OLG Düsseldorf: Keine Haftentschädigung nach Doppelbelegung und offener Toilette

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 29.07.2008

Sachverhalt:

Der Kläger war im Jahr 2006 für eine Ausbildungsmaßnahme in die JVA Geldern verlegt worden. Bei der Aufnahme war er auf die Belegungssituation und die wegen Umbauarbeiten wahrscheinlich anstehende Doppelbelegung hingewiesen worden. Von März  bis August 2006 war er dann in einer 8 m² großen, an sich für nur einen Strafgefangenen vorgesehene Zelle mit einem weiteren Gefangenen untergebracht. In dem Haftraum befand sich eine offene Toilette, bei der lediglich eine Bretterwand als Sichtschutz diente. Ende März 2006 hatte er einen Einzelhaftraum beantragt. Weitere Beschwerden oder Anträge an die zuständige Strafvollstreckungskammer stellte er nicht.

Inhaftierter hätte sich um Abhilfe bemühen müssen

Das LG Kleve wies am 15.2.2008 die Schmerzensgeldklage ab (Az.: 1 O 238/07). Zur Begründung führte das LG aus, dass die Unterbringung von zwei Personen in einem Einzelhaftraum mit offener Toilette zwar menschenunwürdig sei, jedoch der Gefangene es versäumt habe, Abhilfe zu suchen, etwa durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an die zuständige Strafvollstreckungskammer.

Keine besonders schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts

im übrigen fehle es im konkreten Fall an einer besonders schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Dem Kläger sei eine Doppelbelegung  für einen Zeitraum von nur wenigen Wochen zugemutet worden und schwerwiegende Nachteile, etwa für seine Gesundheit, hätten sich nicht ergeben. Wegen der notwendigen Umbauarbeiten habe auch ein nachvollziehbarer Grund für die zeitweise Doppelbelegung bestanden. Das OLG Düsseldorf hat sich im Beschluss vom 3.7.2008 der Begründung des LG angeschlossen und den Antrag des Gefangenen abgelehnt, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren (I-18 U 96/08). Der Beschluss ist unanfechtbar.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Der Kläger hatte doch offensichtlich um eine Verlegung gebeten, welche abgelehnt wurde (wohl weil es gar keine anderen Optionen gab). Wie hätte er dann noch auf die Idee eines Antrages auf einstweilige Anordnung kommen sollen?

Dazu passt ein Fall eines Kollegen, dessen Mandant in einer noch schlimmeren Situation (drohende Vergewaltigung durch Mitgefangenen) für den Verlegungsantrag noch nicht einmal PKH erhalten hat. Anwaltlicher, rechtskundiger Beistand wird den Strafgefangenen so verwehrt. Gibt es für Strafgefangene keine Rechte?

0

Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin Schwinge,

auffällig ist, dass man von diesen Fällen nicht im Zusammenhang mit Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern liest, sondern erst durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen erfährt, in denen es um Schmerzensgeld geht.

Im Zusammenhang mit Ihrer Zuschrift noch ein Hinweis auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 18.12.2007 - 18 U 189/07 - mit folgenden amtlichen Leitsätzen:

(1) Die Unterbringung mehrerer Gefangener in einem dafür vorgesehenen Haftraum verletzt nicht als solche die Menschenwürde. Das gilt auch, wenn die Mitgefangenen rauchen.

(2) Die Entschädigung für die Unterbringung in einem Einzelhaftraum gemeinsam mit einem anderen Gefangenen ist mit 15 € täglich nicht zu niedrig bemessen. Das gilt auch, wenn der Mitgefangene raucht.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd von Heintschel-Heinegg

0

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des OLG Karlsruhe zu erwähnen (Urteil vom 16.12.2008, 12 U 39/08). Es hat dem Gefangenen nicht nur Schmerzensgeld wegen menschenunwürdiger Unterbringung zugebilligt, sondern dem beklagten Land BW auch die Hilfsaufrechnung wegen noch offener Strafverfahrenskosten mit Blick auf § 242 BGB verwehrt.

So heißt es unter anderem:

"Dieser Genugtuungsfunktion würde man nicht gerecht, wenn man eine Aufrechnung des beklagten Landes mit dem Anspruch auf Erstattung der Strafverfahrenskosten zulassen würde. Die besondere Genugtuung, dass der unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebrachte Gefangene tatsächlich eine Entschädigung in Geld von dem die Menschenwürde verletzenden Staat erhält, ist nicht mehr gegeben, wenn der Staat diese Forderung durch Aufrechnung mit eigenen Forderungen begleichen könnte. Die Verletzung der Ehre und Würde des einzelnen Strafgefangenen bliebe letztlich ohne spürbare Sanktion."

0

Kommentar hinzufügen