Extremberglauf zur Zugspitze im Juli: Strafbefehl beantragt

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.11.2008

Bei dem Extremerglauf zur Zugspitze im Juli dieses Jahres mit 600 Läufern gerieten die Sportler auf dem Weg zum Gipfel in ein Schneetreiben und eisige Winde. Zwei Teilnehmer im Alter von 41 und 45 Jahren brachen zusammen und starben an Unterkühlung. Weitere Sportler mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Teilweise trugen die Sportler über 16,1 km und rund 2000 Höhenmeter nur kurze Hosen und T-Shirts.

Diese Woche hat die Staatsanwaltschaft München II einen Strafbefehl gegen den Veranstalter des Laufs wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen mit 90 Tagessätzen beim Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen beantragt. Der Veranstalter hätte angesichts des schlechten Wetters bei dem Lauf schlecht ausgerüstete Läufe gar nicht erst starten lassen dürfen oder für ausreichende Ausrüstung sorgen müssen. Angesichts des Wetterumschwungs hätte er den Zieleinlauf in untere Höhenlagen verlegen müssen.

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6 Kommentare

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"Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um" ist ein Sprichwort und kein Rechtssatz. Rechtlich gesehen gibt es aber den Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Wer an einem solchen Lauf teilnimmt, kennt das Risiko. Jeder weiß auch, daß es weiter oben kälter wird und schneien kann, wenn es unten noch regnet. Wer bei solchen Verhältnissen mit kurzer Hose und kurzem Laufshirt losläuft, ist zunächst einmal selbst (und für sich selbst) verantwortlich. Das gilt ganz unabhängig davon, daß sich der Lauf richtiger Weise auch "Extremlauf" nannte. Unter Läufern ist es sehr wohl bekannt, daß es auch bei Marathonläufen bei normalen Temperaturen und im Flachland zu Todesfällen kommen kann. Beim Stuttgarter Halbmarathon gab es z.B. vor zwei Jahren 2 Todesfälle und das bei 21km Länge im Juni in der Stadt. Jeder der an Läufen teilnimmt ist zunächst einmal selbst dafür verantwortlich, daß er gesund, dafür vorbereitet und (falls extreme klimatische Verhältnisse vorliegen) auch dafür ausgerüstet ist. Eine strafrechtliche Verantwortung der Veranstalter käme allenfalls dann in Betracht, wenn sie "aufgrund überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfaßt" hätten "als der sich selbst Gefährdende" (BGH in NStZ 85, 25). Kann das die Staatsanwaltschaft begründen?

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Die Medien werden - sollte es zu einer Hauptverhandlung kommen - hoffentlich hierüber berichten. Ich darf noch eine weitere mögliche Pflichtverletzung in die Diskussion einbringen, nachdem ich zunächst nur die Auffassung der Staatsanwaltschaft referiert habe: Wer sich zu einem Verhalten anschickt, dessen Risiko für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter er nicht beurteilen kann, muss sich erkundigen (wie wird das Wetter?). Roxin AT/I § 24 Rn. 36 fasst das kurz wie folgt zusammen: "Wer etwas nicht weiß, muss sich informieren; wer etwas nicht kann, muss es lassen." So könnte auch der Gedanke des Übernahmeverschuldens eine Rolle spielen.

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Man sollte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass gegen den Veranstalter in einem der Vorjahre von Seiten der Teilnehmer juristisch vorgegangen wurde, weil er einen Lauf wetterbedingt abgesagt hatte.

Wie man's macht, macht man's falsch.

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Mittlerweile wird berichtet, der Veranstalter habe gegen den Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen mit einer Geldstrafe von 13500 Euro Einspruch eingelegt. (Quelle)

Und am Sonntag veranstaltet er den nächsten Extremberglauf auf die Zugspitze. Ob das Wetter diesmal besser ist?

Auf der Homepage heißt es: "Nach langer Überlegung, dem vielfachen Wunsch von Teilnehmern und Sponsoren, sowie aus der eigenen Überzeugung des getgoing Teams, haben wir beschlossen den Lauf weiter zu veranstalten. Die tragischen Vorkommnisse beim Lauf 2008 sollen dabei allen Bergsportlern, die in Zukunft teilnehmen wollen, eine massive Warnung sein. Wir bitten alle Teilnehmer den Opfern zu gedenken. Unsere tiefe Betroffenheit als Veranstalter möge und sollte auch allen Teilnehmern bewußt sein. Wir werden immer an Uwe Moldenhauer und Hans Pöschl denken..."

Die Berge sind halt Natur pur - und die Natur hält a) oftmals Überraschungen in der Hinterhand und sitzt b) immer am längeren Hebel. Schon ein "einfacher Spaziergang" in einem alpinen Umfeld (auch wenn's "nur" durch Hochtäler geht) kann tödlich sein. Das gilt dann erst Recht für einen Berglauf. Das sollte und muß jedem klar sein, der sich in einem solchen Umfeld bewegt, sich für eine solche Veranstaltung anmeldet und darüber vorher mehr als nur eine Sekunde nachdenkt.

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Sehr geehrter Herr le D,

das "Sollen und Müssen" auf der einen Seite (der Opferseite) ist wohl recht fraglos vorhanden. Ob aber daneben auch noch eine Verantwortlichkeit des Veranstalters besteht, ist eine doch berechtigte Fragestellung. Ich sehe, dass diese nicht ad hoc bejaht oder verneint werden kann. Aber man muss sich zum Beispiel fragen, ob nicht derjenige, der an einem "veranstalteten" Rennen (mit Ordnern etc.) teilnimmt, anders als der, der sich ganz allein auf den Weg in die Natur aufmacht, doch noch mit einer gewissen Fürsorge/Gefahrenvorsorge des Veranstalters rechnen kann und darf. Im Extremfall: Würde die Strecke von einem Erdrutsch bedroht, und wüsste der Veranstalter davon, dann müsste er die Teilnehmer sicher warnen, während dann, wenn jemand allein in den Bergen wandert, er dieses Risiko natürlich ganz allein trägt.

Ob sich dieses übertragen lässt auf die erkennbar zu leichte Kleidung, die erkennbare Erschöpfung etc., muss dann noch entschieden werden. Ich tendiere dazu, dass derjenige, der einen "Extrem"-lauf ausrichtet und damit andere verleitet, sich "extrem" anzustrengen, auch mit darauf achten muss, dass sich Menschen nicht selbst gefährden in einer Situation, in der sie dann durch Erschöpfung, Verkühlung (also Extrema, zu denen sie verleitet wurden) etc. nicht mehr in der Lage sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

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