Kann der Vermieter die Einsicht in die Betriebskostenbelege zeitlich begrenzen?

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 26.05.2010

Der vom BGH priviligierte Grundsatz, dass im preisfreien Wohnraum die Einsichtnahme beim Vermieter stattzufinden hat, wirft in der Praxis vielfältige Fragen auf. Ich werde versuchen, in den nächsten Wochen einige Diskussionsbeiträge zu lioefern, damit sich eine gesicherte Praxis entwickeln kann:

Der Fall: Der Vermieter V legt am 21.10.2009 die Betriebskostenabrechnung für 2008 vor und verweist darauf, dass die Abrechnungsbelege ab sofort bis 30.11.2009 im Büro des Hausmeisters H eingesehen werden können. Das Hausmeisterbüro befindet sich in der Anlage, in der sich auch die Wohnung des Mieters M befindet. Der Mieter M ruft den H an und fragt, wann er zur Belegeinsicht kommen kann. Er erhält zur Antwort, dass er täglich von 10 – 12 Uhr unangemeldet kommen könne. Außerhalb dieser Zeit wäre es für ihn (H) nur schwer möglich, im Büro zu sein. Er müsse aber in jedem Fall innerhalb seiner Arbeitszeit werktags von 8 – 16:30 Uhr kommen, um die Belege einzusehen. Da M (auswärtig) berufstätig ist, könnte er derartige Termine nur wahrnehmen, wenn er Urlaub nimmt. Er sieht in der Auskunft eine Verweigerung seiner Kontrollrechte. Ende Dezember 2009 macht der Vermieter die Nachforderung gerichtlich geltend. Ist die Forderung durchsetzbar, wenn M nun erstmals im Prozess ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht?

Lösungsvorschlag: V hat einen Anspruch auf Zahlung der Nachforderung aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. der Nebenkostenabrechnung.

Der Anspruch könnte einredebehaftet sein, weil sich M auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer nicht gewährten Belegeinsicht beruft, §§ 273, 274 BGB. Dann müsste das Recht des Mieters, die Belege zu prüfen, verweigert worden sein (vgl. dazu Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 5. Aufl., I Rz. 17).

Grundsätzlich findet die Belegeinsicht beim Vermieter statt (BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, NZM 2006, 340). Diese hat der Vermieter angeboten. Damit kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters nur in Betracht, wenn der Vermieter das Kontrollrecht nicht am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, in der richtigen Art und Weise angeboten hat.

Der Vermieter muss eine Belegeinsicht nicht anbieten. Der Mieter muss ein entsprechendes Verlangen stellen. Damit ist der Hinweis in der Betriebskostenabrechnung nichts anderes als eine unverbindliche Mitteilung.

Fraglich ist jedoch, ob der Vermieter das Recht zur Einsicht vor Ort durch eine zeitliche Grenze beschränken kann. Dafür spricht das Interesse an einer beschleunigten Abwicklung der Betriebskostenabrechnung, das auch dem § 556 Abs. 3 BGB innewohnt (BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, NZM 2008, 81). Dagegen kann aber eingewendet werden, dass § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB dem Mieter das Recht einräumt, ein Jahr Einwendungen zu erheben, was naturgemäß die Kenntnis der der Abrechnung zugrundeliegenden Belege voraussetzt.

Der Vermieter muss Rechenschaft über die abgerechneten Betriebskosten erteilen. Die Rechenschaft richtet sich nach § 259 BGB. Insoweit ist es anerkannt, dass der Erfüllungsort zur Belegeinsicht beim Vermieter liegt, solange es dem Mieter zumutbar ist, sich dorthin zu begeben. Eine Leistungszeit ist nicht bestimmt, deshalb kann der Vermieter jederzeit, insbesondere sofort leisten, § 271 BGB. Demnach ist der Vermieter berechtigt, dem Mieter seine Leistungsbereitschaft schon mit der Abrechnung mitzuteilen, denn bei Dauerschuldverhältnissen bezieht sich „sofort“ auf den Beginn der Leistung (Erman/Ebert, 12. Aufl., § 271 BGB Rz. 3). Wenn der Mieter die Belegeinsicht fordert, muss der Vermieter sie (in seinen Räumen) anbieten und für eine angemessene Zeit vorhalten, damit der Mieter einen Termin vereinbaren kann.

Das Recht zur sofortigen Leistung bedeutet aber noch keine Befristung der Leistungspflicht. Andererseits ist die Pflicht zur Vorlage der Belege nicht zeitlich unbegrenzt zu erfüllen. Vielmehr endet sie mit Ablauf der Einwendungsfrist. Aber auch eine unterhalb dieser Zeitspanne liegende Befristung des Einsichtsrechts ist unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zulässig. Denn § 556 Abs. 3 S. 5 BGB stellt eine Höchstfrist dar. Andererseits bewirkt die rechtzeitige Leistung des Vermieters, die sich hier in dem Angebot zur Belegeinsicht erschöpft, einen Annahmeverzug des Mieters. Dies begründet wiederum das Recht des Vermieters, die Belege zu hinterlegen. Denn § 372 S. 1 BGB bestimmt, dass der Schuldner im Falle des Annahmeverzuges u.a. Urkunden beim Amtsgericht hinterlegen kann. Dies wird im Ergebnis untunlich sein, weil die (Original-) Belege auch für die Einsicht anderer Mieter benötigt werden. Es macht aber deutlich, dass der Vermieter die Abrechnungsunterlagen nicht zeitlich unbegrenzt vorhalten muss.

Um in dieser Situation einen angemessenen Interessenausgleich zu finden, ist es gerechtfertigt, dem Vermieter jedenfalls dann, wenn der übliche Aufbewahrungsort der Betriebskostenunterlagen von dem Ort der Einsicht abweicht, das Recht einzuräumen, die Dauer des Vorhaltens der Belege am Wohnort des Mieters zeitlich zu beschränken, wobei die Frist regelmäßig zwei Monate nicht übersteigen muss.

Die von V gesetzte Frist bis zum 30.11.2008 ist angemessen und daher beachtlich. Unabhängig davon würde eine zu kurze Frist eine angemessene Frist in Gang setzen und hat der Mieter grundsätzlich die Möglichkeit, mit dem Vermieter eine Fristverlängerung auszuhandeln. Trägt der Vermieter einem solchen Begehren, das von sachlichen Gründen getragen ist, nicht Rechnung, kann ein Annahmeverzug nicht entstehen. M hat aber ein solches Begeheren nicht gestellt.

Ist der angesetzte Zeitraum überschritten, ohne dass der Mieter Einsicht genommen oder sich um einen anderen Termin bemüht hat, ist der Vermieter nicht mehr ohne Kostenerstattung verpflichtet, vor Ort die Belegeinsicht zu ermöglichen, wobei sich die Erstattungspflicht auf den Aufwand der Versendung der Belege (Lohn und Porto) beschränkt.

Im konkreten Fall könnte ein Annahmeverzug aber daran scheitern, dass der Mieter nur in einem zeitlich eng beschränkten Tages-Fenster die Belegeinsicht durchführen konnte. Schon weil die Belegeinsicht selbst länger als zwei Stunden dauern kann, liegt kein gehöriges Angebot des Vermieters vor, wenn dem Mieter lediglich ein zweistündiges Fenster werktäglich eröffnet wird.

Allerdings hat der Vermieter durch den Hausmeister auch eine andere Terminsvereinbarung innerhalb der Arbeitszeit angeboten. Zwar fehlt es insoweit an einer gesetzlichen Bestimmung, so dass der Vermieter nicht wie der Kaufmann, der nur innerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten leistungsbereit sein muss (§ 358 HGB), grundsätzlich jederzeit dem Mieter die Möglichkeit zur Einsicht in die Belege gewähren muss. Aus dem Charakter des Schuldverhältnisses und der Art der Leistung kann jedoch nicht hergeleitet werden, dass der Vermieter zeitlich unbegrenzt leistungsbereit sein muss. Vielmehr wird seine Pflicht durch Zumutbarkeitsgesichtpunkte beschränkt, die nur im Einzelfall gewertet werden können.

Vor diesem Hintergrund war es dem Mieter zumutbar, innerhalb der Dienstzeit des Hausmeisters (8 - 16.30 Uhr) die Belegeinsicht durchzuführen. Es geht um die Rechtsausübung des Mieters. Er trägt daher das Kostenrisiko. Da die Belegeinsicht, die erst am Nachmittag beginnt, ohnehin über das Ende der Dienstzeit des Hausmeister hinaus gehen kann, ohne dass der Vermieter sie dann abbrechen könnte, ist es ihm zumutbar, zur Ausübung seines Rechts einen halben Tag Urlaub zu nehmen.

Damit besteht kein Zurückbehaltungsrecht. Der Anspruch des Vermieters ist durchsetzbar.

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2 Kommentare

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Die von V im Abrechnungsschreiben gesetzte Frist bis zum 30.11.2009 ist m.E. unbeachtlich.

 

V genügt seiner Rechenschaftspflicht zunächst durch eine formell ordnungsgemäße Abrechnung. M hat allerdings überdies einen fälligen Anspruch auf Belegeinsicht, der jedoch erst dann für V rechtlich erfüllbar wird, wenn M die Belegeinsicht von V verlangt.

 

Mit anderen Worten: Beim Einsichtsrecht handelt es sich um einen verhaltenen Anspruch, sodass V nicht in der Lage ist, M vor einem solchen Verlangen in Verzug zu setzen, indem er ihm einfach im Anschreiben ein Angebot zur befristeten Belegeinsicht unterbreitet und M diese Frist fruchtlos verstreichen lässt.

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Halte ich für abwegig und realitätsfern, viele Arbeitnehmer haben zu dieser Tageszeit keine Möglichkeit, eine Nebenkostenakteneinsicht vorzunehmen, zumal eine solche Unterlagenprüfung in der Regel mehrere Stunden andauern dürfte. Auch ist es nicht zumutbar, dass der Mieter wegen einer Pflicht des Vermieters einen Tag Urlaub nimmt, der in der Regel auch höhere Kosten für den Mieter verursachen würde, als einige alternative Termine oder auch Sammeltermine zur Akteneinsicht durch den Hausmeister für alle Mieter. Somit sollte der Vermieter wenigstens drei alternative Termine zu anderen Zeiten anbieten müssen. De facto betsteht derzeit keine Akteneinsichtsmöglichkeit für den Mieter.

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