Bundestag beschließt pauschale Rehabilitierung von "Kriegsverrätern" der NS-Justiz
von , veröffentlicht am 10.09.2009Der Bundestag hat am 08.09.2009 eine pauschale Rehabilitierung der während des NS-Regimes in Deutschland als «Kriegsverräter» verurteilten Menschen beschlossen. Danach muss die Staatsanwaltschaft die Aufhebung nicht mehr in jedem Einzelfall prüfen. Urteile aufgrund des Straftatbestandes «Kriegsverrat» (§ 57 des einstigen Militärstrafgesetzbuches) sind nach Angaben des Bundesjustizministeriums vielmehr pauschal aufgehoben.
Bundestag reagiert auf neue Forschungsergebnisse
Mit dem Gesetz ziehe der Bundestag die Konsequenz aus neuen Forschungsergebnissen. Im Jahr 2007 hätten die Militärhistoriker Wolfram Wette und Detlef Vogel erstmals eine Studie zu den Urteilen vorgelegt, die im Zweiten Weltkrieg wegen «Kriegsverrats» ergangen seien. Sie habe gezeigt, dass vor allem einfache Soldaten der Wehrmacht aufgrund dieser Strafvorschrift zum Tode verurteilt worden seien. Die Anlässe dafür reichten laut Justizministerium von politischem Widerstand und der Hilfe für verfolgte Juden über kritische Äußerungen über den Krieg bis hin zu Schwarzmarktgeschäften.
Strafvorschrift verstieß gegen rechtsstaatliche Grundsätze
Ein verfassungshistorisches Gutachten, das das Bundesjustizministerium bei dem früheren Bundesverfassungsrichter Hans H. Klein eingeholt habe, habe außerdem gezeigt, dass die Strafvorschrift «Kriegsverrat» mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar gewesen sei. Der Tatbestand sei nicht hinreichend bestimmt gewesen. Er habe als einzige Rechtsfolge die Todesstrafe vorgesehen.
Anlage zum NS-AufhG entscheidet über pauschale Rehabilitierung
1998 erging das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege. Dieses NS-AufhG hebt alle Strafurteile auf, die «unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30.01.1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind». Unrechtsurteile sind danach insbesondere solche Urteile, die auf einem der Straftatbestände beruhen, die in der Anlage zum NS-AufhG ausdrücklich genannt sind. Diese Anlage umfasst mehr als 100 Straftatbestände. Urteile aufgrund dieser Straftatbestände sind durch das Gesetz schon bislang ohne Einzelfallprüfung aufgehoben. Bei Urteilen, die aufgrund von Tatbeständen ergangen sind, die nicht in der Anlage genannt sind, musste dagegen bislang im Einzelfall geprüft werden, ob das Urteil Unrecht gewesen und somit aufgehoben ist.
Kriegsverrat jetzt in Anlage aufgenommen
Jetzt wird § 57 des einstigen Militärstrafgesetzbuches in die Anlage zum NS-AufhG aufgenommen. Deswegen werden nunmehr alle Strafurteile, die wegen Kriegsverrats ergangen sind, als Unrechtsurteile definiert und pauschal aufgehoben. Die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung entfällt. Die Staatsanwaltschaften stellen auf Antrag eine Bescheinigung darüber aus, dass ein Urteil aufgehoben ist. Antragsberechtigt sind der Verurteilte, nach seinem Tode seine Verwandten und Verschwägerten gerader Linie, seine Geschwister, der Ehegatte und der Verlobte (§ 6 Abs. 1 NS-AufhG).
Örtlich zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die einstmals das Verfahren eingeleitet hat, das zur Verurteilung führte. Wenn dort heute keine deutsche Gerichtsbarkeit ausgeübt wird oder sich die Staatsanwaltschaft nicht bestimmen lässt, ist der Wohnsitz des Betroffenen maßgeblich. Im Zweifelsfall bestimmt der Bundesgerichtshof die zuständige Staatsanwaltschaft (§ 6 Abs. 2 NS-AufhG).
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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1 Kommentar
Kommentare als Feed abonnierenMario H. kommentiert am Permanenter Link
Das hat wirklich sehr lang gedauert. Das Greenwashing von ehemaligen Nazis ging dagegen viel schneller (Schleyer, Kiesinger, Filbinger etc.).
Jetzt hoffe ich nur noch, dass eines Tages der 08. Mai ein Feiertag wird, der ähnlich wie der 14. Juli in Frankreich gefeiert wird.