristen handelt. Gibt es dazu aber auch Kritik oder Minderheitenmeinung unter Juristen?

Ich frage das deshalb, weil in dieser Auslegung "gleiche Situation" implizit ein Rollenverständnis eingewoben ist, dass nach meiner Meinung mit diesem Grundrecht selbst kollidiert. Männer können oft nicht in der gleichen Situation wie Frauen vor dem Gesetz sein. Da es sich um individuelle Grundrechte handelt (ich hoffe unbestritten), kann es also auch nur um die Gleichberechtigung der kollidierenden Rechte von konkreten Personen, wie hier einer Frau und einem Mann gehen. Das trifft natürlich neben dem Geschlecht genauso für die weiteren Zuweisungen unter (3) Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen und Behinderung zu. Der Raum der Möglichkeiten von "exklusiven Situationen" abhängig von den Zuweisungen unter (3) ist wohl riesig.

Der Staat kann also nicht entsprechend Art. 3 (2) Satz 2 des GG zur Beseitigung allgemein bestehender Nachteile (z.B. hier die Annahme: "meistens verhauen die Männer die Frauen") Gesetze erlassen oder die Justiz eine Verfahrensgestaltung und Rechtsprechung betreiben, die wegen solcher allgemeinen Annahmen im individuellen Fall den Satz 1 "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." aushebeln. Aus einer allgemeinen, statistischen Annahme wird damit Verfahrensrecht für individuelle Fälle geschaffen, das dem gesamten Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Genauso könnte man die allgemeine Annahme "Frauen beschuldigen Männer häufig falsch" und "Männer verschweigen meist die Gewalttätigkeit der Frau in der Beziehung" zur Grundlage nehmen und landet bei entgegengesetzten Vorstellungen der allgemeinen Situation in Partnerschaften und einer diametral entgegengesetzten Rechtslage im Individualfall. Es kann also nur so sein, dass in einem konkreten Fall Mann und Frau mit gleichen Verfahrensrechten vor dem Gericht stehen und nur ihre individuelle Situation und nicht das Geschlecht zählt. Das gilt natürlich genauso für die anderen Zuweisungen unter Art. 3 (3) des GG. Unbestritten ist z.B. das individuelle Recht auf einen Dolmetscher, wenn der Beteiligte Deutsch nicht beherrscht. Hier geht es ganz klar darum, dass die Partei aktiv und gleichberechtigt am Verfahren teilnehmen kann. Es geht also um die individuelle Gewährleistung der gleichen Verfahrensrechte.

In wie vielen Varianten das mit dem Fall Mollath zusammenhängen könnte, würde ich diskutieren, wenn das Vorstehende hier Bestand haben sollte. Eine Möglichkeit sich diesen Varianten zu nähern, ist einfach mal das (ehrliche) Umkehr-Experiment im Geiste. Ganz nüchtern betrachtet.

Meine berufsbedingt nüchterne Betrachtung Ihrer Vermutung der seltenen Konstellation ist Folgende: Der Fall Mollath ist sicher schon ein seltener Fall. Damit meine ich nicht den gewöhnlichen Fall der häuslichen Gewalt, wie er scheinbar in der Wiederaufnahme verhandelt wurde. Sondern eher meine Vermutung, dass bildlich gesprochen, sich Architekten wegen einem einsturzgefährdeten Haus ans Reißbrett stellten und mit all ihrer "Kunst" die Sicherung des Gebäudes entwarfen und dabei nichts dem Zufall überließen. Wir stehen also vermutlich vor der hohen Kunst der Zunft.

Ich würde allerdings Gebäude anders sichern.

 

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Lutz Lippke schrieb:

MT, Danke für die Erläuterungen.  Trotzdem muss ich zum Gleichheitsgrundsatz (grundsätzlich) nochmal nachhaken.

Der Gleichheitsgrundsatz ist wohl nicht tangiert, weil jeder Angeklagte in der gleichen Situation auch genau die gleichen Einschränkungen hinnehmen muss.

Diese Auslegung des Artikel 3 des Grundgesetzes habe ich schon Desöfteren gelesen. Ich glaube auch gerne, dass es sich um eine Mehrheitsmeinung unter Juristen handelt. Gibt es dazu aber auch Kritik oder Minderheitenmeinung unter Juristen?

Ich frage das deshalb, weil in dieser Auslegung "gleiche Situation" implizit ein Rollenverständnis eingewoben ist, dass nach meiner Meinung mit diesem Grundrecht selbst kollidiert. Männer können oft nicht in der gleichen Situation wie Frauen vor dem Gesetz sein. Da es sich um individuelle Grundrechte handelt (ich hoffe unbestritten), kann es also auch nur um die Gleichberechtigung der kollidierenden Rechte von konkreten Personen, wie hier einer Frau und einem Mann gehen. Das trifft natürlich neben dem Geschlecht genauso für die weiteren Zuweisungen unter (3) Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen und Behinderung zu. Der Raum der Möglichkeiten von "exklusiven Situationen" abhängig von den Zuweisungen unter (3) ist wohl riesig.

Der Staat kann also nicht entsprechend Art. 3 (2) Satz 2 des GG zur Beseitigung allgemein bestehender Nachteile (z.B. hier die Annahme: "meistens verhauen die Männer die Frauen") Gesetze erlassen oder die Justiz eine Verfahrensgestaltung und Rechtsprechung betreiben, die wegen solcher allgemeinen Annahmen im individuellen Fall den Satz 1 "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." aushebeln. Aus einer allgemeinen, statistischen Annahme wird damit Verfahrensrecht für individuelle Fälle geschaffen, das dem gesamten Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Genauso könnte man die allgemeine Annahme "Frauen beschuldigen Männer häufig falsch" und "Männer verschweigen meist die Gewalttätigkeit der Frau in der Beziehung" zur Grundlage nehmen und landet bei entgegengesetzten Vorstellungen der allgemeinen Situation in Partnerschaften und einer diametral entgegengesetzten Rechtslage im Individualfall. Es kann also nur so sein, dass in einem konkreten Fall Mann und Frau mit gleichen Verfahrensrechten vor dem Gericht stehen und nur ihre individuelle Situation und nicht das Geschlecht zählt. Das gilt natürlich genauso für die anderen Zuweisungen unter Art. 3 (3) des GG. Unbestritten ist z.B. das individuelle Recht auf einen Dolmetscher, wenn der Beteiligte Deutsch nicht beherrscht. Hier geht es ganz klar darum, dass die Partei aktiv und gleichberechtigt am Verfahren teilnehmen kann. Es geht also um die individuelle Gewährleistung der gleichen Verfahrensrechte.

In wie vielen Varianten das mit dem Fall Mollath zusammenhängen könnte, würde ich diskutieren, wenn das Vorstehende hier Bestand haben sollte. Eine Möglichkeit sich diesen Varianten zu nähern, ist einfach mal das (ehrliche) Umkehr-Experiment im Geiste. Ganz nüchtern betrachtet.

Meine berufsbedingt nüchterne Betrachtung Ihrer Vermutung der seltenen Konstellation ist Folgende: Der Fall Mollath ist sicher schon ein seltener Fall. Damit meine ich nicht den gewöhnlichen Fall der häuslichen Gewalt, wie er scheinbar in der Wiederaufnahme verhandelt wurde. Sondern eher meine Vermutung, dass bildlich gesprochen, sich Architekten wegen einem einsturzgefährdeten Haus ans Reißbrett stellten und mit all ihrer "Kunst" die Sicherung des Gebäudes entwarfen und dabei nichts dem Zufall überließen. Wir stehen also vermutlich vor der hohen Kunst der Zunft.

Ich würde allerdings Gebäude anders sichern.

Das Gleichheitsgrundrecht, egal ob Art. 3 I GG allein oder verstärkt durch Art. 3 III GG, wird im Allgemeinen zweistufig geprüft:

Auf der ersten Stufe ist festzustellen, ob im wesentlichen Gleiches ungleich behandelt wird.

Soweit man das bejaht, ist auf der zweiten Stufe festzustellen, ob die Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Wie Sie schon richtig erkennen, ist auch eine mittelbare Ungleichbehandlung erfasst. Dazu das Bundesverfassungsgericht:

Quote:
Wenn der Gesetzgeber eine Gruppe nach sachlichen Merkmalen bestimmt, die nicht in Art. 3 Abs. 3 GG genannt sind, so ist diese Regelung an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Etwas anderes gilt, wenn der vom Gesetzgeber gewählte, durch Art. 3 Abs. 3 GG nicht verbotene sachliche Anknüpfungspunkt in der gesellschaftlichen Wirklichkeit weitgehend nur für eine Gruppe zutrifft, oder die differenzierende Regelung sich weitgehend nur auf eine Gruppe im Sinne einer faktischen Benachteiligung auswirkt, deren Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 3 GG strikt verboten ist (mittelbare Diskriminierung). Eine Anknüpfung an das Geschlecht kann deshalb auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (vgl. BVerfGE 97, 35 <43> m.w.N.; 104, 373 <393> ).

https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20080618_2bvl00...

Ob Gesetzgeber oder Gericht macht keinen Unterschied, da jeder Akt öffentlicher Gewalt den Grundrechten gerecht werden muss (vgl. § 90 I BVerfGG). Und natürlich gelten die Ausführungen zu Frauen auch für Männer, sonst wäre es keine Gleichbehandlung.

Das sind im Groben die einschlägigen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Was die Mindermeinungen angeht

Im Fall Mollath von einer Ungleichbehandlung auszugehen mit dem Argument, der BGH habe ausgehend von "meistens verhauen die Männer die Frauen" ein "Verfahrensrecht für individuelle Fälle" geschaffen halte ich für nicht überzeugend. Es ist schon im Allgemeinen so, dass Männer eher kriminell auffällig werden (Polizeiliche Kriminalstatistik 2013, S. 36*) und damit auch statistisch häufiger verurteilt werden als Frauen. Dementsprechend sind natürlich auch eher Männer der Rechtsprechung des BGH zur Verwertung einer früheren Vernehmung bei Zustimmung des Zeugen ausgesetzt als Frauen, ohne dass dadurch bereits eine unterschiedliche Behandlung zu sehen ist. Denn die Tatverdächtigen geben im Regelfall selbst den Anlass für die Ermittlungen. Für Fälle häuslicher Gewalt gilt das entsprechend. Dass Männer möglicherweise eher von Frauen ausgeübte häusliche Gewalt verschweigen, ist für mich kein durchschlagendes Argument. Eher gilt die umgekehrte Überlegung: Wenn ein Mann doch einmal häusliche Gewalt meldet, kann er genauso von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und der Verwertung einer früheren Aussage zustimmen.

* http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteil...

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@MT

Es war nicht meine Absicht, das zu bestreiten, wenn es auch in Widerspruch zu EU-Richtlinien steht. Im Sinn  hatte ich dabei nur das damalige Rumgeeier zu dieser Weisung, vor allem seitens der damaligen Justizministerin, die das noch abgestritten hatte.

WR Kolos schrieb:

@MT

Es war nicht meine Absicht, das zu bestreiten, wenn es auch in Widerspruch zu EU-Richtlinien steht. Im Sinn  hatte ich dabei nur das damalige Rumgeeier zu dieser Weisung, vor allem seitens der damaligen Justizministerin, die das noch abgestritten hatte.

Welche EU-Richtlinien meinen Sie? Mein letzter Stand ist, dass die EU im Strafrecht so gut wie keine Kompetenz hat.

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MT schrieb:

WR Kolos schrieb:

@MT

Es war nicht meine Absicht, das zu bestreiten, wenn es auch in Widerspruch zu EU-Richtlinien steht. Im Sinn  hatte ich dabei nur das damalige Rumgeeier zu dieser Weisung, vor allem seitens der damaligen Justizministerin, die das noch abgestritten hatte.

Welche EU-Richtlinien meinen Sie? Mein letzter Stand ist, dass die EU im Strafrecht so gut wie keine Kompetenz hat.

 

Da gibt es auf jeden Fall etwas. Kann es im Moment nur nicht finden. Die Weisungsfreiheit der Staatsanwälte ist sogar eine Beitrittsvoraussetzungen für alle Beitrittsstaaten. Nur Deutschland, Österreich (und ich meine auch Italien) erfüllen diese Voraussetzung nicht.

WR Kolos schrieb:

Da gibt es auf jeden Fall etwas. Kann es im Moment nur nicht finden. Die Weisungsfreiheit der Staatsanwälte ist sogar eine Beitrittsvoraussetzungen für alle Beitrittsstaaten. Nur Deutschland, Österreich (und ich meine auch Italien) erfüllen diese Voraussetzung nicht.

Das mit der Beitrittsvoraussetzung zur EU scheint zu stimmen:

Quote:

[...]

What has Croatia done to reform its justice system?

Croatia completely reformed its justice system over recent years, starting with the country's application for EU membership in 2003. Croatia changed its Constitution to guarantee the independence of public prosecutors [...]

http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13-629_de.htm

Ansonsten konnte ich nur eine Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (hat nichts mit der EU, sondern mit der EMRK zu tun) aus 2009 finden.

Resolution 1685 schrieb:

[...]

5.4. The Assembly calls on Germany to:

[...]5.4.3. abolish the possibility for ministers of justice to give the prosecution instructions concerning individual cases;[...]

Eine EU-Richtlinie scheint es aber nicht zu geben.

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@ Herrn Kolos und LL, Beiträge 1 und 3 vom 27ten.

Für diese beiden ausgesprochen vielsagenden, zur Sache einfach nur erschütternden, durch und durch fundierten und sachlich formulierten Beiträge möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Gerade weil sich die Diskussion hier ja, notwendigerweise, immer mal wieder in bestimmte Details "vergräbt", ist es immer wieder wichtig, dazwischen mal zusammengefasst zu sehen, wie unglaublich perfide hier mit Recht und Gesetz umgegangen wurde und wird.

Contra reo. Und das nicht nur in dubio, sondern grundsätzlich.

Im Namen des Volkes.

i.(N.d.) V. sozusagen.

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Wie ist die allgemeine fachliche Meinung.

 

Ist G. Mollath nur durch den Urteilsspruch der gefährlichen KV beschwert, oder auch durch die "Minipsychose", die ihm zu diesem Zeitpunkt der angeblichen, lebensgefährdenden Behandlung der Gattin nicht ausschließbar angedichtet worden ist?

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atropa belladonna schrieb:

Wie ist die allgemeine fachliche Meinung.

 

Ist G. Mollath nur durch den Urteilsspruch der gefährlichen KV beschwert, oder auch durch die "Minipsychose", die ihm zu diesem Zeitpunkt der angeblichen, lebensgefährdenden Behandlung der Gattin nicht ausschließbar angedichtet worden ist?

 

#atropa belladonna  # An Alle

M.E. ist G. Mollath durch die gefährliche KV und auch durch die Annahme einer psychischen Erkrankung schwerwiegend beschwert. Diese Annahme im August 2014 dreizehn Jahre zurück diagnostiziert, stellt m.E. eine Vermessenheit des WA-Gerichtes dar. Durch den "Freispruch" wird aktuell die Zulässigkeit der Revision erschwert.

"Eva" antwortet auf meine Fragen zu diesem Thema:

In seinem Bericht "Fall Mollath: Zum Freispruch verurteilt" stellt Oliver García fest, dass der "unechte Freispruch" eben auf der Annahme beruht, dass Gustl Mollath im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hatte. Diese würde aber das Vorhandensein einer Psychose oder einer schweren Persönlichkeitsstörung nach den §§ 20 und 21 StGB zwingend voraussetzen.

Der Nachweis einer Persönlichkeitsstörung lässt sich nach vielen Jahren rückwirkend insofern nicht erbringen, da diese im Hier und Jetzt auch nicht vorliegt. Hätte bei Herrn Mollath bei angeblicher Begehung der ihm unterstellten Taten im August 2001 wirklich eine schwere psychische Störung vorgelegen, dann wäre diese ja nicht plötzlich - noch dazu ohne jegliche Therapie! - zum heutigen Zeitpunkt nach 13 Jahren verschwunden!! Wer heute unter keiner schweren Persönlichkeitsstörung, leidet, bei dem konnte sie mit Sicherheit auch vor über zehn Jahren nicht vorhanden sein.

Prof. Nedopil hielt Herrn Mollath nicht für schuldunfähig. Hier hat sich das Gericht nicht an der Einschätzung des Psychiaters orientiert und hat ihm damit den Stempel eines Gewalttäters verpasst, der bei angeblicher Tatbegehung noch dazu schuldunfähig gewesen sein könnte. Diese ist eine in unserer Gesellschaft schwerwiegende Stigmatisierung und könnte seine weitere Lebensführung im Hinblick auf Wohnungs- und Arbeitssuche sowie Partnerschaft durchaus schwer beeinträchtigen.

Es liegt eindeutig eine extreme existenzielle "Beschwer" vor, die für die Zulässigkeit einer Revision spricht.

 

4

Prof. Nedopil hat einen faulen Eiertanz aufgelegt

Menschenrechtler schrieb:

[

Prof. Nedopil hielt Herrn Mollath nicht für schuldunfähig.

 

Aber für nicht ausschließbar schuldunfähig - ein Rechtsbegriff und kein Fachbegriff nach Prof. Dr. Klaus Foerster (Tübingen) - das ist ja das besonders perfide.

Seine Begründung mit Kretschmer* ist nachweisbar falsch. Und das zeigt, dass das LG vollkommen unfähig war, Nedopil kritisch zu führen oder gar zu kontrollieren. Die haben nichts verstanden. Und so scheint sich das wohl zu gehören.

*

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/Nedopil.htm#Welche%20Rolle...

 

 

@ Gast

27.01.2015

#46

"Beim Versuch, die vielen Unregelmäßigkeiten des Falls Mollath aufzuarbeiten, mag auch der Zeitabstand zwischen Vorfall und Attesterstellung als Auffälligkeit betrachtet werden. Allerdings ist Abwarten und Sammeln von Beweisen im Ehe- und Trennungskonflikt nicht ungewöhnlich und man kann davon ausgehen, dass Richter das wissen. Der Inhalt des Attests war schon Gegenstand der ersten Hauptverhandlung im Jahr 2003, so dass sich in Anbetracht der gesamten juristischen Auseinandersetzung einschließlich der bekannten Verzögerungen der Aspekt übermäßiger Dauer schon relativieren lässt."

 

Antwort:

Ja, wenn das so gewöhnlich gewesen wäre für den vors. Richter, also das „Abwarten und Sammeln von Beweisen…“, dann hätte es ja der rechts vom vors. Richter sitzende Schöffe Westenrieder ruhig mitbekommen können, und der Richter hätte nicht den Daumen auf dem Datumsattest halten müssen.

Ich kann mir eher vorstellen, dass dem Richter klar war, dass es sich um ein nachträglich gefertigtes, manipuliertes Attest gehandelt hat und dass es den Produzenten fatalerweise technisch nicht gelungen war das Attestdatum an den Untersuchungstag anzupassen.

Dem vors. Richter war bekannt, dass der versierte Schöffe Westenrieder nicht an seiner ersten Verhandlung als Laienrichter teilnimmt und vor allen Dingen, dass er eine leitende kaufmännische Stellung in einem Krankenhaus innehatte, zum Zeitpunkt der ersten HV.

Ich bin der Meinung, dass der vors. Richter vermeiden wollte, dass sich der rechts neben ihm sitzende Schöffe Gedanken machen könnte über den langen Zeitraum  von 9,5 Monaten zwischen der Untersuchung und dem Attestausstellungsdatum, also ohne den Sicherungsdaumen auf dem Ausstellungsdatum.

Ja, und wenn es ganz blöd gelaufen wäre, dann hätte der Schöffe das Attest am Ende noch in die Hand genommen und  festgestellt, dass seit dem Vorfall und der HV ganze 5 Jahre lagen, und dann hätte der vors. Richter in sein Urteil auch nicht mehr reinschreiben können, per „Schreibfehler“, dass der Vorfall im Jahre 2003 stattgefunden habe, wobei er tatsächlich im Jahre 2001 stattgefunden hatte. Somit waren eben nur zwei Jahre vergangen zwischen der KV und der HV und nicht 5 Jahre, was möglicherweise dann dem BGH wieder seltsam vorgekommen wäre. – Vorsichtshalber wurde also der Zeitpunkt der KV gleich gar nicht erst vorgelesen obwohl der Untersuchungstag im Attest steht und es wurde auch an keiner Stelle der Verhandlung erwähnt, dass die KV 5 Jahre zurück lag.

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@15 atropa belladonna.

 

Es muss im letzten Absatz heißen, dass "der Vorfall im Jahre 2004 stattgefunden habe".

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Noch eine Frage an die Juristen:

 

Wie ist das Abstimmungsergebnis bei der großen Strafkammer wenn der vors. Richter mit zwei Laienrichtern zusammen die gleiche Meinung vertritt, gegen die Meinung der beiden beisitzenden Berufsrichter?

 

Wie ist das Abstimmungsergebnis bei der großen Strafkammer wenn der vors. Richter mit zwei Laienrichtern zusammen die gleiche Meinung vertritt, gegen die Meinung eines beisitzenden Richters?

 

Also, grundsätzlich setze ich voraus, dass sich die Laienrichter generell eher der Meinung des vors. Richters anschließen werden, als der Meinung der beisitzenden Richter.

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@ atropa belladonna

Ich bin ganz bei Ihnen und auch bei allen anderen, die Genese und Inhalt des Attests hinterfragen. Es sind einfach zu viele Auffälligkeiten - für mich nach wie vor am frappierendsten die fehlende Beschreibung der Verfärbung von Hämatomen und das Statement zur Glaubhaftigkeit. Dennoch versuche ich auch immer, eine andere Perspektive einzunehmen und andere Erklärungsmöglichkeiten zu finden, was automatisch zu einer Art advocatus-diaboli-Position führt. Das kann hilfreich sein, um sich nicht in Spekulationen zu verlieren, die letztlich doch ins Leere führen. So könnte man beispielsweise fragen, welchen Sinn es überhaupt machen soll, dem Schöffen ein späteres Datum, z.B. 2003, vorzuspiegeln: in dem Jahr war ja schon die erste Hauptverhandlung, außerdem wäre es dem Richter wohl nicht schwer gefallen, die weitere Verzögerung zu erklären, hätte Herr Westenrieder ihn darauf angesprochen. Der Zeitabstand von 9.5 Monaten ist definitiv nicht ungewöhnlich, das weiß jeder, der mit häuslicher Gewalt im Trennungskonflikt befasst ist: Richter, Anwälte, Ärzte, Sozialpädagogen und Psychologen in den verschiedenen Beratungsstellen. Gestern war übrigens eine längere Fallbeschreibung in der Süddeutschen zu lesen, in der man auch erkennen kann, wieviele Jahre solche Ablösungsprozesse trotz anhaltender Gewalttätigkeit dauern können. Also da sehe ich keinen Grund zum Vertuschen. Der "Schreibfehler" ist da, aber sollte das Datum vorsätzlich falsch geschrieben worden sein (von wem überhaupt?), dann wohl eher, um dem BGH einen falschen Film vorzuspielen. Abgesehen davon betrachte ich die Aussagen des Zeugen Westenrieder mit einiger Skepsis, da er mir über längere Zeit in vielen öffentlichen Äußerungen (mündlich und noch öfter schriftlich) durch eine regelmäßig Richter Brixner einseitig belastende Wahrnehmungs- und Interpretationsweise aufgefallen ist.

Noch zur Frage der Schürfwunden: sie hätten im Attest erwähnt werden sollen, da sie in den Komplex der Verletzungen gehören und da die Lokalisation am Rücken schon ungewöhnlich ist. Mag sein, dass der Arzt sie "übersehen" oder übersehen hat, mag sein, dass sie nur (noch) geringfügig ausgeprägt waren, sodass er sie nicht für erwähnenswert hielt - das wird man wohl nicht mehr erfahren. Die Erwähnung der Erschöpfungsdepression hingegen wäre unpassend gewesen.

 

 

 

 

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Gast schrieb:

@ atropa belladonna

Ich bin ganz bei Ihnen und auch bei allen anderen, die Genese und Inhalt des Attests hinterfragen. Es sind einfach zu viele Auffälligkeiten - für mich nach wie vor am frappierendsten die fehlende Beschreibung der Verfärbung von Hämatomen und das Statement zur Glaubhaftigkeit. Dennoch versuche ich auch immer, eine andere Perspektive einzunehmen und andere Erklärungsmöglichkeiten zu finden, was automatisch zu einer Art advocatus-diaboli-Position führt. Das kann hilfreich sein, um sich nicht in Spekulationen zu verlieren, die letztlich doch ins Leere führen. So könnte man beispielsweise fragen, welchen Sinn es überhaupt machen soll, dem Schöffen ein späteres Datum, z.B. 2003, vorzuspiegeln: in dem Jahr war ja schon die erste Hauptverhandlung, außerdem wäre es dem Richter wohl nicht schwer gefallen, die weitere Verzögerung zu erklären, hätte Herr Westenrieder ihn darauf angesprochen. Der Zeitabstand von 9.5 Monaten ist definitiv nicht ungewöhnlich, das weiß jeder, der mit häuslicher Gewalt im Trennungskonflikt befasst ist: Richter, Anwälte, Ärzte, Sozialpädagogen und Psychologen in den verschiedenen Beratungsstellen. Gestern war übrigens eine längere Fallbeschreibung in der Süddeutschen zu lesen, in der man auch erkennen kann, wieviele Jahre solche Ablösungsprozesse trotz anhaltender Gewalttätigkeit dauern können. Also da sehe ich keinen Grund zum Vertuschen. Der "Schreibfehler" ist da, aber sollte das Datum vorsätzlich falsch geschrieben worden sein (von wem überhaupt?), dann wohl eher, um dem BGH einen falschen Film vorzuspielen. Abgesehen davon betrachte ich die Aussagen des Zeugen Westenrieder mit einiger Skepsis, da er mir über längere Zeit in vielen öffentlichen Äußerungen (mündlich und noch öfter schriftlich) durch eine regelmäßig Richter Brixner einseitig belastende Wahrnehmungs- und Interpretationsweise aufgefallen ist.

Noch zur Frage der Schürfwunden: sie hätten im Attest erwähnt werden sollen, da sie in den Komplex der Verletzungen gehören und da die Lokalisation am Rücken schon ungewöhnlich ist. Mag sein, dass der Arzt sie "übersehen" oder übersehen hat, mag sein, dass sie nur (noch) geringfügig ausgeprägt waren, sodass er sie nicht für erwähnenswert hielt - das wird man wohl nicht mehr erfahren. Die Erwähnung der Erschöpfungsdepression hingegen wäre unpassend gewesen.

 

 

 

 

Einspruch:

Es mag vielleicht üblich sein, (vor allem bei jahrelangen Misshandlungen welcher hier übrigens weder angeklagt noch nachgewiesen wurden!) ein am 14.08.20001 aufgrund einer Misshandlung am 12.08.2001 erstelltes Attest erst 9,5 Monate später zu "zücken", oder gar die am 12.08.2001 stattgefundene Misshandlung erst Anfang 2003 anzuzeigen, aber es ist sicher nicht üblich und bei Beratungsstellen und anderen beruflich damit Befassten als "normal" bekannt, dass so ein Attest, wenn man direkt danach und genau deswegen beim Arzt war, erst 9,5 Monate später e r s t e l l t wird.

Und von NICHTS anderem hatte die Kammer 2006 in der Verhandlung unter Leitung von Brixner auszugehen.

Denen wurde damals ja nicht erzählt, dass sie das erste Attest verloren hat und deswegen dann 9,5 Monate später ein zweites sich hat ausstellen lassen. Schon alleine deswegen nicht, weil KEINER danach g e f r a g t hat und, weil dank Brixners Daumen, ja kein anderer, außer Brixner, von seiten der Kammer hätte drauf kommen können ;-)

Zweiter Einspruch, es stimmt ja nicht, dass Dr. R die Schürfwunden am Rücken "übersehen" hat, er hat sie doch ins Krankenblatt geschrieben.

Aber halt nicht ins Attest.

W a r u m hätte nicht sei Geheimnis bleiben müssen, wäre er in der WAV danach gefragt worden ;-)

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Sehr geehrte Kommentatoren,

da der Angeklagte in allen Punkten freigesprochen wurde, ist die Frage, ob die Revision zulässig ist, davon abhängig, ob man trotzdem eine Beschwer bejahen kann. Ohne Beschwer ist ein Rechtsmittel unzulässig, weshalb es auch grds. keine Revision des Angeklagten gegen einen Freispruch gibt.

Für eine Beschwer in Frage kommt hier entgegen dem genannten Grundsatz

1. die Feststellung einer rechtswidrigen Tat der gefährlichen Körperverletzung am 12.08.2001, und

2. der Grund für den Freispruch von dieser Tat wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit (Annahme von § 63 StGB in dubio pro reo).

Ich halte den ersten Punkt für den naheliegenderen, da die positive Feststellung, man habe (wenn auch im schuldunfähigen Zustand) lebensgefährdende Gewalt gegen seinen Ehepartner verübt, geeignet ist, die Person in der Öffentlichkeit erheblich zu belasten, auch wenn wegen dieser Tat ein Freispruch mangels nachweisbarer Schuld erfolgt.

Der zweite Punkt begründet weniger naheliegend eine Beschwer, da der Zustand der Schuldunfähigkeit und evtl. zugrundeliegende psych. Erkrankungen bzw. Störungen NICHT vom Gericht festgestellt wurden (insofern liegt "Menschenrechtler" FALSCH), sondern nur aufgrund des Zweifelssatzes zur Rechtsfolge Freispruch führten. Allerdings beruht auch diese Annahme auf Feststellungen des Gerichts bezüglich der Indizien, die für eine Schuldunfähigkeit im Jahre 2001 sprechen sollen. Diese Feststellungen über Verhaltensweisen, die immerhin den Verdacht einer Wahnerkrankung auslösen konnten, sollten m.E. auch als Beschwer anerkannt werden.

Menschenrechtler schreibt:

Der Nachweis einer Persönlichkeitsstörung lässt sich nach vielen Jahren rückwirkend insofern nicht erbringen, da diese im Hier und Jetzt auch nicht vorliegt. Hätte bei Herrn Mollath bei angeblicher Begehung der ihm unterstellten Taten im August 2001 wirklich eine schwere psychische Störung vorgelegen, dann wäre diese ja nicht plötzlich - noch dazu ohne jegliche Therapie! - zum heutigen Zeitpunkt nach 13 Jahren verschwunden!! Wer heute unter keiner schweren Persönlichkeitsstörung, leidet, bei dem konnte sie mit Sicherheit auch vor über zehn Jahren nicht vorhanden sein.

Diese Annahmen sind in mehrfacher Hinsicht falsch. Bei GM wurde erstens gar keine psychische Erkrankung festgestellt (s.o.), sondern diese nur nicht ausgeschlossen. Und hinter den übrigen Aussagen steckt die vorurteilsbehaftete Fehlannahme, psychische Krankheiten würden sich über die Zeit hinweg weder in qualitativer noch quantitativer Hinsicht verändern (nach dem Motto: "einmal krank immer krank, und wer heute nicht krank ist, kann es auch vor 13 Jahren nicht gewesen sein"). Diese Aussagen sind sicher "gut gemeint", aber sie enthalten auch eine potenzielle Diskriminierung von psychisch Kranken.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrte Kommentatoren,

da der Angeklagte in allen Punkten freigesprochen wurde, ist die Frage, ob die Revision zulässig ist, davon abhängig, ob man trotzdem eine Beschwer bejahen kann. Ohne Beschwer ist ein Rechtsmittel unzulässig, weshalb es auch grds. keine Revision des Angeklagten gegen einen Freispruch gibt.

Für eine Beschwer in Frage kommt

1. die Feststellung einer rechtswidrigen Tat der gefährlichen Körperverletzung am 12.08.2001

2. der Grund für den Freispruch von dieser Tat wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit (Annahme von § 63 StGB in dubio pro reo)

Ich halte den ersten Punkt für den naheliegenderen, da die positive Feststellung, man habe (wenn auch im schuldunfähigen Zustand) lebensgefährdende Gewalt gegen seinen Eheprarnter verübt, geeignet ist, die Person in der Öffentlichkeit erheblich zu belasten, auch wenn wegen dieser Tat ein Freispruch mangels nachweisbarer Schuld erfolgt.

Der zweite Punkt ist weniger naheliegend eine Beschwer, da der Zustand der Schuldunfähigkeit und evtl. zugrundeliegende psych. Erkrankungen bzw. Störungen gar nicht vom Gericht festgestellt wurden (insofern liegt "Menschenrechtler" FALSCH), sondern nur aufgrund des Zweifelssatzes zur Rechtsfolge Freispruch führten. Allerdings beruht auch diese Annahme auf Feststellungen des Gerichts bezüglich der Indizien, die für eine Schuldunfähigkeit von GM im Jahre 2001 sprechen sollen. Diese Feststellungen über Verhaltensweisen, die immerhin den Verdacht einer Wahnerkrankung auslösen konnten, sollten m.E. auch als Beschwer anerkannt werden.

Menschenrechtler schreibt:

Der Nachweis einer Persönlichkeitsstörung lässt sich nach vielen Jahren rückwirkend insofern nicht erbringen, da diese im Hier und Jetzt auch nicht vorliegt. Hätte bei Herrn Mollath bei angeblicher Begehung der ihm unterstellten Taten im August 2001 wirklich eine schwere psychische Störung vorgelegen, dann wäre diese ja nicht plötzlich - noch dazu ohne jegliche Therapie! - zum heutigen Zeitpunkt nach 13 Jahren verschwunden!! Wer heute unter keiner schweren Persönlichkeitsstörung, leidet, bei dem konnte sie mit Sicherheit auch vor über zehn Jahren nicht vorhanden sein.

Diese Annahmen sind in mehrfacher Hinsicht falsch. Bei GM wurde erstens gar keine psychische Erkrankung festgestellt (s.o.), sondern diese nur nicht ausgeschlossen. Und hinter den übrigen Aussagen steckt die vorurteilsbehaftete Fehlannahme, psychische Krankheiten würden sich über die Zeit hinweg weder in qualitativer noch quantitativer Hinsicht verändern (einmal krank immer krank, wer heute nicht krank ist, kann es auch vor 13 Jahren nicht gewesen sein). Die Aussagen sind sicher "gut gemeint", aber sie enthalten auch eine potentzielle Diskriminierung von psychisch Kranken.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Das würde ja,wenn ich das mal etwas "volkstümlich" zusammenfassen darf, bedeuten, dass so ein langes, schwieriges und hochkomplexes Studium wie Jura plus mehrere Staatsexamen am Ende dazu führt, dass sich ein Gericht lediglich des Kunstgriffs der doppelten Verneinung bedienen muss, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen?

In dem es sagt, dass es nicht auszuschließen ist, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund möglicherweise vorhandener psychischer Probleme nicht uneingeschränkt steuerungsfähig war?

Eine Aussage, die auf jeden zutrifft, j e d e n.

GM, PM, PS, MR, MM, Frau Escher, Herrn Meindl, Herrn Strate, Max Mustermann, Lutz Lippke, Herrn Kolos, Atropa Belladonna, Menschenrechtler, mich, auf egal wenn.

Und das sogar mit, aber auch ohne jegliche (fach-)medizinische Untersuchung. Deswegen musste man dabei ja auch die Aussage des SVs nicht zwingend beachten.

Hätte dazu nicht ein Linguistik Studium gereicht?

Oder vielleicht sogar ein Rhetorik-Kurs?

Und ich bitte Sie, lieber Herr Prof. Müller, das ausdrücklich nicht auf Sie persönlich zu beziehen, mir ist durchaus bewußt, dass Sie ja nur der "Überbringer" der Botschaft sind und nicht der Erfinder ;-)

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Sehr geehrte/r f&f,

auch ein Jurastudium führt nicht dazu, dass man in die Lage versetzt wird, Unaufklärbares aufzuklären. Wenn die Fakten nicht mehr ermittelbar sind, dann bedarf es der Anwendung von Regeln, wie man bei unklarer Faktenlage zu entscheiden hat. Im Strafrecht liegt die Beweislast für die schuldhafte Verwirklichung eines Straftatbestands  beim Staat. Ihre Polemik gegen die Rechtswissenschaft geht also an der Sache vorbei, auch wenn Sie gar nicht mich persönlich meinen.

Die Frage, es sei nicht auszuschließen, dass jemand schuldunfähig war, darf in der Tat eben nicht getroffen werden, wenn es für einen solchen Ausschluss keine (hinreichenden) Anhaltspunkte gibt. Das Gericht stützt sich dafür auf Indizien, etwa Berichte über Verhaltensweisen und Äußerungen von Herrn Mollath (z.B. in der HV vor dem AG) und auf den Eindruck, den seine früheren Schreiben bei einigen erzeugt haben. Auch dem Gutachten von SV Nedopil meint das Gericht Anhaltspunkte erntnehmen zu können. Ich halte das für nicht hinreichend, wie ich oben in meinem Beitrag ja schon geschrieben habe. Ich zitiere das noch einmal:

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrte/r f&f,

auch ein Jurastudium führt nicht dazu, dass man in die Lage versetzt wird, Unaufklärbares aufzuklären. Wenn die Fakten nicht mehr ermittelbar sind, dann bedarf es der Anwendung von Regeln, wie man bei unklarer Faktenlage zu entscheiden hat. Im Strafrecht liegt die Beweislast für die schuldhafte Verwirklichung eines Straftatbestands  beim Staat. Ihre Polemik gegen die Rechtswissenschaft geht also an der Sache vorbei, auch wenn Sie gar nicht mich persönlich meinen.

Die Frage, es sei nicht auszuschließen, dass jemand schuldunfähig war, darf in der Tat eben nicht getroffen werden, wenn es für einen solchen Ausschluss keine (hinreichenden) Anhaltspunkte gibt. Das Gericht stützt sich dafür auf Indizien, etwa Berichte über Verhaltensweisen und Äußerungen von Herrn Mollath (z.B. in der HV vor dem AG) und auf den Eindruck, den seine früheren Schreiben bei einigen erzeugt haben. Auch dem Gutachten von SV Nedopil meint das Gericht Anhaltspunkte erntnehmen zu können. Ich halte das für nicht hinreichend, wie ich oben in meinem Beitrag ja schon geschrieben habe. Ich zitiere das noch einmal:

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Prof. Müller,

es gibt gute Gründe Sie von persönlicher Kritik freizuhalten. Ich vermute, dass das f&f nicht anders einschätzt, was ja seinem Nachsatz zu entnehmen ist.

Trotzdem muss ich die Kritik an der Lehre aufgreifen und hier nachfragen. Es gibt ja in den meisten Wissenschaftszweigen grob die beiden Ausrichtungen Theorie/Grundlagenforschung und Anwendungsforschung. In der Anwendung(sforschung) wird nicht selten aus pragmatischen Gründen iterativ mit der Methode trial and error vorgegangen. Das hat natürlich auch etwas mit der Marktwirtschaft zu tun. Die wäre im Recht wohl mit dem Ringen der Parteien um Gesetze zu verbinden. Natürlich sind die Erkenntnisse daraus auch Gegenstand einer theoretischen Forschung. Dazu benötigt man jedoch tiefgreifende Evaluationen. Dazu sieht es doch in der Justiz und Politik ziemlich mau aus, oder? Ich vermute Sie und auch Dr. Strate leisten dazu Pionierarbeit.

Noch viel Wesentlicher in der Theorieforschung ist jedoch der Bereich Modelle und Methoden. Diese werden durch grundlegende, häufig abstrakte, aber in sich schlüssige Forschungsmethoden aufgestellt und überprüft. Nun ist es so, dass mir zum juristischen Bereich dazu Nichts einfällt. Das liegt gewiss an meiner Unkenntnis. Könnten Sie dazu ein paar einführende Quellen bzw. Überblicksartikel benennen, damit man sich einen besseren Eindruck verschaffen kann?

Vielen Dank

Lutz Lippke

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Ich hätte mal 2 verfahrenstechnische Frage an die Juristen.

Ermittlungen zu Attesten und Dateien

Zur Genese der Atteste wurde am 5.8.14 durch das Gericht ein Untersuchungsauftrag an die Polizei gegeben. Es gab also noch Ermittlungsbedarf. Üblich ist es ja, dass das Gericht Nachermittlungen der StA aufträgt.

Nach Bekanntwerden der falschen Zuordnung des Ausstellers des Attests vom 3.6.14 im Dezember 2012 ermittelte der OStA persönlich in der Praxis und vernahm Anfang 2013 den Zeugen R. Am 18.3.13 fertigte er den "gültigen" Wiederaufnahmeantrag, in dem das Attest vom 3.6.02 eine entscheidende Rolle spielt. Erst danach im Sommer 2013 ging das Attest datiert vom 14.8.01 der Staatsanwaltschaft zu. Mir ist nicht bekannt, ob nach dem Auftauchen des Attestes vom 14.8.01 durch die StA noch Ermittlungen aufgenommen wurden. Hätten Ermittlungen aufgenommen werden können oder vielleicht sogar müssen? Gab es formale Hinderungsgründe? Wie ist das geregelt?

Die 2. Frage betrifft § 250 StPO

§ 250
[Grundsatz der persönlichen Vernehmung]

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden.

 

Dieser Grundsatz steht doch einer Verwendung der protokollierten Aussagen der NK als Ersatz für eine Vernehmung in der HV entgegen, oder?

Jetzt vermute ich mal, dass dieser Grundsatz durch die Vernehmung der Zeugen und das Attest ersetzt wurde, indem die Zeugen und das Attest die früheren Aussagen der NK beweisen. Ist das so richtig erfasst?

Meine Fundstelle zum § 250 StPO ist der Minderheitenbericht vom Untersuchungsausschuss vom 09.07.2013 Seite 16 Anmerkung 63. Dort geht es allerdings um das Attest vom 3.6.02 und die versäumte Zeugenvernahme der Madeleine R. im Vorverfahren.

http://www.gruene-fraktion-bayern.de/sites/default/files/minderheitenber...
mollath_09.07.2013.pdf

 

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Ergänzung #26: Was die Mindermeinungen angeht, es gibt sie bestimmt, aber ich kann sie hier in der gebotenen Kürze nicht darstellen.

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@ Gast #16 vom 27.01.2015

Mit vorgelesenen Zeitangaben (Vorfallsatum und Ausstellungsdatum des Attests) hätte der Richter nicht nur dem Schöffen Westenrieder, sondern im vor allem auch den anwesenden Juristen (Berichtererstatterin Richterin H., RA des Angeklagten, StA) erklären müssen, warum es kein Attest vom Ausstellungstag, also dem 14.08.01 gibt, sondern eines das erst 9,5 Monate später erstellt worden ist. Es hätte Diskussionen gegeben ob jemand, der mit seiner Frau vor sehr langer Zeit, also vor 5 Jahren, eine einzige, nur mittelbar attestierte körperliche Auseinandersetzung in einer Trennungssituation gehabt hat, also überdies noch eine hochpersonalisierte Beziehungstat begangen haben soll, überhaupt für die Allgemeinheit gefährlich sein könne.

Und das Worstcaseszenarium wäre dann gewesen, dass doch jemand auf die Idee gekommen wäre, man müsste angesichts dieser Umstände zumindest den Arzt nachladen, der sich angeblich in Urlaub befand, aber tatsächlich, und aus gutem Grund, weil er damals noch nicht in die Scharade eingeweiht war, gar nicht auf der Zeugenladungsliste gestanden ist.

Ja, und dann hätten sich die anwesenden Juristen auch gleich noch fragen können, wie es sein kann, dass ein Zeuge, der nie geladen worden war, denn überhaupt absagen kann, bzw. dessen Mutter für sich selber und für ihn.

Vielleicht hätten sie auch überlegt woher, bzw. von wem der vors. Richter weiß, bzw. wie es sein kann, dass für den Sohn der Ärztin absagt werden kann, wo das Attest doch nur auf den Namen seiner Mutter hingewiesen hat und wo im übrigen generell keine telefonische Absage stattgefunden kann von Zeugen, die nie geladen worden sind.

Der Schreibfehler, also Vorfall von 2004 und nicht richtigerweise von 2001 stand im Urteil, auf dem damals vorgelegten Attest stand das richtige Vorfallsdatum, nämlich der 12.08.2001.

Ja, wer sollte das Datum im Urteil, das dem BGH zuging wohl falsch geschrieben haben? Normalerweise werden diese Urteile der großen Strafkammer von drei Berufsrichtern gelesen und unterschrieben, denke ich. – Die Position eines beisitzenden Berufsrichters war kurioserweise überhaupt nicht besetzt und die Unterschrift der Berichterstatterin und beisitzenden Richterin fehlt, irgendwie wird das mit ihrem Urlaub begründet. Ich weiß allerdings nicht warum man ihr das Urteil nicht nach ihrem Urlaub zum lesen und unterschreiben vorgelegt hat. – Sie selber bezeichnet das von ihr ursprünglich verfasste Urteil im WAV als Urteilsentwurf, nach dessen Anfertigung sie in Urlaub gefahren sei.

Im Endeffekt steht auf dem Urteil nur eine einzige Unterschrift.

Warum soll sich denn der Schöffe Westenrieder die Sache mit dem Daumen auf dem Datum ausgedacht haben und die Sache, dass während der Verhandlung nie von den 5 Jahren Abstand zwischen Tatvorgang und Prozess die Rede war und dann noch dem Umstand, dass aus dem Attest keine Daten vorgelesen worden sind (Tag des Vorfalls und Tag der Untersuchung)?

Die Schürfwunden kann der Arzt nicht „übersehen“ haben weil er sie in seiner Patientenakte selber erwähnt hat. Sie werden auch nicht „nur noch“ geringfügig ausgeprägt gewesen sein, weil der Sprung aus dem fahrenden Auto erst vier Tage vor der Untersuchung gewesen ist.

 

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