Volkstümliche Irrtümer im Familienrecht (VII)
von , veröffentlicht am 13.07.2010Eltern haften für ihre Kinder.
Steht schwarz auf gelb auf jeder Baustelle und ist so natürlich falsch.
Eltern haften für den von ihren Kindern angerichteten Schaden nur, wenn die Aufsichtspflicht verletzt wurde (§ 832 BGB). Schönes Beispiel aus jüngster Zeit: Urteil des AG München vom 1.12.09, AZ 155 C 16937/09:
Ein Ehepaar fährt mit seiner 9-jährigen Tochter mit dem Taxi nach Hause. Kurz nach Fahrtantritt sagte die Mutter dem Taxifahrer, dass es der Tochter nunmehr sehr schlecht ginge und der Fahrer anhalten solle. Noch bevor dieser das Fahrzeug zum Stehen bringen konnte, das Taxi befuhr gerade den Mittleren Ring, erbrach sich das Kind und verunreinigte hierdurch das Taxi im Bereich der Rückenlehne des Vordersitzes, der Mittellehne und des Gurtschlosses.
Das Taxi musste gereinigt werden. Die Reinigungskosten betrugen 190 Euro. Während der Reinigung musste der Taxifahrer ein Ersatztaxi anmieten, um weiterarbeiten zu können. Dafür fielen 800 Euro an.
Klage abgewiesen:
Da es eine Gefährdungshaftung für Kinder nicht gebe, komme eine solche nur in Betracht, wenn die Mutter eine allgemeine oder vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Dies setze aber im konkreten Fall voraus, dass es für die Mutter erkennbar gewesen wäre, dass sich ihre Tochter erbrechen würde. Dies könne der Taxifahrer aber nicht beweisen. Nach den geschilderten Umständen sei das Erbrechen der Tochter plötzlich und unerwartet eingetreten, ein Verschulden der Mutter liege daher nicht vor.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben
8 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenJohannes kommentiert am Permanenter Link
Mit ein wenig Phantasie kann man den Vorfall ja noch unter § 828 II subsumieren und das Kind muss auch nicht zahlen ;)
RA JM kommentiert am Permanenter Link
Dieses Urteil findet der brave Taxifahrer sicherlich zum K..... ;-)
DrFB kommentiert am Permanenter Link
Beim Lesen der Pressemitteilung vom 12.07.2010 bin ich ich über den folgenden Absatz gestolpert:
"Der Fall kam vor das AG München. Der zuständige Richter versuchte zunächst, den Streit gütlich beizulegen. Er wies die Parteien darauf hin, dass wohl keine Anspruchsgrundlage für die Haftung der Mutter bestehe, dass es unter menschlichen Gesichtspunkten aber sehr vernünftig wäre, wenn diese die Reinigungskosten übernehme. Es wäre eigentlich fair, wenn nicht der Taxifahrer das Risiko der Erkrankung der Tochter tragen müsse, sondern die Eltern. Dies wies die Beklagte aber weit von sich."
Danach bekam die Beklagte Recht. Was hat der Richter eigentlich erwartet? Ist auch er Partei geworden - mit dem Ziel, ein Urteil zu vermeiden? Was konnte er der Beklagten denn anbieten?
rw kommentiert am Permanenter Link
Das Urteil ist leider nicht veröffentlicht. So kann man nur darüber spekulieren, weshalb der Pressemitteilung zufolge der Taxifahrer für das Verschulden der Eltern beweisfällig geblieben ist, obwohl § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Beweislast insoweit den Eltern auferlegt.
Johannes kommentiert am Permanenter Link
@ rw Das Kind hat gekotzt, nicht die Eltern.
Tom kommentiert am Permanenter Link
@rw
Weil die Eltern keine Schuldner sind?
Dr. Thomas Lapp kommentiert am Permanenter Link
Das war einmal ein Irrtum. ;-)
Das Schild gehört heute an den familiären Internetanschluss und schon ist es nicht mehr so falsch. Leider.
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
@ rw
Der Einwand ist berechtigt. Gemäß § 832 BGB hat der Aufsichtespflichtige den Entlastungsbeweis zu führen
@ Dr. Lapp
richtig.
Liegt aber (auch) an der oft fehlenden Internetkompetenz der Eltern. Da wären oftmals die Kinder besser die Aufsichtspflichtigen. Wird sich aber bei der nächsten Elterngeneration wieder ändern.