Weit sind wir gekommen - Verkehrskontrollen mit DNA-Entnahme

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 11.01.2009

Die Ludwigsburger Kreiszeitung meldet etwas doch sehr Bedenkliches. Offenbar bedient sich die Polizei der Möglichkeit zur Durchführung einfacher Verkehrskontrollen, um an DNA-Proben der Fahrzeugführer zu gelangen. Wer dann auch noch bei der "normalen Kontrolle" auffällt, wird "verstärkt um die Abgabe einer Speichelprobe gebeten".

Die Polizeidirektion Ludwigsburg laut Ludwigsburger Kreiszeitung:

"Niemand werde von der Polizei zum Mitmachen bei einem DNA-Test gedrängt – die Abnahme des genetischen Fingerabdrucks im Rahmen normaler Kontrollen erfolge freiwillig und unter strikter Wahrung der rechtlichen Bestimmungen. Richtig aber sei, dass der Gentest per Speichelprobe bei Verkehrskontrollen im Raum Ludwigsburg-Heilbronn mittlerweile Routine sei. Schließlich hat die Polizistenmörderin von der Heilbronner Theresienwiese auch im Kreis ihren genetischen Fingerabdruck hinterlassen – so in Gronau und Kornwestheim. Deshalb, sagt ein Sprecher der Polizeidirektion Heilbronn, deren Sonderkommission Parkplatz die Jagd nach der unbekannten Schwerstkriminellen leitet, würden bei normalen Kontrollen auffällige Personen auch verstärkt um die Abgabe ihrer Speichelprobe gebeten."

Meine Frage: Gibt es einen Unterschied zu dem vor einigen Monaten in der SVR besprochenen Entscheidung des OLG Oldenburg, Urteil vom 24. 9. 2007 – Ss 218/07 (= SVR 2008, 386), in der Polizisten wegen Nötigung verurteilt worden waren? Die Beamten hatten formal eine "Kontrolle" durchgeführt, jedoch mit dem weiteren Ziel mit den kontrollierten (weiblichen)  Fahrzeuginsassen von “optisch angenehmer Erscheinung” in Kontakt zu kommen.

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17 Kommentare

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Die Frage kann ja wohl nicht ernst gemeint sein.

Oder ist Ihnen tatsächlich nicht der Unterschied zwischen einer (freiwilligen) Speichelprobe im Rahmen der Fahndung nach einem Serienmörder und dem Begrapschen weiblicher Verkehrsteilnehmer zur Behebung eines privaten sexuellen Notstands plausibel??

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@john doe
Sie haben Recht - natürlich ist da ein erheblicher Unterschied zwischen den geschilderten Fällen.
Der Sachverhalt ist hier ja nur sehr kurz aus dem Zeitungsbericht zu entnehmen. Man weiß nicht, was für Kontrollen durchgeführt werden, mit welchem Ziel und wie. Ist aber das Überreden zu einer DNA-Entnahme das eigentliche Ziel, so hat das mit der Kontrolle doch wohl wenig zu tun.

Also: wie ist das nun mit Kontrollen, die die Polizei durchführt, deren Zweck aber nicht die Kontrolle selbst ist, sondern "irgendein anderer"? Ob der Zweck gut oder schlecht ist, dürfte doch für die rechtliche Einschätzung ohne Bedeutung sein, oder?!

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Okay, der Landkreis Ludwigsburg wandert also auch auf meine "Bloß gut, dass ich da nie hinmuss"-Liste...

Zumal ich als Schwarzseher mitunter Zweifel an der "Freiwilligkeit" der Tests habe.
Ich will nicht unterstellen, dass man da böswillig drängt, jedoch mache ich mein Antwortverhalten bei Polizeikontrollen auch davon abhängig, wie "verkehrssicher" ich mein gerade gefahrenes Auto einschätze...

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Hallo Herr Krumm,
wo soll im vorliegenden Fall die Nötigungshandlung sein?

Darüber hinaus ist der Zweck einen Straftäter aufzufinden nicht verwerflich. Höchstens die Zweck-Mittel-Relation. Da gibt aber die StPO Anhaltspunkte, indem sie eine Einwilligung fordert.

Wenn diese vorliegt kann es doch gar nicht verwerflich sein; zudem fehlt es dann auch an einer Nötigungshandlung. Ist die Einwilligung erzwungen haben wir sowohl eine Nötigungshandlung, als auch die Verwerflichkeit.

Grüße

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Die Verwerflichkeit kann man durchaus annehmen. Betrachtet man nämlich das gefährdete Rechtsgut und hält sich vor Augen, dass die Polizei sich durchaus bewußt ist, eben keinen Massengentext durchführen zu können, dann stellt alleine die so erfolgte (oder versuchte) Umgehung der relevanten StPO-Vorschriften meines Erachtens nach eine eine verwerfliche Handlung dar.
Die Nötigung bewirkt im Übrigen gerade, dass eine bestimmte Handlung vorgenommen wird - in diesem Falle Erkärung der Freiwilligkeit. Lediglich, wenn "echte" Freiwilligkeit vorliegt, ist zumindest kein Nötigungserfolg gegeben.
Immer unter der Voraussetzung natürlich, dass tatsächlich eine Nötigungshandlung besteht. Das OLG Oldenburg (s.o.) hat den bereits in der Ausübung hoheitlicher Machtbefugnisse und dem damit einhergehenden Zwang, sich den Maßnahmen zu unterwerfen, Gewalt i.S.d. § 240 StGB gesehen. Dem kann ich nur zustimmen.

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"...Ausübung hoheitlicher Machtbefugnisse und dem damit einhergehenden Zwang, sich den Maßnahmen zu unterwerfen..." Klingt für mich irgendwie nach psychisch wirkender Zwang. Aber Gewalt ist doch nach BVerfG körperlich wirkender Zwang. Den sehe ich hier nicht. Wo ist der Unterschied zu den Sitzblockadefällen?

Grüße

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Für mich persönlich: Gegenüber staatlichen Organen ist eine weite Auslegung von haftungsbegründenden Normen geboten. Damit sind die Probleme beseitigt. Funktioniert aufgrund der Differenzierung von Polizei als Hoheitsträger und Polizist als Individuum leider nicht.

Wohl rechtlich eher vertretbar hat das OLG in dem Unterwerfungszwang und dem Zwang, keinen Widerstand gegen Hoheitsakte zu leisten, eine physische Zwangswirkung erblickt. Die Argumentation ist im Urteil enthalten. Ich würde dem auch voll und ganz zustimmen, bin aber definitiv kein Strafrechtler.

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Entschuldige bitte. Hier ein kurzer Ausschnitt:

Die Gewalt in Form einer – für den Nötigungstatbestand ausreichenden1 – den Willen des Opfers beugenden Gewaltanwendung (vis compulsiva) lag im Herstellen und Aufrechterhalten einer dem äußeren Anschein nach polizeilichen Kontrolle. Diese hielt nach den Urteilsfeststellungen auch während des gesamten Vorfalls an, bis die Polizisten die Zeuginnen schließlich weiterfahren ließen. Eine Personenkontrolle durch Polizeibeamte ist ein staatlicher Hoheitsakt, dem sich die überprüfte Person zu unterwerfen hat und der für sie demgemäß eine physische Zwangssituation begründet. Diese Zwangslage veranlasst die überprüfte Person, den Anweisungen der Polizeibeamten Folge zu leisten. Sie hat auch wenn sie dies nicht will – die Polizeikontrolle zu dulden, darf sich ihr nicht entziehen und sich ihr nicht widersetzen, andernfalls sie mit einer vorläufigen Festnahme und ggf. mit einer Strafverfolgung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) zu rechnen hat. Der konkrete Ablauf der Kontrollmaßnahme steht im Ermessen des Polizeibeamten. Die überprüfte Person muss deshalb stets eine Intensivierung und Verlängerung der Kontrolle sowie ggf. eine Überprüfung und eingehende Durchsuchung ihres Fahrzeugs gewärtigen. Auch kann sie nicht ausschließen, unter Umständen zur Durchführung weiterer Maßnahmen zur Polizeiwache verbracht zu werden. Eine noch stärkere Erzwingung des Duldens einer polizeilichen Kontrolle besteht, wenn diese – wie hier – nach einem Grenzübertritt durch ausländische uniformierte Polizisten erfolgt.

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Danke.

Ich muss noch mal beim BVerfG und der Sitzblockade einhaken. Ich versteh den Unterschied nicht. Mit der Begründung vom OLG wäre auch bei der Sitzblockade eine physische Gewalt anzunehmen, da die Autofahrer gezwungen waren zu stoppen, sonst hätten sie sich durch das Überfahren der Leute strafbar gemacht (§§ 212, 223ff).
Auch macht sich keiner nach § 113 StGB strafbar, der einer rechtswidrigen Anordnungen nicht folge leistet. Einmal weil widersetzen mE eine aktive Handlung voraussetzt. Andererseits wegen § 113 III 1 StGB.

Also entweder ich habe einen Denkfehler oder ich seh den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Schöne Grüße

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Die Abgrenzung ist sicherlich nicht leicht. Allerdings besteht für mich schon der Unterschied zwischen "einfacher" Sitzblockade und der polizeilichen Kontrolle in der des Zwangs. Bei einer Sitzblockade wird das Weiterfahren durch tatsächliche Umstände verhindert, während bei einer polizeilichen Kontrolle schon die gesetzliche Pflicht zu Hinnahme einen bedeutend höheren Druck entfaltet. Insbesondere auch die Tatsache, dass eben der Normalbürger nicht weiß und auch nicht wissen kann, wie weit die Polizei tatsächlich gehen darf. Auch die möglichen Folgen sind bedeutend ärger. Während die "Sitzenden" eben keine eigene Handlung vornehmen, sind die Polizisten gerade um Ausnutzung des Drucks durch aktives Handeln bemüht.
Vielleicht könnte dazu auch ein Strafrechtler mal Stellung nehmen?

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Danke für die muntere Diskussion

Ich will nochmals kurz zu dem Zeitungsartikel zurück. Wahrscheinlich wird es in "unserem" Fall ja so sein, dass zunächst einmal intensivierte zulässige Kontrollen durchgeführt werden und nur bei Gelegenheit dann auch versucht wird zu DNA-Abgaben zu überreden. Alles andere ist natürlich eher ein schlechtes Gefühl als tatsächlich belegbar. In dem Fall wäre sicher keine Nötigung gegeben.

Wäre der Fall natürlich so, dass nur zu Nichtkontrollzwecken die Kontrollsituation hervorgerufen wird, so wäre das sicher auch trotz des "guten Zwecks" der Verfolgung von Straftätern eine Nötigung, wenn man die Rspr. des OLG Oldenburg zugrunde legt. Ich verstehe die Entscheidung schon so, dass die Duldung der Kontrolle, also das Nichtweggehen-/Nichtwegfahrenkönnen der Nötigungserfolg ist, oder?!

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Ich würde als Nötigungserfolg beim OLG Oldenburg eher das Dulden der sexuellen Annäherungen und das Nichtwegfahren, weniger die Duldung der Kontrolle an sich.

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Heise hat inzwischen auch über den Fall berichtet, siehe
http://www.heise.de/newsticker/Routinemaessige-DNA-Tests-in-baden-wuertt...

Danach wurde die Tat von einer Frau begangen. Völlig unverständlich ist, dass die Polizei (zumindest nach dem Heise-Bericht) auch DNA-Proben von Männern nimmt. Was will die Polizei mit solchen Proben, bei denen von vornherein feststeht, dass ein Abgleich negativ ausfallen wird? Die Polizei geht meiner bescheidenen Meinung nach sehr kreativ mit der Wahrheit um, wenn sie behauptet, dass sie diese DNA-Proben zur Aufklärung des Polizistenmordes braucht. Ich erwarte jedenfalls von einem Polizisten, dass er erkennt, ob er einen Mann oder eine Frau, die sich als Mann ausgibt, vor sich hat.

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die Polizei dieses Kapitalverbrechen dazu missbraucht, sich DNA-Proben zur Aufklärung von Straftaten aller Art zu besorgen, wofür sie nie im Leben einen Massengentest durchführen können dürfte.

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Dazu im Blog von Jens Ferner: http://www.datenschutzbeauftragter-online.de/gentest-am-strasenrand-wird...

Ich stimme aber natürlich zu, dass hier scheinbar versucht wird, die Gendatenbanken ein wenig zu füllen. Mir schwirrt da so eine Überlegung im Kopf rum, wie man auf eine solche Frage reagieren kann:

"Klar bekommen sie meine Gendaten, wenn Sie mir dafür ein Vertragsstrafeversprechen abgeben, dass diese Daten ausschließlich zum Vergleich mit den Gendaten der Phantommörderin verwendet und unmittelbar im Anschluss gelöscht werden."

Mal davon abgesehen, dass die natürlich nein sagen werden, wäre ein solches Vertragsstrafeversprechen überhaupt wirksam? Wie weit könnte es gehen? (Man muss ja auch mal Gegenmaßnahmen überlegen...)

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