Vorstandsgehälter auf dem Prüfstand - Aufsichtsräte in der Pflicht

von Dr. Ulrike Unger, veröffentlicht am 16.01.2009

Von Rechtsanwalt Dr. Marko Loose, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

In konjunkturschwachen Zeiten geraten die Bezüge der Vorstandsmitglieder deutscher Aktiengesellschaften auf den Prüfstand. Neben der (schon seit geraumer Zeit geführten) öffentlichen Diskussion über deren „Angemessenheit" (Beitrag von Prof. Dr. Stoffels im beck-blog am 7. Januar 2009) ist es aus Unternehmensperspektive der Aufsichtsrat, der sich für die festgelegten Bezüge der Vorstandsmitglieder rechtfertigen bzw. diese überprüfen muss. Rechtsgrundlage für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Aufsichtsrates zur maßvollen Festlegung sowie Überprüfung der Vergütung des Vorstandes ist § 87 AktG. Als aktuelle Sondervorschrift für den Finanzsektor ist zusätzlich § 10 Absatz 2 Nr. 3 FMStFG (Finanzmarktstabilisierungsfondgesetz) i.V.m. § 5 Absatz 2 Nr. 4 FMStV (Finanzmarktstabilisierungsfond-Verordnung) zu beachten.

Für den Aufsichtsrat begründet § 87 Absatz 1 AktG die Pflicht, im Zeitpunkt der Vereinbarung der Bezüge der Vorstandsmitglieder dafür Sorge zu tragen, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen den Gesamtbezügen und den Aufgaben des Vorstandsmitglieds sowie der Lage der Gesellschaft besteht. Zu berücksichtigen ist die wirtschaftliche Gesamtsituation des Unternehmens, d.h. neben der eigentlichen Vermögenslage auch die Ertragslage und zukünftige Entwicklung der Gesellschaft. Zwar verbietet § 87 Absatz 1 AktG einem „notleidenden Unternehmen" nicht, einen erfahrenen und damit „kostspieligen Sanierer" einzukaufen, jedoch ist es der Regelfall, dass sich bei schlechter Lage des Unternehmens auch die Vergütung des Vorstands daran zu orientieren hat. Soweit eine Unangemessenheit im Sinne des § 87 Absatz 1 AktG vorliegt, resultiert allein daraus doch keine Pflicht des Vorstandes, auf die „zu hoch vereinbarten Bezüge" zu verzichten. Das Unternehmen muss die zu hoch angesetzte Vergütung weiter entrichten. Eine zur Unwirksamkeit führende Festlegung der Bezüge kann nur bei einem Verstoß gegen § 138 Absatz 1 BGB, also einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, angenommen werden. Angesichts fehlender gesetzlicher absoluter Obergrenzen der Bezüge wird dieser Fall eher theoretischer Natur sein. Die Nichtbeachtung des § 87 Abs. 1 AktG genügt dafür jedenfalls nicht. Anders ist die Situation für die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats. Soweit dieser die Angemessenheit der Bezüge nicht ausreichend begründen kann, kommt bei schuldhaftem Verhalten eine Schadenersatzpflicht gem. §§ 116, 93 Absatz 2 AktG in Betracht.

Sollte nach Festlegung der Bezüge in den Verhältnissen des Unternehmens eine wesentliche Verschlechterung eintreten und die Weitergewährung der Bezüge für die Gesellschaft eine schwere Unbilligkeit bedeuten, ist der Aufsichtsrat gem. § 87 Absatz 2 AktG berechtigt (verpflichtet), die Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds angemessen herabzusetzen. Solange aber an die Aktionäre noch Gewinne ausgeschüttet werden und diese mit einem guten Erlös ihrer Aktien rechnen können, besteht trotz negativer wirtschaftlicher Entwicklung der Verhältnisse der Gesellschaft keine Befugnis für eine Herabsetzung der Gesamtbezüge. Das Herabsetzungsrecht nach § 87 Absatz 2 AktG ist als "Notbehelf" konzipiert und unterliegt strengen Anforderungen. So bedeutet selbst eine Betriebsveräußerung noch keine schwere Unbilligkeit, solange der Gesellschaft noch große veräußerungsfähige Anlagen gehören, die bei einer Liquidation eine gute Gesamterlöslage erwarten lassen. Hingegen wird eine Unbilligkeit dann gegeben sein, wenn durch die Weitergewährung der Vorstandsbezüge in der bisherigen Höhe die Belange der Arbeitnehmerschaft des Betriebs gefährdet sind. Der Aufsichtsrat ist dann (grundsätzlich) verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 87 Absatz 2 S. 1 AktG die Bezüge angemessen herabzusetzen.

Als „effektive Kürzungsvorschrift für den Finanzsektor" ist § 10 Absatz 2 Nr. 3 FMStFG i.V.m. § 5 Absatz 2 Nr. 4 FMStV anzusehen. Danach können die staatlichen Hilfen für notleidende Banken von Eingriffen in die Bezüge der Vorstände abhängig gemacht werden. Nach § 5 Absatz 2 Nr. 4 FMStV soll die Gesamtvergütung der Organmitglieder und Geschäftsführer auf ein angemessenes Maß begrenzt werden. Als unangemessen gilt eine monetäre Vergütung, die 500.000 Euro pro Jahr übersteigt. Soweit sich das Vorstandsmitglied durch eine Zustimmung zum Hilfspaket mit einer Kürzung seiner Bezüge einverstanden erklärt, wird darin zugleich ein Verzicht auf Teile seiner Vergütung zu sehen sein. Soweit der Vorstand dem Hilfspaket nicht zustimmt bzw. ein Vorstandsmitglied überstimmt wurde, ist wieder der Aufsichtsrat gem. § 87 Absatz 2 AktG gefordert. Führt die Nichtherabsetzung der Vorstandsbezüge entweder zu einer Verhinderung bzw. zu einer Rückforderung der staatlichen Hilfen, ist in diesen Fällen eine Schadensersatzpflicht des Aufsichtsrates (und auch des Vorstandes) denkbar.

Fazit: Nicht nur Bonus oder Prämien von Arbeitnehmern, sondern auch Bezüge der Vorstände stehen in Krisenzeiten auf dem Prüfstand. Sowohl der öffentliche als auch der regulatorische Druck auf die Aufsichträte wächst, die Angemessenheit der Gehälter ihrer Vorstände zu kontrollieren.

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Unabhängig von der juristischen Seite der Medaille kann ich die moralische Seite derselben nicht nachvollziehen. Es werden andauernd Vorstände wie Ackermann, von Pierer oder Kleinfeld als Big - Player hinsichtlich des Einkommens genannt. Das kann angesichts der Tatsache nicht überzeugen, dass bspw. Herr Ackermann innerhalb der Deutschen Bank keineswegs der größte Verdiener ist, so sitzen in den Investmentabteilungen Leute, die - abgesehen von 2008 - wesentlich mehr verdient haben als ihr Vorstandsvorsitzender.
Wer auch nie in die Debatte einbezogen wird ist u.A. auch Wendelin Wiedeking von Porsche. Dessen Einkommen wurde für das Jahr 2008 in der Nähe von 100 Mio. Euro beziffert.
Bei solchen moralischen bzw. wohl eher populistischen Debatten sollte man dann wohl die richtigen Prioritäten setzen.

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