MMR-Blog: Leistungsschutzrecht für Presseverleger – Allheilmittel gegen Urheberechtsverletzung und Umsatzverluste?

von Frey, LL.M., veröffentlicht am 12.04.2010
Rechtsgebiete: LeistungsschutzrechtUrheber- und Medienrecht6|14100 Aufrufe

Die Diskussion um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger erhitzt seit einiger Zeit die Gemüter. Der Forderung nach einem besseren Schutz der Werkmittel im Pressebereich steht insbesondere die Sorge gegenüber, dass es zu einer Monopolisierung von Informationen im Internet kommen kann. Müssen sich die notwendigen neuen Geschäftsmodelle für eine lebensfähige Presse in einer zunehmend digitalen Welt ausschließlich am Markt durchsetzen? Oder kann nur ein neues gesetzliches Monopolrecht für Verleger die Presse vor dem finanziellen Niedergang sowie vor Urheberrechtsverletzung in der Internetsphäre schützen?

Obwohl im Koalitionsvertrag die Einführung eines Leistungsschutzrechts befürwortet wird, fehlen bisher sowohl konkrete Rahmenbedingungen für ein solches Recht als auch ein Gesetzentwurf. Daran leidet eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Für und Wider eines Leistungsschutzrechts der Presseverleger stark.

Eines ist jedoch klar: Die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger würde erhebliche Anstrengungen der gesetzlichen Feinjustierung erfordern, um zu einem Interessenausgleich zwischen den Individualinteressen der Presseverleger und dem Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit der Informationsgesellschaft zu kommen. Zentrale rechtliche Fragen sind offen: Dies gilt etwa für den Schutzgegenstand und den Kreis der Leistungsschutzberechtigten. Auch über die inhaltliche Reichweite eines Leistungsschutzrechts im Verhältnis zum Urheberrecht der Autoren müsste Klarheit geschaffen werden. Die mit dem Leistungsschutzrecht verfolgten pekuniären Interessen der Verleger können zudem leicht in eine allgemeine Internet-Gebühr umschlagen; dies wäre nur schwer zu vermitteln, insbesondere wenn die Presse ihre Inhalte im Internet frei zugänglich für jedermann zur Verfügung stellt. Die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger wird daher – auch für einen entschlossenen Gesetzgeber – ein sehr schwieriges Unterfangen sein.

Politisch stellt sich zudem die Grundsatzfrage, ob ein Leistungsschutzrecht der Presseverleger isoliert eingeführt werden kann. Muss nicht gleichzeitig über die Sicherung der Rechte und der Honorierung aller Urheber- und Leistungsschutzberechtigten nachgedacht werden? Themen, die unter den Schlagwörtern „Kulturflatrate“, „Graduated Response“ oder gar Netzsperren zur Verhinderung von Urheberechtsverletzung zusammengefasst werden, stehen ebenfalls für die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit einer Neujustierung des Urheberrechts im digitalen Umfeld. Hieran schließt sich schließlich das bisher ungelöste Problem an, wie viel und welche Formen staatlicher Intervention das Internet verträgt.

Der Beitrag „Leistungsschutzrecht für Presseverleger “ von Frey in der Mai-Ausgabe der MMR (MMR 2010, 291 ff.) befasst sich mit diesem Thema. Sie können den Beitrag vorab hier lesen und auch mit den Autoren diskutieren.

HINWEIS:
Die Zeitschrift MultiMedia und Recht (MMR) wird ab sofort zu aktuellen Themen Beiträge vor Drucklegung im Multimediarecht-Blog des Verlags C.H. Beck diskutieren lassen. Die Autoren der Beiträge stehen hierfür als Gastexperten zur Verfügung.

Dieses Angebot der MMR für Ihre Leser ist neben dem Newsdienst MMR-Aktuell und der MMR-Homepage ein weiterer Baustein im Onlineangebot rund um die Zeitschrift.

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6 Kommentare

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zwischen den Individualinteressen der Presseverleger und dem Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit der Informationsgesellschaft

 

Urheberrecht reloaded. Das waren die Ursprünge bei welchen ebenfalls die Buchverleger es waren welche das sog. "Urheber"recht eingeführt hatten. Letztenendes hat das Internet ein wanken des Leistungsvermarktungsoligopols der Verleger für journalistische Leistungen bzw. inzwischen eher "News-Verbreitung" eingeläutet.

Demnächst (wenn Twitter und co. besser/schneller sind)  kommt also das Leistungsschutzrecht für dpa, AP, AFP und Reuters auf News und auch das wird uns dann als notwendig für die "Informationsgesellschaft" verkauft werden.

Was die Informationsgesellschaft benötigt sind Informationen. Und diese werden im Netz frei Haus geliefert. Was die Gesellschaft ansonsten noch benötigen würde wäre ein Mehrwert über die Qualität der Berichterstattung welche über das abdrucken einer dpa-Meldung hinaus reicht. Und da hapert es auch bei denen welche das Leistungsschutzrecht haben wollen etwas.

Das Problem ist - Wissen ist wie Luft, ja sogar noch besser als Luft. Wissen ist unendlich oft verbreitbar und kein knappes Gut. Nur Qualität oder auch Papier (oder CD-Rohlinge) sind also noch auf einem Markt handelbar und gegen Geld zu veräußern. Doch was tun, wenn die Menschen gar keine fertigen Rohlinge und kein Papier mehr haben wollen?

Das "Leistungs"schutzrecht hätte dann vielleicht eine Berechtigung wenn es ein Versuch wäre Qualität einzufangen. Darum geht es den Verlagen aber sicher nicht. Diese reklamieren lediglich Qualität für sich. Das kann anteilig vielleicht jede beliebige Bloggerseite auch und/oder ebensogut. Und das ist es was Verlagen zu Recht Angst einjagt. Denn... in der Marktwirtschaft gibt es eine ganze Reihe von arbeitslosen oder Teilzeit-Journalisten.

 

Wenn überhaupt wäre es also spannend einmal einen kleinen Feldversuch einzuführen. Geringes Leistungsschutzrecht für alle einschließlich der oft nicht gerade schlecht besuchten Internet-Zeitungen und Blogger-Portale. Das würde dann wenigstens einen gewissen "Markt" beinhalten bzw. einen monetären Kuchen mit fixer Größenordnung. Wir sehen jedoch anhand der Parteienfinanzierung (und der GEZ) wie so etwas gehandhabt und mit Sperrklauseln versehen werden kann damit die "großen" der Zunft das erhalten was diese (selbst) denken was sie wert sind bzw. was sie benötigen um die freie Welt gegen den Informationsgau zu verteidigen. Würden wir ARD/ZDF ein Drittel der Mittel streichen würden wir schließlich auch in der Diaspora landen.

 

Grüße

ALOA

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ein sehr schöner Beitrag, endlich mal wieder etwas Substantiiertes zum Thema und endlich mal jemand, der auch auf die Auswirkungen für die Pauschalvergütung schaut. Die Frage ist aber, ob diese Beiträge Wirkung zeigen. Es gibt keinen Urheberrechtler in Deutschland, der nicht von der Verlagsbranche bezahlt wird und trotzdem für ein Leistungsschutzrecht spricht. Aber ein einzelner Keese auf großer Deutschlandtournee verursacht mehr politischen Wirbel als alle klugen wissenschaftlichen Beiträge. Hört eigentlich jemand noch auf die Rechtswissenschaft?

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Guter Beitrag, der die konfliktreiche Diskussion kurz und präzise darstellt!

Heiß diskutiert wird, ob die Presse ein solches neues Leistungsschutzrecht braucht, aber wie ein solches Leistungsschutzrecht ausgestaltet sein soll und wer überhaupt zahlen soll, das ist noch nicht klar. Aber genau diese Frage ist doch entscheidend, um überhaupt eine Notwendigkeit erkennen zu können. Zum Teil heißt es, nur die gewerbliche Nutzung solle entgeltlich erfolgen. Fragt sich jedoch, wo in einer solchen Trennung, mal abgesehen von den Schwierigkeiten einer Überprüfbarkeit von gewerblicher statt privater Nutzung, der Sinn und Zweck liegt. Der Aufwand, den Presseverleger haben, sprich die gestalterische Darstellung und Anordnung des Inhalts, ist doch sowohl für Private als auch Geschäftsleute derselbe. Fast wirkt diese Möglichkeit nur konstruiert, um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ja durchzusetzen und nicht an dem Allgemeininteresse auf freizugängliche Informationen zu scheitern.

Was wollen Presseverleger eigentlich finanzieren mit den Einnahmen? Sich selbst? Die Journalisten, die sie bezahlen und denen sie ohnehin schon die Löhne gekürzt haben?

Und wieso kann ein Verlag, wie man ihn im klassischen Sinne kennt keine ausreichenden Einnahmen mehr erzielen in der digitalen Welt? Ist es nicht wichtig, um mit der Zeit zu gehen zunächst die Vermarktungsmodelle so umzustellen, dass sie auch als digitale Erzeugnisse Geld bringen? Warum wird nicht die Kreativität angeregt und an Modellen gearbeitet, die die Nutzer begeistern und wofür sie wieder bereit sind Geld zu zahlen. Zeigt nicht gerade die Spiegel-App, dass Nutzer sehr wohl bereit sind für digitale Presseerzeugnisse Geld zu zahlen? Verbucht werden dafür doch gute Umsätze.

Das Ganze konzentriert sich auf die Frage: "Brauchen Verleger tatsächlich ein Leistungsschutzrecht?"

 

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Der Beitrag vom Kollegen Dr. Frey bringt es juristisch auf den Punkt. Denn eigentlich steckt hinter dem "Leistungsschutzrecht" nur, dass die Presseverleger auf eine strukturelle Krise nicht mit innovativen Ideen, sondern mit politischen Vorstellungen von vorgestern reagieren: Sie wollen vom Staat ganz offensichtlich ein Monopol zugesprochen bekommen, damit sie für die von ihnen selbst (!) kostenlos ins Internet gestellten Inhalte nachträglich eine Art "Strafgebühr fürs Lesen" verlangen dürfen - mindestens von denjenigen, die von Berufs wegen das Netz nutzen.

Kassieren sollen diesen Internet-Zoll dann wohl die Provider. Nur: Schon länger unterscheiden Internetprovider bei ihren DSL-Anschlüssen gar nicht mehr zwischen "gewerblichen" und "privaten" Anschlüssen. Und selbst wenn. Wäre denn der Rechtsanwalt der z.B. www.handelsblatt.de zu Hause liest gebührenbefreit, in der Kanzlei aber gebührenpflichtig? Die Internetwirtschaft müßte solch eine "Leistungsschutzgebühr" in der Praxis daher schlicht auf die Kosten aller Internetanschlüsse umlegen müssen. Damit aber erweisen sich die Forderungen als das, was sie offensichtlich auch sein sollen: Der Ruf nach einer Zwangsabgabe ohne konkrete Gegenleistung und Rechtfertigung - und anders als eine "Kulturflatrate" auch ohne legalisierende Wirkung, was die Verletzung von Urheberrechten betrifft. 

Dann aber hätte ich eine viel bessere Idee: Anstatt nur nach einem neuen Monopol und schnöder Subventionierung durch die Allgemeinheit zu rufen, liebe Presse- und Schulbuchverleger, stellt doch besser gleich einen Antrag auf Vergesellschaftung! Als "Presse in öffentlicher Hand" wären ihre Betriebe doch noch viel nachhaltiger jedem wirtschaftlichen Risiko enthoben. Und das auch noch auf lange Sicht und nicht nur gegenüber jenen Veränderungen, die aktuell durch das Internet verursacht werden...

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Sehr geehrte Diskutanten,

zunächst einmal vielen Dank für die freundlichen Worte zu meinem Aufsatz. In die Sache kommt nun mehr Schwung. Das Portal iRights.info hat einen von Presseverlegern und Gewerkschaften erstellten Gesetzesentwurf online gestellt. Auch wenn es sich dabei wohl um eine Vorfassung der beiden Interessengruppen handelt, zeigen die Ansätze jetzt sehr viel deutlicher, wohin die Reise gehen soll.

 

Ich verlinke das Dokument, für alle Interessenten und Diskutanten:
http://irights.info/blog/arbeit2.0/wp-content/uploads/2010/05/Leistungsschutzrecht-Gewerkschaftssynopse.pdf

 

Zentral scheint mir zu sein, dass der Werkgenuss, der nach der Rechtsprechung des BGH vergütungsfrei ist, nach den Vorstellungen der Presseverleger nun per Gesetz ausdrücklich in eine vergütungspflichtige Nutzungshandlung umfunktioniert werden soll.

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