Nur ein bisschen abgeschrieben - ist das denn so schlimm? Plagiatsvorwurf gegen Verteidigungsminister

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 16.02.2011

Eine Suche nach Fehlern, die Politiker einmal auf anderen Feldern begangen haben, sieht entweder aus wie eine Kampagne politischer Gegner, oder sie hat schnell etwas Korinthenkackerisches - vier oder acht  Absätze auf einigen hundert Seiten (SüddeutscheSpiegelOnline und FAZ), das kann doch wohl nicht so erheblich sein (update: die im Internet schon verbreitete Rezension von Andras Fischer-Lescano  in der Kritischen Justiz - Heft1/2011 -  verweist immerhin auf 24 Absätze, ohne vollständige Überprüfung der Arbeit). Schließlich soll es doch beim Politiker vor allem auf seine politischen Meriten ankommen.

Naja.

Ich will hier einfach nur die Maßstäbe anführen, die ich selbst (und wohl die meisten meiner Kollegen) bei Verstößen gegen das wissenschaftliche Arbeiten bei Studienarbeiten im Rahmen der juristischen Universitätsprüfung (Teil der Ersten Juristischen Prüfung)  anwenden, und die ich auch Doktoranden predige:

JEDE Übernahme eines fremden Gedankens MUSS in der Fußnote genau bezeichnet werden. Eine wörtliche Übernahme von Textstellen anderer Autoren ist mit Anführungszeichen vor und hinter dem Zitat anzuzeigen und ebenfalls in der Fußnote zu belegen. Im Literaturverzeichnis sind wirklich alle verwendeten Quellen anzugeben.

Wird (bei der Studienarbeit) eine Missachtung dieser Regeln gefunden, führt dies zur Abwertung um einige Punkte, bei mehrfachen Verstößen in einer Arbeit zur Wertung "ungenügend" - und zwar egal, wie gut der sonstige Text ist. In den vergangenen Jahren sind schon einige Studenten bei Stichproben "erwischt" worden. Bei manchen bin ich sicher, dass es gar kein böser Wille war, nur das Ungeschick/die Unsitte, aus dem Internet Textstellen direkt in den Entwurf zu kopieren und dann das Umformulieren und/oder das Belegen zu vergessen. Aber der subjektive Tatbestand kann hier nicht entscheidend sein: Jede Arbeit muss objektiv diese Formalien erfüllen.

Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass alle Plagiatstellen in Studien- und Doktorarbeiten gefunden werden. Es wäre auch viel zu viel Aufwand, als Gutachter alle Arbeiten komplett darauf zu überprüfen, ein gewisses Vertrauen muss man zu seinen Studenten und Doktoranden schon haben, sonst lenkt die Suche nach "Stellen" ab vom Wesentlichen, dem Inhalt. Ich bin daher ziemlich sicher, dass es "da draußen" viele Arbeiten gibt, die solche Fehler wie die unseres Verteidigungsministers enthalten, ganz unabhängig von der sonstigen Qualität (im Übrigen gibt es ja auch Plagiats-Beispiele von anerkannten hervorragenden Wissenschaftlern).

Doch: Bei -  notwendig publizierten - Doktorarbeiten ist, wenn der Doktor prominent ist oder wird, immer damit zu rechnen, dass ihm später solche Fehler vorgehalten werden. Das ist dann doppelt peinlich. Und das sage ich meinen Doktoranden: Lieber jetzt doppelt und dreifach prüfen, ob alles schön belegt ist, als sich nachher (wenn man prominenter Richter oder Minister geworden ist) solche Dinge vorwerfen lassen zu müssen.

Ein großer Skandal?  (update 21.02.:) Ja, da sich die Plagiatstellen als systematische Vorgehensweise entpuppt haben.

 

Update 21.02. 17.30 Uhr: Mittlerweile sind abgeschriebene und nicht korrekt zitierte Stellen mit wörtlichen oder fast wörtlichen Übernahmen aus Fremdtexten auf 271  Seiten der Dissertation entdeckt worden (Quelle). Einen anschaulichen  interaktiven Überblick mit Nachprüfungsmöglichkeit bietet diese neue Seite.

Update 1. März In der Wissenschaft wird inzwischen zunehmend der Rücktritt des Verteidigungsministers gefordert:

Offener Brief an die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel von Doktoranden und Promovierten LINK

Erklärung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern zu den Standards akademischer Prüfungen LINK

 

UPDATE 1. März, 11 Uhr: Laut Spiegel-Online will zu Guttenberg heute noch seinen Rücktritt als Minister bekanntgeben.

 

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347 Kommentare

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Herr Guttenberg scheint sich seines Doktortitels weiterhin sicher zu sein (entnehme ich seiner Stellungnahme vom Freitag).


Könnte Grund hierfür die Bayreuther Promitionsordnung sein?

§ 16 Ungültigkeit der Promotionsleistung

(1) Ergibt sich vor der Aushändigung der Urkunde, dass sich der Bewerber im Promotionsverfahren einer
Täuschung schuldig gemacht hat, so erklärt die Promotionskommission alle bisher erworbenen Berechtigungen für ungültig und stellt das Verfahren ein.

jedoch:

(2) Wird die Täuschung erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann nachträglich die Doktorprü-
fung für nicht bestanden erklärt werden. Die Entscheidung trifft die Promotionskommission.

 

Wieso dieser Ermessensspielraum?

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@ KTM

 

Es gibt zwei Gründe für dieses Ermessen:

 

1. Es muss beachtet werden, dass § 16 I sehr weit gefasst ist. Es wird nicht nach der Schwere der Täuschung differenziert. Nach Aushändigung der Urkunde stellt die Entziehung eine besonders schwere Sanktion dar, die u.U. bei einer geringfügigen, auf wenige Seiten der Arbeit beschränkte Täuschung nicht gerechtfertigt ist.

 

2. Nach Aushändigung der Urkunde setzt ein Vertrauensschutz ein. Dass es bei Täuschungen nie Vertrauensschutz gebe, ist eine verbreitete Fehlannahme. So regeln etwa die Juristenausbildungsgesetze bzw. -verordnungen der Länder, dass Staatsexamina nach einer bestimmten Zeit trotz - auch schwerer - Täuschung bei der Erbringung der Prüfungsleistung nicht mehr aberkannt werden können; dieser Vertrauensschutz setzt je nach Bundesland nach 2 (z.B. Berlin), 3 oder 5 Jahren (gerechnet ab dem Tag der mündlichen Prüfung) ein.

 

Die Promotionsordnungen der Universitäten kennen einen derart pauschalen, auf Ablauf einer bestimmten Zeit fußenden Vertrauensschutz idR nicht. Die Leistung kann also, anders als ein Examen, auch noch nach 30 oder 40 Jahren aberkannt werden. Auch um die damit verbundenen Härten (Berufsleben auf Titel aufgebaut...) zu korrigieren, wird ein Ermessen eingeräumt. 

 

Im Falle zu Guttenberg wäre, wenn die bei "guttenplag" nachgewiesenen Funstellen stimmen und man von einem Täuschungsvorsatz ausgehen kann (was ich hiermit nicht behaupte!), ein besonders schwerer Fall der Täuschung anzunehmen, was zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen dürfte.

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Dem Plagiator wird lt. Zeit zudem nun auch Amtsmissbrauch vorgeworfen:

 

"Der Ministerialrat Dr. Dr. Ulrich Tammler habe demnach 2004 für Guttenberg die Ausarbeitung verfasst. Der Titel lautete: "Die Frage nach einem Gottesbezug in der US-Verfassung und die Rechtsprechung des Supreme Court zur Trennung von Staat und Religion". Tammler habe seine Arbeit an dem zehnseitigen Papier am 13. Mai 2004 beendet und dann an das Abgeordnetenbüro Guttenbergs weitergeleitet.

 

Obwohl Abgeordnete den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nur im Rahmen ihrer mandatsbezogenen Arbeit nutzen dürfen, habe Guttenberg den Text nahezu vollständig in seine Dissertation eingefügt. Änderungen Guttenbergs an dem Text fänden sich kaum. Tammler selbst werde namentlich in keiner von Guttenberg Quellenangaben zitiert. Lediglich die Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes erwähnt Guttenberg auf Seite 391 seiner Promotionsschrift."

 

Dem Vorwurf wegen Amtsmissbrauchs muss sich ja derzeit auch Berlusconi stellen, vielleicht haben beide bei solchen Gemeinsamkeiten ja Interesse an einem Gespräch.

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@ Hans Georg: fragen Sie Schulkinder - bei denen wird "guttenbergen" bereits als Sysnonym für abschreiben gebraucht.

Sollte sich bestätigen, dass der Freiherr auch den Steuerzahler als Finanzier der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages für seine privaten Titelambitionen belastet hat, wird es ja neben der Urheberrechtsverletzung auch in Bezug auf Schadensersatz interessant.

Abgesehen von der "vergessenen" Fußnote ...

 

Unterstellt, der Minister lügt nicht und ist tatsächlich (Allein-)Verfasser der sog. Dissertation, drängt sich mir doch folgende Frage auf:

Wenn jemand mit Prädikatsexamen eine über 7 Jahre geschriebene aber jeglicher rechstwissenschaftlicher Handwerkskunst widersprechende Arbeit abliefert (weil er es wahrscheinlich während des Studiums nicht besser gelernt hat)  -  was sagt das über den qualitätiven Aussagewert des ersten Staatsexamens, respektive der Bewertung mit Prädikat aus?

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Trotz allem habe ich die Befürchtung, dass er den Titel behalten wird und allenfalls eine Rüge ausgesprochen oder die Note abgeändert wird. In dem Fall wird noch ein wenig diskutiert werden und gelegentlich mag die Angelegenheit noch mal in den Medien erwähnt werden, aber letztlich behält er den akademischen Grad, auf den er offensichtlich so viel Wert legt, und wertet damit zugleich die Arbeit vieler Personen, die sich bei ihrer Arbeit an wissenschaftlichen Standards und einen Ehrenkodex halten, ab.

 

Letztlich liegt es im Ermessen der allein entscheidenden Universität (und eventuell gewisser Einflüsse dahinter). Da den Bayern im Allgemeinen ja vergleichsweise gleichgültig ist, was der Rest der Republik von ihnen hält und andererseits sein Doktorvater bzw. die damalige Kommission ständig betont, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen sei, wird man dort, auch um der Reputation dieser Leute keine Kratzer zuzufügen, vermutlich versuchen die Angelegenheit "diskret" (so weit noch möglich) zu regeln. Dann wird zu Guttenberg nicht mehr als Aushängeschild der Uni dargestellt und die Note "angepasst" und dann wächst Gras über die Angelegenheit.

Sollte der Titel wirklich aberkannt werden, würde dies ein "Schuldeingeständnis" bzgl. der eigenen mangelnden Sorgfalt sein und bei dem dann titellosen zu Guttenberg würde die Angelegenheit vermutlich weniger schnell ad acta gelegt, als bei einem Entzug. Ein entzogener Titel würde ihm mind. den Rest der Karriere (wenn nicht des Lebens anhaften). Während die Note, der Inhalt oder irgendwelche Fragwürdigkeiten (wie bei Chr. Schröder oder Kohl) nur gelegentlich mal aufgegriffen werden, während das Entscheidende aber, die honorige Anrede, bleibt.

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Was mir gerade erst auffält :

 

 

„ E p l u r i b u s u n u m " , „ A u s v i e l e m e i n e s "   sind die ersten Worte der Einleitung. Der Plagiator hat Sinn für Humor, das muss man ihm lassen.
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Hier ist jetzt eine Zusammenstellung herausragender Plagiatsstellen aufgelistet, u.a.:

- sind acht Seiten einer Quelle durchgehend übernommen worden

- sechs Seiten wurden aus einem englischsprachigen Artikel übersetzt und kopiert
- aus der Proseminararbeit eines Studenten der Politikwissenschaft an der FU Berlin wurde abgeschrieben

- ein Artikel von Hagen Schulze wurde als eigenes Fazit ausgegeben

- auch Gedanken des früheren Verteidigungsminister Rupert Scholz wurden ohne Quellennennung kopiert

 

 

  • Beim Überfliegen der im Guttenplag veröffentlichten Passagen ist einigen Wiki-Benutzern ein bemerkenswerter Stilbruch zwischen dem Vorwort und dem gesamten Rest des Textes ins Auge gestochen:
  •  
  • Das Vorwort ist so unleserlich chaotisch in seiner logischen und sprachlichen Struktur (“Kairos der Fertigstellung”) (Originaltext zum Anhören), dass es bereits bei Erscheinen der Arbeit Anlass zu ironischen Rezensionen (FAZ) gab.
  • Der Rest der Arbeit ist dagegen erstaunlich lesbar, und gerade die subtilen Bearbeitungen des Plagiators zeigen (neben einer Neigung zur längeren Phrase), ein hervorragendes Verständnis für sprachliche Nuancen und die Logik des Textes.
  • Es wäre also nicht überraschend, wenn sich das Vorwort als einziger genuiner Beitrag des “Verfassers” herausstellt.
  •  
  • Und weiter:
  •  
  • Die umfangreichen aus dem Englischen plagierten Passagen sind sehr professionell übersetzt. Sie lösen sich souverän von der englischen Vorlage und sind nur durch das Fehlen deutscher Quellen als Übersetzung zu erkennen. Das erwartet man eher von einem erfahrenen literarischen Fachübersetzer als von einem studierten Juristen, selbst wenn er in seinen Sommerferien Plato im Original liest.
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Interessant ist auch, wie arrogant-grinsend Googleberg die Presse erreicht und seine nicht erklärenden Verklärungen Worte zu den eigenen extrem zahlreichen Dissertations-Plagiaten abliest, bezieht er sich doch sogleich auch auf die kurz zuvor getöteten Soldaten im Krieg - nach meinem Eindruck somit alles wieder nur Ablenkung und Schauspiel.

Inzwischen kann man auch in einem Video von der Bundespressekonferenz die für politische Hauptstadjournalisten sehr deutliche Reaktion auf das feige Verhalten eines verantwortungslosen Ministers und die blassen abwiegelnden Sprecher von Guttenberg und Regierung anschauen.

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Die entscheidende Strategie der Spin-Doctors ist die Differenzierung zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz!

- Während die Fahrlässigkeit (Vergessen von Anführungsstrichen) aufgrund anderweitiger Überlastung angesichts des unvergleichlichen Ausmaßes der Übernahmen über die Promotionsordnung (Rückgabe zur Korrektur innerhalb eines Jahres) zum Leidwesen des betroffenen Doktorvaters und der Uni wohl nicht mehr aufgefangen werden kann, bietet sie die Chance zum - sogar gestärkten - politischen Überleben, denn "schlampig waren wir alle schon mal".

- Anders sieht es mit dem Vorsatz aus, der einem politischen Überleben entgegen steht. Und da hat sich der Minister wie etwa Barschel, Clinton und Daum jetzt festgelegt. Daher bemüt sich GuttenPlag jetzt verstärkt den Täuschungsvorsatz gegenüber der Öffentlichkeit stärker herauszuarbeiten.

- Die vielsagenden - kaum veränderten Übernahmen - für angeblich eigene Wertungen in Einleitung und Schlussbetrachtungen sprechen für sich und stellen nur die Spitze des Eisberges dar. Hinzu komm, dass es jeder Lebenserfahrung wissenschaftlicher Arbeitsweise widerspricht, dass auch im darstellenden Teil der Dissertation collagenartig große Textfragmente übernommen werden, ohne dass im Laufe der siebenjährigen mühevollen Bearbeitungszeit nicht eigene oder auch fremde Gedanken solche Fragmente aufgelockert hätten.

Die nur in der Form aber nicht inhaltlich (!) angepassten Übernahmen sind nur in einer Auftragsarbeit zu erwarten.

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Etwas Psychologie:

 

"Jeder Mensch kann etwas vergessen. Aber jeder, der eine solche Arbeit, gerade wenn sie über mehrere Jahre entstanden ist, zumindest vor der Abgabe noch mal durchliest, erkennt bei längeren Textpassagen, ob er sie selber formuliert hat. Dass man ausführliche fremde Texte versehentlich für eigene hält, ist erinnerungspsychologisch undenkbar. Außer man plädiert auf Bewusstseinsstörungen und geistige Unzurechnungsfähigkeit."

 

Quelle: http://www.zeit.de/politik/2011-02/guttenberg-ghostwriter?page=2

 

Die Verteidigungslinie in Bayreuth kann nur wie folgt aussehen:

 

1. Es gab keinen "Ghostwriter"; der Minister hat die Arbeit selbst verfasst.

 

2. Er hat Textbausteine aus anderen Werken in sein Manuskript übernommen; dabei wurden

 

a) teilweise Fußnoten schlicht vergessen und

 

b) wiederum teilweise aufgrund der langen Bearbeitungszeit (neben beruflicher Tätigkeit!) fremde Textbausteine nicht mehr als solche erkannt, sondern als eigenverfasster Text wahrgenommen.

 

3. Aus alledem folgt, dass die Arbeit zwar objektiv "Fehler" enthält, aber "zu keinem Zeitpunkt" eine Täuschungsabsicht bestand.

 

Um diese Verteidigungslinie anzugreifen, bedarf es der Heranziehung der in der ZEIT genannten wissenspsychologischen Zusammenhänge: Auch  nach mehreren Jahren erkennt man, was man selbst verfasst hat, und was nicht.

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Der Kommentar zum Video Guttenberg: "Meine Dissertation ist kein Plagiat" bringt es auf den Punkt: 

... sondern eine Sammlung von Dutzenden Plagiaten aus verschiedensten Quellen (vom Studienanfänger bis zur FAZ). Typisch Jurist: Formell ist seine Aussage richtig, man muss sie nur richtig deuten, um zu merken, dass er eigentlich das Gegenteil der Wahrheit sagte... ccd101

Damit erweist der Freiherr der Juristerei zusätzlich den Bärendienst, das Wortklauber- und Wortverdreher-Image der Fachrichtung negativ zu bestärken. Ganz großer Sport!

Das "arrogante" Grinsen kommt eher von der Verlegenheit des missratenen ersten Versuchs

Er ist wirklich kein guter Schauspieler (was hier natürlich hilfreich ist). Jeder Vernehmungs- und Videoauswertungsspezialist würde seinen akademischen Titel darauf setzen, dass er an folgenden Stellen gelogen hat - es genügt, alleine seinen Lidschlag aufmerksam zu verfolgen, der spricht Bände (oder sollte man besser sagen: Dissertationen?):

"[Für diese Stellungsnahme bedurfte es keiner Aufforderung] und sie gab es auch nicht" -> die Kanzlerin hat mich  einbestellt - ich hätte einen Wahlkampfauftritt in Sachsen-Anhalt gehabt, den ich wegen des Merkel-Termins absagen musste

"[den Vorwurf weise ich] mit allem Nachdruck [von mir]" -> die Vorwürfe sind berechtig, aber das kann ich hier natürlich nicht zugeben

"sieben Jahre mühevollster Kleinarbeit als Familienvater" -> die unterstützende Kleinarbeit haben andere gemacht

"[es wurde allerdings] zu keinem Zeitpunkt [bewusst getäuscht]" -> fast zu keinem, von mir jedenfalls nur bei der Abgabe der Erklärung, dass alles von mir ist, was ich nicht ausdrücklich als Zitat gekennzeichnet habe(n lasse)

"Die eingehende [Prüfung und Gewichtung ... obliegt nun der] Universität [Bayreuth]" -> liebe Kommission, lieber Doktorvater: schaut nicht so genau hin und spielt auf Zeit und den Skandal herunter

"[Jede weitere Kommunikation über dieses Thema werde ich von nun an] ausschließlich [mit der Uni Bayreuth führen]" -> schön wär's, ich muss meinen Partei"freunden" und meiner Chefin weiterhin Rede und Antwort stehen

"[Die Menschen in] diesem Lande erwarten, [dass ich mich um das] fordernde Amt [des Verteidigungsministers mit voller Kraft kümmere, und das] kann ich auch." -> der Erwartungsdruck ist zu hoch und außerdem gehen mir die Untergebenen aus, die ich öffentlichkeitswirksam bzw. auf Druck der Bildzeitung feuern könnte, die Aufgabe wächst mir über dem Kopf.

"[Wir] stehen vor einer [historischen Bundeswehrreform. Und] ich trage [die Verantwortung für die Soldaten im Einsatz,] wie ein Ereignis [an dem heutigen Tage einmal mehr auf bittere Weise zeigt.]" -> Die Reform überfordert mich ebenso wie die Tatsache, dass ich für jeden toten Soldaten verantwortlich gemacht werde.

"Herzlichen Dank" -> gut, dass ich das hinter mir habe und nicht echten Journalisten vor der BPK Rede und Antwort stehen musste, sondern Kameramännern einen Videoschnipsel zum Spielen gegeben habe. Nichts wie weg hier, bevor Rückfragen kommen.

 

 

 

Selbst wenn man sich mit dem Thema der Dissertation kaum identifizieren sollte, so versteht man am Ende zumindest soviel vom Thema, dass man das, was andere noch so brilliante Denker zuvor geschrieben haben, nicht umfangreich passagenweise vorbehaltlos übernehmen können wird, ohne aus dem eigenen Herzen eine Mördergrube zu machen. Man wird kaum aushalten können, hier und da eine Nuance zu setzen.

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Auf Heise schreibt auch ein "nur" 120-Seiten Diplomant: "Das wirklich Ärgerliche ist die "cosi fan tutti"-Mentalität...".

NEIN, liebe Damen und Herren Spezl. NEIN NEIN NEIN. Wer eine Doktorarbeit oder jede andere wissenschaftliche Arbeit einfach nur so mit als eigene intellektuelle Leistung dargestellten geklauten Zitaten zusammenschustert oder -schustern lässt, der hat KEIN RECHT, irgendeine bessere Note als ungenügend zu bekommen, ohne Chance auf Wiederholung der Arbeit. Alles andere ist ein Schlag ins Gesicht all derer, deren Blut, Schweiß; und Tränen der ehrlichen Arbeit in so einem Werk steckt, und es düpiert die Wissenschaften und Forschung und Lehre als ganzes. Insbesondere wenn ein hochwohlgeborener Herr aus gutem Hause offenbar meint, für ihn gelten andere Regeln als für das gemeine Volk. Das tat er stillschweigend vor der Entdeckung des Schwindels, und er tut es jetzt immer noch mit seiner Arroganz bei der Schadensbewältigung."


Denn man muß jede wissenschaftliche Arbeit restriktiv bewerten, insbesondere schriftliche Ausarbeitungen, bei deren Erstellung einem grds. sogar alle Quellen zur Verfügung stehen. Restriktive Bewertung ist gerade der Sinn der wissenschaftlichen Genauigkeit, wenn diese Bewertung zu einem wie auch immer gearteten "wissenschaftlichen" Abschluss führen soll - und was für eine Semester-, Studien- oder Diplomarbeit gilt, gilt weit konsequenter für eine Promotion. Einzig logisches Fazit ist also: Aufgrund massivster Täuschungen liegt keine taugliche Dissertation vor, der Grad ist umgehend abzuerkennen, um insbesondere möglichen Schaden von Wissenschaft, Fachbereich und auch der betreffenden Universität durch das Handeln des Täters abzuwenden.

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link: heise.de/tp/blogs/foren/S-Das-wirklich-Aergerliche-ist-die-cosi-fan-tutti-Mentalitaet/forum-194638/msg-19858476/read/

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Sehr geehrter DrFB,

die eidesstattliche Versicherung ist deshalb in vielen Promotionsordnungen nicht mehr enthalten, weil die Fakultäten  nach inzwischen verbreiteter Meinung nicht mehr zur Abnahme solcher Versicherungen befugt sind. D.h. selbst wenn eine solche e.V. abgegeben würde, wäre der Doktorand nicht aus § 156 StGB strafbar.

Daher haben die neueren PromO diese Zulassunsgvoraussetzungen durch die ehrenwörtliche Versicherung ersetzt.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

PS (später eingefügt): Wenn das jew. Bundesland eine Rechtsgrundlage für die Fakultäten enthält (zB. Art. 64 BayHSchG), dann kann die PromO eine  e.V. vorsehen. Das Erfordernis einer spez. Rechtsgrundlage wurde durch § 27 Abs.1 VwVfG begründet.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

die eidesstattliche Versicherung ist deshalb in vielen Promotionsordnungen nicht mehr enthalten, weil die Fakultäten  nach inzwischen verbreiteter Meinung nicht mehr zur Abnahme solcher Versicherungen befugt sind. D.h. selbst wenn eine solche e.V. abgegeben würde, wäre der Doktorand nicht aus § 156 StGB strafbar.

Daher haben die neueren PromO diese Zulassunsgvoraussetzungen durch die ehrenwörtliche Versicherung ersetzt.

Ich habe mich schon vor 20 Jahren gefragt, ob die Fakultäten jemals dazu berechtigt waren. Andererseits hat die TU Berlin es gerade 2006 noch einmal so formuliert. Und ganz nebenbei ist das "Ehrenwort" seit um und bei 20 Jahren ein recht ruinierter Begriff, wie nicht nur wir Menschen zwischen Küsten leidvoll erfahren mußten. Glückliches Bayern, das dies erst jetzt merkt.

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DrFB]</p> <p> [quote=Henning Ernst Müller schrieb:

Und ganz nebenbei ist das "Ehrenwort" seit um und bei 20 Jahren ein recht ruinierter Begriff, wie nicht nur wir Menschen zwischen Küsten leidvoll erfahren mußten. Glückliches Bayern, das dies erst jetzt merkt.

 

Ehrenwort? Das ist doch seit Stoltenberg schon längst verrufen... Der nächste war Barschel... eine lange deutsche Ehrenwort-Tradtion der deutschen Politik. Bitte nehmen Sie mir es nicht übel. Aber denken Sie mal daran, welcher strafrechtlichen Vergehen so mancher Politiker dieser Republik bereits verurteilt wurde...

 

Übrigens, auf Facebook gibt es mittlerweile eine Gruppe von ca. 174000 Leuten, die gegen die Jagd auf zu Guttenberg prottestieren.

 

Ich könnte mir übrigens vorstellen, wer am meisten mit ihm hadern wird: Sein Vater... Dagegen ist Anne Will vermutlich harmlos.

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PS: Der Absatz steht natürlich in Anführungszeichen "NEIN, liebe Damen und Herren Spezl. NEIN NEIN NEIN. Wer eine Doktorarbeit oder jede andere wissenschaftliche Arbeit einfach nur so mit als eigene intellektuelle Leistung dargestellten geklauten Zitaten zusammenschustert oder -schustern lässt, der hat KEIN RECHT, irgendeine bessere Note als ungenügend zu bekommen, ohne Chance auf Wiederholung der Arbeit. Alles andere ist ein Schlag ins Gesicht all derer, deren Blut, Schweiß; und Tränen der ehrlichen Arbeit in so einem Werk steckt, und es düpiert die Wissenschaften und Forschung und Lehre als ganzes. Insbesondere wenn ein hochwohlgeborener Herr aus gutem Hause offenbar meint, für ihn gelten andere Regeln als für das gemeine Volk. Das tat er stillschweigend vor der Entdeckung des Schwindels, und er tut es jetzt immer noch mit seiner Arroganz bei der Schadensbewältigung." ;-)

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Wie bereits vermutet wurde, scheint es Googleberg grds. nicht so genau mit der Wahrheit zu nehmen, wenn man etwa auch diesem Artikel Glauben schenken mag: "Nach Ideenklau - Guttenberg soll auch seinen Lebenslauf geschönt haben".

 

Das Verhalten lumpiger raubkopierender Politiker und deren öffentliches Zur-Verfügung-Stellen der raubkopierten Inhalte analysiert anhand eines aktuellen Falles Alfred E. Sprecher, seinen Täter nennt er rein fiktiv "Freesir at GoodyMountain", gesprochen Fresör.

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Interessant ist auch das Ergebnis einer angeblich unabhängigen Emnid-Studie für Bild, ähnlich bei Infratest/Dimap für Tagesschau, nach der die Mehrheit der Bevölkerung angeblich nicht Guttenbergs Rücktritt sieht. Dass jedoch an solchen Umfragen zumindest auch Zweifel angebracht sind, zeigte eine Bertelsmann/Emnid-Umfrage zum angeblichen schulischen Reformbedarf. In einer kritischen Pressemitteilung des Deutschen Lehrerverbandes etwa erfährt der Leser, dass eine Forsa-Umfrage zu ganz anderen Ergebnissen kam. Nur zur Information, sowohl an dem Unternehmen Emnid als auch Infratest gibt es sehr starke ausländische (britische) Mehrheitsbeteiligungen (s. jeweils Wikipedia). Bezogen auf die aktuelle Umfrage ist sehr auffällig, dass etwa die Online-Befragungen der Leser selbst der FAZ mit 53%, des Spiegel mit 60% und der Frankfurter Rundschau mit 89% zu dem Ergebnis kommen, dass Guttenberg zurücktreten muss.

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Die Vorwürfe sind ja nun soweit substantiiert, dass der Minister der Lüge und der unlauteren Zweckentfremdung des Wissenschaftlichen Dienstes überführt ist. Mal abgesehen davon, dass die zu Recht geforderten Konsequenzen vor der Wahl in Hamburg nicht zu erwarten waren und man sich über ihr Ausbleiben frühestens Mitte der Woche wundern kann, läuft die affektierte Entrüstung vermeintlich im Dienste der Wissenschaft Gefahr, ins Lächerliche abzugleiten. Insbesondere soweit sie mit Sozialneid, Adels-Aversionen, infantilen Namensspielereien und den obligatorischen Scherzen über Guttenbergs Haartracht unterlegt ist.

Die geltenden Standards sind indes keine wissenschaftlichen sondern lediglich Anleitung zum urheberrechtlich unbedenklichen Textausstoß. Die Rechtswissenschaft hat mehr als jede andere Fachrichtung das Publizieren zum Mittel zur Pflege von Eitelkeiten degradiert und ist dem stellenweise, jedenfalls in der Aufsatzliteratur, längst zum Opfer gefallen. Seit Beginn der Diskussion habe ich einige digital publizierte juristischen Dissertationen in Hinblick auf eine mögliche elektronischen Überprüfung durchgesehen und musste feststellen, dass vier von fünf schon keinen ausreichenden Gehalt eigener Schlussfolgerungen der Autoren durch nicht belegte Textstellen behaupten, als dass sie sinnvoll auf ihre Plagiatseigenschaften hin zu untersuchen wären. Mag sein, dass die Auswahl an der begrenzten Resonanz des Open Access hierzulande liegt, Arbeiten anderer Fachrichtungen werfen das Problem dennoch nicht in dem Maße auf. Ob die Enthüllung, dass bei so einem Flickwerk die Fußnoten weggelassen wurden und es die Bestnote erhielt, da nun so gänzlich unerwartet einschlägt, mag jeder für sich beurteilen.

Darüber hinaus zu Guttenbergs Lebenslauf als geschönt zu "entlarven" treibt die Bigotterie auf die Spitze. Der Umfang der auf den universitären Internetpräsenzen eingestellten Lebensläufe und Schriftenverzeichnisse verhält sich dem Zweck entsprechend meist reziprok zu Dauer und Gewicht des wissenschaftlichen Wirkens der vorgestellten Person. In einer Zeit, in der in Stellenanzeigen die Begriffe "Chancen" und "Einblicke" als Umschreibung für "umsonst arbeiten" dienen, werden in den Lebensläufen Praktika eben zu "beruflichen Stationen". Das kann man sehr wohl missbilligen, aber kaum dem einzelnen Verwender solcher Euphemismen vorwerfen.

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Richard schrieb:
 

Die Vorwürfe sind ja nun soweit substantiiert, dass der Minister der Lüge und der unlauteren Zweckentfremdung des Wissenschaftlichen Dienstes überführt ist. Mal abgesehen davon, dass die zu Recht geforderten Konsequenzen vor der Wahl in Hamburg nicht zu erwarten waren und man sich über ihr Ausbleiben frühestens Mitte der Woche wundern kann, läuft die affektierte Entrüstung vermeintlich im Dienste der Wissenschaft Gefahr, ins Lächerliche abzugleiten. Insbesondere soweit sie mit Sozialneid, Adels-Aversionen, infantilen Namensspielereien und den obligatorischen Scherzen über Guttenbergs Haartracht unterlegt ist.

 

Dazu folgende Ankerkungen:

 

1. Die Vorwürfe sind in viel weitgehenderem Ausmaß "substantiiert", als du mit deinem Posting insinuierst. Nachweislich sind ca. 70% der Seiten dieser Arbeit von nicht oder nicht hinreichend kenntlich gemachten Übernahmen fremder Texte betroffen. Diese schiere Größenordnung drückt sich in deiner Einschätzung ("Lüge"; "Zweckentfremdung des wissenschaftlichen Dienstes") nicht annähernd aus.

 

2. Die "Entrüstung im Dienste der Wissenschaft" ist keineswegs "affektiert", jedenfalls nicht bei den mir bekannten Menschen, die sich entrüsten. Die mir bekannten Menschen, die sich entrüsten, sind in ernster Sorge, weil der Minister statt dem gebotenen Geständnis ob der erdrückenden Fakten nun offenbar auf die zuständigen Gremien der Universität Bayreuth setzt, den Titel allen "laws of the community" zuwider zu belassen. Wenn das geschehen sollte, hätte das kaum zu unterschätzende Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort Deutschland.

 

3. Du solltest die durchaus massiven Pressekampagnen berücksichtigen, die trotz der Schwere der Verstöße eine Pro-Guttenberg-Stimmung induzieren; die "wissenschaftlichen Standards" werden zur Marginalie degradiert, um in diesem Einzelfall zum politisch (!) gewünschten Ergebnis zu gelangen. Wie das bei einem Politikum in einer Demokratie ist, lösen solche Kampagnen auch immer Gegenstimmungen (man könnte auch von allergischen Reaktionen sprechen) aus. Das Gefühl, vielleicht auch die Angst, einiger Demokraten (mich eingeschlossen) besteht, dass für zu Guttenberg bei der Auslegung und Anwendung des § 16 der Promotionsordnung plötzlich andere Maßstäbe gelten, als für Otto Normalstudent. Aus diesen Befürchtungen speist sich ein beträchtlicher Teil der Adelswitzeleien, die ein Ventil in einem Diskurs sind, der auf Messer's Schneide steht. Das ist normal.

 

4. Der Vorwurf von "Sozialneid" an diejenigen, die auch die Frage nach der Bedeutung der Herkunft für die Behandlung durch Institutionen stellen, ist nicht mehr als eine inhaltsleere Kampfformel; entsprechende Ressentiments haben die Debatte bisher nicht geprägt!

 

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@128 Die Satiren auf guttenplag haben tatsächlich ein beachtliches Ausmaß angenommen, sind großteils zudem sehr unterhaltsam und angesichts des hohen öffentlichen Interesses am Schwinden der vermeintlich wesentlichsten Charaktereigenschaften eines Regierungsmitglieds gerechtfertigt.

 

Wie weiter oben schon dargelegt, kann nicht von einem bloßen Sein auf ein Sollen geschlossen werden - Humes Gesetz - das gilt für die Dissertationstäuschungen als auch die nun vermuteten im Lebenslauf. Zumal sich hier eben diese besonderen privaten Charakterzüge auch im Verhalten des politischen Alltags eines der höchsten politischen Amtsträger des Landes zeigen werden, wodurch eine genaue Beobachtung und Analyse durch die Öffentlichkeit stets besonders gerechtfertigt, in einer Demokratie vielmehr geboten ist.

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Ich finde auch seinen Satz toll

"Ich werde mir keine anderen Maßstäbe anlegen, als ich sie bei anderen angesetzt hätte."

So spricht der Solipsist: "Meine Maßstäbe sind entscheidend, nach denen soll sich gefälligst auch die Uni Bayreuth richten. Und da ich jedem anderen Doktoranden das Stehlen geistigen Eigentums und/oder Ghostwriting durchgehen lasse, exkulpiere ich mich damit selbst."

s.o.: "Typisch Jurist: Formell ist seine Aussage richtig, man muss sie nur richtig deuten."

Hier übrigens die schönsten Phrasen Maßstäbe von seiner Homepage - mal sehen, inwieweit er ihnen in den nächsten Tagen gerecht wird:

  • Jedes Kind muss entsprechend seiner Begabung gefördert werden.
  • Politik als Dienstleistung zu begreifen stellt für mich ein Grundverständnis dar.
  • Politik braucht klare Werte, muss mutig und zukunftsorientiert handeln.
  • Verantwortung bedeutet vor allem Verpflichtung, Vertrauen und Gewissen.
  • Ich will auch unbequemen Fragen nicht aus dem Weg gehen, denn nur dann behält man das Gefühl, was für die Menschen wichtig ist.
  • Richtschnur meines Handelns war und ist Prinzipienfestigkeit und Grundsatztreue.
Immerhin ist er laut seiner Webseite nur noch zum jur. promoviert - zum Überarbeiten der Homepage hat wohl die automatische Such-und-Lösch-Funktion den Vorzug vor einem Menschen erhalten ... :-D  Auch seine  Facebook-Seite

ist Realsatire pur ...

     

 

@Andreas

Danke für Ihre Ausführungen

Ihr Hinweis auf die dem Vertrauensschutz dienenden Regelungen der Prüfungsordnungen zum StaatsEx (keine Aberkennung nach Frist in Jahren trotz Täuschung) helfen hier allerdings nicht weiter:

Die Regelung § 16 Art. 2 der Promotionsordnung entfalltet gerade keine vergleichbare, dem Vertrauensschutz dienende Wirkung. Denn sie enthällt keine Ausschlussfrist und lässt für sich gesehen mithin auch noch nach bspw. 10 Jahren die Feststellung des Nichtbestandens durch die Kommission zu.

Das von Ihnen angesprochene auf Null reduzierte Ermessen im Fall eines eindeutigen Plagiats, ist mEn - bei einer Entscheidung im Sinne des Promovierenden - eher theoretisch und entfalltet keine wirksame Bindung:

Entscheidet sich die Prüfungskommission trotz eindeutigem Plagiats, also rechtsfehlerhaft dagegen, die Promotionsprüfung für nicht bestanden zu erklären, hätte dies keinerlei Konsequenzen. Oder wie stellen sie sich eine gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung in diesem Falle vor? Gibt es einen klageberechtigten Dritten (ausserhalb der Uni) von dem ich nichts weiß? 

Unterstellt man die Befangenheit der Kommission im vorliegenden Fall und hat diese aus Gründen der Gesichtswahrung etc.  kein Interesse an einer zur Aberkennung d. Titels führenden Entscheidung, bewirkt die Regelung des § 16 Art. 2 daher (überspitzt gesagt) eine Heilung des Mangels der Täuschung durch Urkundenaushändigung.

Ein überzeugende Argument, warum die Folgen der Entdeckung eines Plagiats eine Woche nach Urkundenübergabe dem Ermessen der Kommission unterliegen, eine Woche vor der Urkundenübergabe aber de lege zum Nichtbestehen führen, tut sich mir nicht auf.

In diesem Zusammenhang sticht auch der bemerkenswerten Umstand ins Auge, dass in der Promotionsordnung der Uni Bayreuth auf eine eidesstattliche Versicherung verzichtet wird. Die Gründe hierfür erschließen sich mir ebenfalls nicht - Ausser natürlich, dass dies (zusammen mit §16 II) dem Klüngel (bayr.: Amigo) zwischen Doktorant und Universität äußerst zuträglich ist.

 

MfG

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@ KTM

 

1. "Vertrauensschutz" besteht nach § 16 Abs. 2 nicht in der Weise, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit das Bestandsinteresse Vorrang vor dem Rechtmäßigkeitsinteresse hätte.

 

Aber in der Abwägung, die § 16 Abs. 2 ermöglicht, kann auch berücksichtigt werden, welche Folgen die Entscheidung für die Lebenssituation des Betroffenen hat.  Als allgemeinen Grundsatz hat das  W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 4. Aufl. ausformuliert: Die Rücknahme einer Prüfungsentscheidung kann trotz Täuschung des Prüflings auch dann unverhältnismäßig sein, wenn die Entscheidung für die Person besonders schwere Konsequenzen hätte. Es ist eben eine Abwägungsentscheidung, und Kriterien, die nicht per se sachfremd sind, dürfen in den Abwägungsvorgang einfließen.

 

Oder sehen Sie das anders? Wäre nach Ihrer Auffassung die Berücksichtigung des Umstands, dass viele Jahre vergangen sind (und der Herr Dr. vielleicht mittlerweile ein alter Greis ist...) "sachfremd", so dass dieser Umstand nicht berücksichtigt werden dürfte?

 

2. Den klagebefugten Externen gibt es nicht; keine Popularklage! Vielleicht müsste eine universitätsübergreifende "Kommission für gute Wissenschaft" in den Ländern ein Klagerecht erhalten, um solche Entscheidungen bei ernstlichen Zweifeln einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen zu können, was aber mit dem Autonomiegedanken im Hochschulrecht kollidieren dürfte... Es bleibt also nur der öffentliche Druck.

 

3. Das Ermessen in § 16 Abs. 2 ist nicht per se unangemessen, aber sicher nicht die beste Lösung. Dazu zwei Beispiele:

 

Beispiel 1 : Prüfungsordnung Jura der Univ. Hamburg:

 

"§20 Verfahren bei Täuschung und Entziehung des Grades

 

Hat sich der Bewerber oder die Bewerberin im Promotionsverfahren einer erheblichen Täuschung schuldig gemacht, so erklärt der Promotionsausschuß nach Anhörung des oder der Betroffenen die Prüfung für nicht bestanden. Ist der Doktorgrad bereits verliehen, so wird er vom Promotionsausschuß aberkannt."

 

Hier wird zwar kein Ermessen festgelegt ("wird ... aberkannt"), allerdings liegt ein unbestimmtes Tatbestandsmerkmal  ("erhebliche Täuschung") vor. Das ist notwendig, da bei einer ganz geringfügigen Täuschung die Entziehung nicht verhältnismäßig wäre.

 

Beispiel 2: Promotionsordnung Jura der Univ. Bonn:

 

"§ 26
(1) Hat der Doktorand bei einer Promotionsleistung eine Täuschung, Drohung
oder Bestechung begangen und wird dies nach Aushändigung des
Doktordiploms bekannt, so kann die Fakultät nachträglich die Bewertung der
Promotionsleistungen ändern, eine erneute mündliche Prüfung anordnen oder
den Doktorgrad entziehen."

 

Hier wiederum wird ein Ermessen dergestalt geregelt, dass die Fakultät unterschiedlich schwerwiegende Sanktionen zur Verfügung hat (letzteres ist in § 16 Abs.2 der Prüfungsordnung Bayreuth implizit enthalten).

 

Vergleicht man diese Regelungsansätze, spricht vieles für denjenigen der Univ. Hamburg: Entziehung (ohne "kann") bei erheblicher Täuschung; die Rechtsunsicherheit (und in Ihren Worten: der Willkürgehalt), der sich aus dem Erheblichkeitsbegriff ergibt, ist geringer, als derjenige, der aus einem nicht näher bestimmten Ermessen auf Rechtsfolgenseite folgt.

 

Was erwarten Sie im konkreten Fall zu Guttenberg?

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@Andreas

Danke für den Hinweis auf die Gegenbeispiele, wir verstehen uns doch!

Eine "Besonderheit" ist mir beim Überfliegen der Promotionsordnung auch noch aufgefallen (ohne zu wissen wie das üblicherweise sonst geregelt ist):

Eine Ablieferung der Arbeit auch in elektronischer Form ist nicht vorgesehen (vgl. § 8) !

Angesichts der Tatsache, dass bei uns an der Universität bereits die Hausarbeiten der Erstsemester softwaremäßig auf Plagiate untersucht werden, hat dieser Umstand für mich zumindest ein "Geschmäckle" !

 

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Guten Tag,

 

seit ein paar Tagen haben wir nun diese Diskussion. Eine Diskussion die m.E. ähnlich dem Fall Kachelmann läuft. Hochgebauschte Medienschlacht mit Vorverurteilung.

 

Meine Herren Juristen: Gilt in diesem Land eigentlich die Unschuldsvermutung noch? Ich dachte bisher, dass erst nach Spruch eines ordentlichen Gerichtes jemand als schuldig gilt. Hat jemand überhaupt mal darüber nachgedacht, dass so eine Dissertation auch gedruckt wird und auch eine Druckerei mal Fußnoten killen kann? Niemand fragt, ob es ein Literaturverzeichnis im Anhang gibt, der Bevölkerung werden in den Medien Auszüge vorgesetzt. Schön, doch ist es auch der Guttenbergsche Text, der eingereicht wurde? Nein, das ist eine ekelhafte Schlammschlacht.

 

Warum lassen sich alle instrumentalisieren, damit ein in der Bevölkerung scheinbar beliebter Politiker demontiert wird?

 

Abschließend die Frage von einem Laien: Was bringen der Wissenschaft Literaturauswertungen? M.E. hübsch anzuschauen, man spart sich viele Bücher. Wissenschaftlicher Mehrwert wohl kaum. Wußten Sie übrigens, dass Umberto Eco`s "Name der Rose" faktisch auch ein Plagiat ist? Es ist nachweislich ein Buch, dass aus vielen sehr vielen Stellen aus der mittelalterlichen Literatur zitiert.

 

Grüße von einem Nichtjuristen

 

JS

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@Prof. Müller  #124:

Offenbar hält sich aber in der Diskussion neben den offenbar berechtigten Abkupferungsvorwürfen auch  viel Unfug sehr hartnäckig.

So hat gestern bei "Anne Will" Herr Lauterbach gleich zu Beginn zwei Dinge behauptet, die einem die Haare zu Berge stehen lassen (dass die Runde mit den üblichen Universalgelehrten geradezu vor Fachkompetenz triefte: Dr. Wedel, Frau Schwarzer, Dr. Lauterbach, Dr. Hohlmeier, und sich nicht ein Einziger der Plagiatsverfolger, etwa der Rotweinglasschwenker aus Bremen, oder die Herren Theisen und Rieble bereit fand, ließ auch qualitativ nicht viel erwarten)

- Etwa die Mär von einer Straftat (falsche eV). Obwohl eigentlich bei einem Blick in einen Kommentar klar  ist, dass eine Uni, die sich kraft Selbstverwaltungsrechts eine Promotionsordnung gibt und darin etwas von einer abzuleistenden eV schreibt, aber nicht durch dasHochschulgesetz zur Abnahme einer eV ermächtigt ist, keine "andere zur Abnahme von eV zuständige Stelle", wird dieser Unsinn weiter in die Welt gesetzt (und: auch Herr Dr. Lauterbach als Nichtjurist sollte sich, wenn er an einer Diskussionsrunde teilnimmt, erst einmal sachkundig machen, ehe er etwas von Straftaten daherfaselt)

 

- und die Behauptung, der Doktortitel sei Namensbestandteil, deshalb könne man nicht wie Guttenberg vorläufig darauf verzichten. Nein, Herr Lauterbach: der Doktor ist nicht Namensbestandteil, und ob man ihn "führt" oder "vorläufig nicht führt" entscheidet, solange er nicht aberkannt ist, der Herr Doktor selbst. Hier ein netter, schon etwas älterer, aber immer noch inhaltlich richtiger Aufsatz :

http://www.zimmerling.de/veroeffentlichungen/volltext/doktoranrede.htm

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@ klabauter:

Die angeführten Beispiele sind allerdings Kinkerlitzchen im Vergleich zu schon hilflos anmutenden Ablenkungs-, Verharmlosungs- ("Fehler" statt Betrug) und Täuschungsversuchen ("Hetzjagd" von Rot-Grün) einer Monika Hohlmeier. Geradezu rührend, aber in ihrer Plumpheit eine Beleidigung für den Intellekt eines noch nicht bierzeltbesoffenen Zuschauers.

Mittlerweile fast der größere Skandal ist die von Desinformation nur so strotzende Verlautbarung des Freiherrn vom vergangenen Freitag. Nicht das Plagiieren oder die Beauftragung von Ghostwritern macht ihn als Politiker untragbar, sondern das Belügen der Öffentlichkeit.

Sehr geehrter Herr Joerg,

seit ein paar Tagen haben wir nun diese Diskussion. Eine Diskussion die m.E. ähnlich dem Fall Kachelmann läuft. Hochgebauschte Medienschlacht mit Vorverurteilung.

Nein, ich erkenne nur Unterschiede zur Kachelmann-Debatte, die einzige Gemeinsamkeit ist, dass  beide (Kachelmann und zu Guttenberg) eine gewisse Prominenz haben. Im Gegensatz zu Kachelmann bekleidet aber zu Guttenberg ein öffentliches Amt, er ist gewählter Politiker; außerdem geht es (bislang) nicht um einen Strafrechtsvorwurf.

Meine Herren Juristen: Gilt in diesem Land eigentlich die Unschuldsvermutung noch? Ich dachte bisher, dass erst nach Spruch eines ordentlichen Gerichtes jemand als schuldig gilt.

Wie gesagt, es geht gar nicht um einen Strafrechtsvorwurf, sondern um einen in der Öffentlichkeit stehenden Politiker, dessen Wahrheits- und Ehrverständnis  selbstverständlich in einer Demokratie öffentlich diskutiert werden kann und MUSS. Zudem würde, wenn die Uni Bayreuth Herrn zu Guttenberg den akad. Grad nicht aberkennt, überhaupt kein Gericht mit dieser Frage befasst werden; wenn die Univeristät dne Titel aberkennt, wird nur zu Guttenberg selbst die Sache vor ein Gericht bringen können, allerdings mit sehr wenig Aussicht auf Erfolg.

Hat jemand überhaupt mal darüber nachgedacht, dass so eine Dissertation auch gedruckt wird und auch eine Druckerei mal Fußnoten killen kann?

Sie haben sich offenbar nicht darüber informiert, dass es gar nicht (wie Herr zu Guttenberg unterstellt) um einige Fußnoten geht, sondern um große Teile der Dissertation, die abgeschrieben wurden. Zudem kann eine Druckerei nicht einfach "Fußnoten killen". Heutzutage werden in den Setzereien nur elektr. Dateien verarbeitet, zudem muss der Autor den Satz Korrektur lesen und den Druck freigeben. Dass es sich um einen Fehler der Druckerei handeln könnte, wird nicht einmal von Herrn zu Guttenberg behauptet.

Niemand fragt, ob es ein Literaturverzeichnis im Anhang gibt, der Bevölkerung werden in den Medien Auszüge vorgesetzt. Schön, doch ist es auch der Guttenbergsche Text, der eingereicht wurde? Nein, das ist eine ekelhafte Schlammschlacht.

Ich kenne das Buch, es enthält selbstverständlich ein Literaturverzeichnis. Dieses ist aber hinsichtlich einiger der abgeschriebenen Quellen ebenfalls lückenhaft. Bei dem in der Öffentlichkeit kontrollierten Werk - es ist übrigens einer der Zwecke der Veröffentlichungspflicht von Doktorarbeiten, dass diese überprüft werden können - handelt es sich tatsächlich um das Guttenbergsche Werk. Da Herr zu Gutenberg nachweislich bei einem "Ehrenwort" gelogen hat, halte ich es nicht für eine Schlammschalcht, wenn die Öffentlichkeit ihn deshalb kritisiert.

Warum lassen sich alle instrumentalisieren, damit ein in der Bevölkerung scheinbar beliebter Politiker demontiert wird?

Ich halte mich nicht für instrumentalisiert, sondern würde bei jedem Doktoranden (egal welcher Partei) das Gleiche vertreten. Ich hielte es aber für eine Instrumentalisierung der "Beliebtheit", wenn nur aufgrund dieser Beliebtheit oder aufgrund seines Amtes oder seiner Parteizugehörigkeit ein Politiker seinen Doktor behalten dürfte, unter Bedingungen, unter denen jedem anderen der Dr. entzogen würde.

Abschließend die Frage von einem Laien: Was bringen der Wissenschaft Literaturauswertungen? M.E. hübsch anzuschauen, man spart sich viele Bücher. Wissenschaftlicher Mehrwert wohl kaum.

In einer Geisteswissenschaft (wozu auch die Rechtswissenschaft gehört) geht es auch um die Fortentwicklung von Gedanken und Argumentationen, also zuvor Aufgeschriebenem. Bevor man die Diskssuion voranbringt, gehört es in vielen Fällen dazu, die Grundlagen und den Stand der bisherigen Diskussion aufzuzeigen. Daher die Auswertung von Literatur, also das Referieren und Zitieren früherer Werke. Wenn Sie meinen, das bringe nichts, ist das Ihr gutes Recht. Aber Herr zu Guttenberg hat sich offenbar etwas davon versprochen (auch) in der wissenschaftlichen Welt anerkannt zu werden. Dann muss er sich aber auch an die Regeln halten, die in dieser Welt herrschen.

Wußten Sie übrigens, dass Umberto Eco`s "Name der Rose" faktisch auch ein Plagiat ist? Es ist nachweislich ein Buch, dass aus vielen sehr vielen Stellen aus der mittelalterlichen Literatur zitiert.

Der "Name der Rose" ist ein literarisches Werk und ist als solches ganz anderen Regeln unterworfen. Zudem hat Herr Eco nicht aufgrund dieses Werks einen Doktortitel verliehen bekommen.

 

Grüße von einem Nichtjuristen

Besten Gruß zurück

@Pelikan:

Möglich ja, aber

- Zitat ist urheberrechtlich zulässig

- Zitat mit unterlassener Quellenangabe keine Straftat
 


"Ein Verstoß gegen das Änderungsverbot des § 62 oder gegen die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63 führt nach allgemeiner Ansicht trotz der Unzulässigkeit der Werknutzung nicht zur Strafbarkeit des Beschuldigten"

Quelle:  Wandtke/Bullinger, UrheberR, 3. A 2009 § 106 Rdnr. 22 

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Wen ich bei der ganzen Angelegenheit zutiefst bedaure: den Doktorvater. Er ist jetzt zwar sicherlich zu einem kleinen Teil über seine eigene Eitelkeit gestolpert (es ist ja schmeichelhaft, kurz vor/nach der Emeritierung einen vielversprechenden jungen Politiker aus einer regional bedeutenden Familie als Doktoranden zu haben, so dass dies, im Zusammenspiel mit einer anzunehmenden Altersmilde auch zu einer ungewöhnlich positiven Bewertung geführt haben wird), aber das Entgegenkommen wurde schon schamlos ausgenutzt.

 

Es ist nicht zu erwarten, dass der alte Herr vermuten musste, dass kopiert wurde, und zwar aus Quellen, die ihm nicht unmittelbar präsent sein konnten: ein zum Zeitpunkt der Abgabe fast zehn Jahre alter Artikel einer Politikwissenschaftlerin in einer Tageszeitung, ein Meinungsbeitrag einer Literaturwissenschaftlerin, Master- und Hausarbeiten etc. Wie ich es sehe, scheint ja gerade nicht aus juristischer Standardliteratur abgeschreiben worden zu sein, das wäre jemandem wie Herrn Häberle wohl sicherlich aufgefallen.

 

Es bleibt einfach seltsam. Vor allem wundert es mich, dass es so viele "billige", also gut zu ergooglende Quellen sind. Jemand mit einem solchen finanziellen Hintergrund könnte sich doch zumindest für die Literaturrecherche einen intelligenten Hiwi anstellen, der Zeit genug hat, in Bibliotheken zu gehen und Werke zu finden, die nicht online frei verfügbar sind. Und auch gleich daraus "executive summaries" schreibt und sie mit Zitaten zur evtl. - korrekt zitierten - Weiterverwendung in der Arbeit garniert.

 

Nichtjuristische Grüße

 

Kate

 

 

 

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Treffender Ausschnitt aus der heutigen Spiegel-Titelgeschichte "Doktor der Reserve" von Thomas Darnstädt, Ulrike Demmer u.a. (S. 29):

"Wer bei der Doktorarbeit schwer schummelt, der will mit wenig Mühe viel erreichen, der kann fremde Federn als reizvollen Schmuck empfinden, der möchte schlauer wirken, als er ist, dem ist der Leistungsnachweis wichtiger als die Leistung selbst. Es geht diesem Menschen um eine Schau, eine Darstellung. Sein akademischer Hauptsatz geht nicht so: Ich möchte viel leisten. Sondern so: Ich möchte, dass du denkst, dass ich viel geleistet habe."

@klabauter

Sollten, wie DER SPIEGEL berichtet, 10 Seiten von Ministerialrat Ulrich Tammler in Funktion des Wissenschaftlichen Dienstes nahezu vollständig ohne Angabe der Quelle übernommen worden sein, so läge entweder eine Ghostwriterschaft zudem auf Kosten des Steuerzahlers vor oder eine erhebliche strafbare Urheberrechtsverletzung gem. §§ 106, 108 UrhG vor. Auf das Zitatrecht nach § 51 UrhG kann sich nur der berufen, der zitiert und nicht fremdes als eigenes verkauft, da widrigenfalls § 23 UrhG stets ins Leer liefe.

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Auch ein - möglicherweise eher noch banales - Phänomen, das sich durch das aktuelle prominente Beispiel (ist ja nur eines von vielen ... - leider), entwickeln kann, nämlich Vorurteile über das Jura-Studium, Zitat von
http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/Ghostwriter#Variante_C:_Argumente_gegen_die_Ghostwriter-These_-_alles_selbst_zusammengeschnipselt ,

weit nach unten scrollen, wobei ich die Volljuristin in der Anmerkung bin, denn natürlich kann so etwas nicht so stehen bleiben:

"These: Er hat sieben Jahre lang einen erheblichen Teil seiner knappen Freizeit darauf verwandt, diese Dissertation zusammenzustellen. Er hat völlig naiv Textfragmente zu einer Collage komponiert, mit Fußnoten dekoriert und allen Ernstes geglaubt, das sei wissenschaftliches Arbeiten. Als Absolvent eines extrem traditionellen bayerischen Gymnasiums und eines reinen Auswendiglern-Studiums hat er nie gelernt, mit Quellen umzugehen und korrekt zu zitieren. (Anm.: Im Jura-Studium wurde/wird man ab dem 1. Sem. geradezu gedrillt mit dem "Erlernen wissenschaftlichen Arbeitens" incl. richtigen! Zitierens, Fußnoten setzen usw. durch insges. 6 kleine u. große Hausarbeiten in den 3 Hauptfächern und i. d. R. eine noch ausführlichere Seminararbeit - letztere kann schon den Dipl.arbeiten-Umfang anderer Fächer übersteigen. Diesen Studienablauf hatte jdf. Herr z. G. in 1990 er Jahren auch, sein Studienende war 1999. Diese These geht daher in im letzten Halbsatz von nicht richtigen Tatsachen das Studium betreffend aus, unabhängig davon, ob man das Studium für ein Auswendiglern-Studium hält oder nicht. Eine Volljuristin)"

Ich würde es gut finden, aus dem Ganzen entwickelt sich auch eine grundsätzliche gesellschaftliche und auch bildungspolitische Diskussion:

Warum promoviere ich oder meinetwegen warum studiere ich überhaupt?

Auf äußeren Druck hin?

Wer sagt eigentlich, dass ich mit "nur" 1. Ex. wenigstens noch einen Dr.-Titel brauche?

Wenn das Prestige einen Titel zu haben, für manche beruflichen Bereiche oder Personen so wichtig, z. T. auch Einstellungsvoraussetzung ist (z.  B. in "wichtigen" Anwaltskanzleien usw.), warum wird der an sich ehrengebührende Weg dahin nur als notwendiges Übel in Kauf oder letztlich z. B. durch Ghostwriting, "copy and pace" usw. nicht Ernst genommen?

Will ich das Ergebnis - weil es so "wert"-voll erscheint, muss ich auch die Produktion dessen entsprechend gestalten. (Gut, dies ist leider ein Problem, das sich nicht nur auf Promotionen bezieht, sondern allgemein im Leben existiert und fängt schon bei der Herstellung des Frühstückseies an u. v. m. ...)

Ist mir das Ziel = Ergebnis resp. "den Titel zu haben" wichtiger als der "forschende Weg" dahin?

Müssen sich auch nicht manche Professoren oder Unibetriebe an sich fragen, ob z. B. aus eigenen eher fragwürdigen Reputationsgründen (also nicht nur rein wissenschaftlicher Art) bei nicht wenigen Aspiranten über so Einiges hinweggesehen, geklüngelt usw. wird?  Kein neues Problem, sicher,  im Interesse einer respektablen transparenten Wissenschaftskultur und vieler, die ihr Studium und weitere akad. Titel selbst und auf ehrlichem Weg bestreiten/erlangen, aber äußerst und immer wieder ärgerlich, siehe hierzu z. B. auch den Artikel aus der FR vom 20.02.2011: http://www.fr-online.de/kultur/debatte/der-steile-aufstieg-des-dr--feelg...

 

 

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Das kurze Zitat aus dem Spiegel-Beitrag "Doktor der Reserve" belegt auch meine Vermutung und eigentlich inzwischen die Offensichtlichkeit, dass das die Eigenschaften Täuschung, Verantwortungslosigkeit, Unglaubwürdigkeit nicht nur temporär, sondern dauerhaft diesen Charakter prägen.

 

Selbst habe ich gerade diesen Artikel online gefunden, bereits aus 2009: "Das Guttenberg-Dossier". Wer den darin enthaltenen Darstellungen folgen mag, könnte wohl auch leichter verstehen, warum gewisse Interessengruppen händeringend versuchen könnten, einen, zumal selbst, demontierten Spitzenpolitiker zu retten, auch wenn es politisch nichts mehr zu retten gibt. Denn nach diesem Artikel wäre er schon früh sehr aufwändig aufgebaut worden und hatte seine nicht nur individuellen Ziele noch lange nicht erreicht, aus denen nun wohl nichts mehr wird. So war Copyberg auch, sehr ungewöhnlich, als gerade erst gewähltes Bundestagsmitglied und zudem mit gerade erst 31 Jahren jüngstes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Wenn man dann noch einmal nachliest, wie mächtig dieser Ausschuss ist und dass der Bundestag bis dahin in keinem einzigen (!) Fall von den Vorgaben dieses Ausschusses abgewichen ist, ist man schon animiert, hier selbst einmal etwas nachzudenken. "Cogito ergo sum"...

 

 

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Sicher werden Journalisten auch Prof. Haeberle zur Forschungsqualität befragen. In "Hinweise zum Anfertigen von Doktorarbeiten" an der Uni des Saarlandes finden sich etwa auch folgende Angaben:

 

"IX. Literaturhinweise

 

Im Rahmen der schriftlichen Ausarbeitung Ihrer Dissertation wird sicherlich manche Frage auftreten, die in der vorliegenden Zusammenstellung nicht angesprochen wurde. Um Ihnen die Beantwortung dieser zu erleichtern, habe ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit nachfolgend einige Werke aufgelistet, die als Anleitung zur wissenschaftlichen Arbeit dienen können:

...

Schulze-Fielitz, Helmuth: Was macht die Qualität öffentlich-rechtlicher Forschung aus?, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, hrsg. v. Peter Häberle, Band 50, Tübingen 2002, S. 1 ff. (erhältlich in der Uni-Bibliothek)"

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Zu den unrichtigen und unwahren Darstellungen des Copyberg ganz grds. in der FAZ: "Gezielte Informationspannen - Nicht nur der Doktorand zu Guttenberg pflegte einen freihändigen Umgang mit den Fakten. Auch der Minister nahm es mit der Wahrheit nicht immer so ganz genau. Dies wird nicht nur an Guttenbergs Krisenmanagement in der Kundus-Affäre deutlich."

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Soooo, meine Damen und Herren ...

hmmmm ich weiss nicht, ob Sie das schon wussten:

Hier, der feine Herr von und zu Guttenberg: "Meine Doktorarbeit ist kein Plagiat."

 

Unfassbar, oder?

 

Natürlich ist die Arbeit kein Plagiat.

 

Sie ist ein Plagiatemutterschiff.

 

Verstehen Sie? :D

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Mit freundlicher Bitte um Kommentierung durch Prof. Müller (und gerne auch durch andere als Promotionsgutachter befähigte Mitleser)

Hinsichtlich der sich aufdrängenden (im Detail jedoch bisher wenig diskutierten) Frage eines Versagens von Gutachtern und Prüfungskommission der Universität Bayreuth, ist zwischen der Nichterkennung als Plagiat einerseits und der inhaltlichen Bewertung der vorgelegte Arbeit durch die Gutachter andererseits zu unterscheiden:

Die Tatsache, dass der als klassischer Copy&Paste Job einzuordnende geistige Diebstahl nicht entdeckt wurde? Geschenkt!

Eine Frage aber müssen sich die Gutachter ganz gewiss gefallen lassen:

Wie ist es überhaupt möglich, dass eine

    * per Google zusammenkopierte
    * über weite Teile geschwätzige (Volltext der Arbeit ist auf GoogleDocs verfügbar)
    * einen bemerkenswert geringen rechtswissenschaftlichen (sondern stark sozialwissenschaftlichen) Bezug aufweisende
    * das Prinzip der Thesenausarbeitung nur eingeschränkt zu erkennen gebende

Dissertation, in welcher darüber hinaus auffällt,

    * dass der Verfasser in der Einleitung (!) über eine halbe Seite universalgelehrig (und für das Thema völlig unerheblich) über die Herkunft des Namens "Amerika" referiert, anstatt Methode und Arbeitshypothese darzulegen und deren Relevanz zu erläutern
    * dass der Verfasser eine Passage von 9 Seiten einer Ausarbeitung des Wissenschaft. Dienstes des Bundestages im Wortlaut übernehmen darf und dabei (dreist!) darauf hinweist, die Ausarbeitung sei zwar nicht von ihm aber (immerhin!) in seinem Auftrag entstanden. Ohne allerdings dabei den eigentlichen Verfasser kenntlich zu machen.
    * dass die Schlussbetrachtung lediglich 3 Seiten umfasst (bei 400 Seiten Gesamttext!)

trotz allem von den Gutachtern mit summa cum laude bewertet wurde?

Es will mir nicht in den Kopf...

Gruß

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Zu den 10 Seiten von Ulrich Tammler kommen laut FOCUS 15 Seiten von Wilhelm Weege (beides Wissenschaftlicher Dienst) hinzu, bzgl.  der als Quellenangabe nur von Inspiration und nicht von 1-zu-1-Kopie die Rede ist: http://www.focus.de/politik/deutschland/guttenberg-weiteres-bundestags-g.... Auch diesbzgl. gilt: entweder Auftragsarbeit auf Steuerkosten oder Urheberrechtsverletzung!

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