Prozessauftakt im Mordfall der Journalistin Anna Politkovskaja

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 18.11.2008

Sie war bis zur Selbstaufgabe engagiert, um über Menschenrechtsverletzungen und Korruption in ihrem russischen Heimatland und Kriegsverbrechen in Tschetschenien zu berichten. In ihrem zwischen Dezember 2003 und September 2005 entstandenen "Russischem Tagebuch" (auf Deutsch im vergangenen Jahr erschienen) schildert sie Putins Kampagne zu seiner Wiederwahl und endet mit der Frage: Habe ich Angst? Es ist ein sehr bewegendes Protokoll des Grauens über Menschen, die entweder verschwinden oder umgebracht werden. Der Leser erfährt aber auch viel über den Zustand der Justiz in Russland.

Am Nachmittag des 7.10.2006 stirbt die unerschrockene Journalistin Anna Politkovskaja im Lift ihres Moskauer Wohnhauses. Vier Schüsse werden auf sie abgefeuert, der letzte in den Kopf, ein sog Kontrollschuss. Sie wusste, dass sie ihr Engagement irgendwann das Leben kosten würde und versuchte, die ihr verbleibende Zeit zu nutzen.

Am Montag begann der Mordprozess in Moskau. Er soll öffentlich stattfinden, wird aber kaum zur Aufklärung beitragen. Der mutmaßliche Todesschütze ist flüchtig. Vor Gericht stehen seine beiden Brüder, ein ehemaliger Polizeioffizier und ein früherer Geheimdienstoberst.

Die ebenso unermüdliche wie mutige Journalistin - postum mehrfach für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vorgeschlagen - sollte nicht in Vergessenheit geraten! Ihr "Russisches Tagebuch" hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Politischer Auftragsmord für kritische Berichte?

Hinter dem Mord an der kremlkritischen Journalistin Anna Politkovskaja soll nach Angaben eines der Strafverteidiger ein russischer Politiker stehen, der in der Anklageschrift nicht namentlich genannt sei. Die Staatsanwaltschaft teilte dagegen mit, der Auftraggeber des Mordes sei bis heute unbekannt.

Seit der Ermordung Politkovskajas wird über die Hintermänner der Tat spekuliert. Einer der Ermittler behauptete, der im Londoner Exil lebende Oligarch Boris Beresowski stehe hinter der Tat. Dagegen bringen Kollegen der Journalistin die von Moskau gestützte Führung der Teilrepublik Tschetschenien um Präsident Ramsan Kadyrow mit dem Mord in Verbindung.

0

Agentur Interfax meldet: Unbekannte Hintermänner sollen für den Auftragsmord 2 Millionen US-Dollar (ca. 1, 57 Millionen Euro) gezahlt haben. Das habe ein Zeuge, der nicht direkt an der Tat beteiligt gewesen sei, am Freitag im Prozess um den Mord vor dem Militärgericht in Moskau ausgesagt. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt, weil die Vernehmung nicht öffentlich war. In der Anklageschrift ist laut Verteidigung ein namentlich nicht erwähnter russische Politiker genannt.

0

Kommentar hinzufügen