Facebook und Datenschutz: Online Show für das Leben?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 26.09.2011

Lesenswert heute in der FAZ: “Das ganze Leben wird zur Online-Show”  - ein Beitrag, den ich hiermit gerne zur juristischen (hoffentlich sachlichen) Diskussion stelle:

Zum Beispiel die Aussage: “Die Behauptung, man könne ja einfach zur Konkurrenz gehen, wenn die Nutzungsbedingungen oder Privatsphäreeinstellungen sich ins Unerträgliche wandeln, wird immer mehr zu einem schalen Selbstbetrug. Große Freude dürfte Facebooks neue Strategie sicherlich bei Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten auslösen. Sie können zukünftig mit geringen Hürden Zugriff auf wirklich umfangreiche Lebensprofile nehmen, inklusive aller Details.” Mir scheint sich hier eine Fundgrube für Scheidungsanwälte, Arbeitgeber und Versicherungen aufzutun.

Und was halten Sie von folgender Aussage? “Er wird vielleicht in die Geschichte eingehen als Auslöser für die Spaltung der Online-Bevölkerung in zwei Gruppen, die gegensätzliche Lebensstile und Weltanschauungen pflegen. Auf der einen Seite sind diejenigen, die glauben, sowieso nichts zu verbergen zu haben oder zumindest nichts zu befürchten und daher gern ihren Alltag offenbaren und hoffen, dadurch angenehmer, toleranter und sozialer durchs Leben zu schreiten.”

Und noch allgemeiner: Wie sehen Sie die neuesten Entwicklungen bei Facebook? Insbesondere: Wie weit lässt sich bei Facebook mit der Einwilligung der Facebook-Nutzer argumentieren? Schließlich bietet ihnen Facebook für ihre Registrierung einiges an kostenlosen Diensten an, die sozusagen mit personenbezogenen Daten “bezahlt” wird.  Kommen wir immer mehr in die Nähe des US-Konzeptes, wonach die Verbraucher “nur” ein Recht auf “reasonable expectation of privacy”” haben?  

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

7 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

@#1

Sie sprechen von Digital Ignorants; wissen Sie tatsächlich nicht, dass sich Thilo Weichert mit seiner Ordnungsgeldandrohung NICHT gegen Personalrekrutierung und Imagepflege und sonstige mehr oder weniger sinnvolle Anwendungen von Social Media im Allgemeinen und Facebook im Besonderen wendet?

Hier geht es zumindest um die mangelnde Einwilligung in die Bildung von umfassenden Internetnutzungsprofilen, die nicht anonymisiert oder pseudonymisiert sind und sehr weitreichende Auskunft etwa neben dem Konsumverhalten auch über politische und weltanschauliche Ausrichtung, Kontakte zu Dissidenten, schwere Krankheiten oder sexuelle Orientierung gibt. Die damit verbundene, kaum zu überbietende Rechtsgutsgefährdung wird nicht dadurch relativiert, dass die US-amerik. Rechtstradition keinen Datenschutz kennt. Die kriminelle Energie wird nicht zuletzt an Flash-Cookies deutlich, die selbst einen erwungenen Opt-out unterlaufen.

Zusätzlich möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass auch die selbstbestimmte Beschneidung des eigenen Freiheitsbereichs seine Grenzen am Menschenwürdegehalt findet. Angesichts der vorgestellten "Timeline" und der Aufzeichnung des Nutzerverhaltens (etwa Musik oder Video) innerhalb von Facebook handelt es sich nicht mehr um eine Utopie.

0

Es ist schon bemerkenswert, wie die Gerichte die Grundrechtsrelevanz der Anonymität der Internetnutzung hervorheben (OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2011 – I-3 U 196/10; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08) während sich gleichzeitig einige für die Verlockungen von Facebook persönlichkeitsmäßig prostituieren. Die kann so umfassend wenn überhaupt nur durch ausdrückliche vorherige Einwilligung geschehen. Diese setzt Einwilligungsfähigkeit voraus. Diese setzt technische Information voraus.

0

Hallo Lars Bostelmann,

ich habe die von Ihnen empfohlene Off-Topic-Werbelektüre gemacht und frage Sie als Mann vom Fach, an welcher Stelle der "ausführlichen Beschreibung des Hamburger Versuchs" ist die Stadt bzw. der Staat der Verantwortung gerecht geworden bei der Beantwortung der Fragen
- welche Gegenleistung ist die STADT bereit, gegenüber Facebook zu erbringen?
- welchen Gefahren ist die Stadt bereit, ihre BÜRGER auszusetzen, die sie durch die Verkehrseröffnung bei Facebook hervorruft?

0

Auch das Hessische Innenministerium trifft eine Haftung nach Art. 34 GG i.V.m. §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, 4 BDSG bei entsprechend sorgloser Projektierung nach dem Motto: "Den Luxus können wir uns nicht erlauben".

0

Der Gesetzentwurf unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/067/1706765.pdf betrifft Nutzerdaten und nicht Nutzungsdaten. Der Unterschied könnte kaum größer sein. Denn während die Nutzerdaten in Profilen von Facebook und Google+ vom Nutzer ausgewählte Daten sind, mit denen er bewusst sein Bild in der Öffentlichkeit bestimmt, auch wenn er dabei dem Zeitgeist folgend SCHEINBAR exibitionistisch vorgeht, so handelt es sich bei Internetnutzungsdaten um nicht manipulierte Daten, die vollständig Auskunft gegen über die Persönlichkeit ohne Weglassung des Peinlichen, Kriminellen, Bösen, Unzulänglichen, Triebgesteuerten usw.
Insbesondere an ungeschminkten Daten ist die Industrie interessiert und die Währung mit der entgegen §§ 13 Abs. 4 Nr. 2 und 6, 15 Abs. 3 TMG gezahlt werden soll. Die Agressivität entfesselter Konzerne wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass Facebook selbst die - datenschutzrechtlich noch nicht ausreichende - Opt-in-Lösung von Heise kritisiert. Sichert man seinen Browser hinreichend zur Wahrung der Anonymität, funktioniert plötzlich Google nicht mehr.

0

Für Thilo Weichert ist die Sache eigentlich klar: er hat einen Auftrag und es liegt ein eindeutiger Rechtsverstoß vor.

Der Druck, unter dem er steht, wird aber nicht nur durch seine wenig gelassene Zurückweisung des BMI deutlich sondern auch dadurch, dass er die Übermittlung von Daten von Nichtfacebookmitgliedern besonders hervorhebt. Offenbar will er darauf hinaus, dass die Nichtfacebookmitglieder in keinem Fall eingewilligt haben können.

Tatsächlich viel virulenter ist aber die Datenübermittlung verknüpft mit einem Facebookprofil, da hier unmittelbar ein Personenbezug i.S.d. BDSG hergestellt wird. Thilo Weicherts politischer Instinkt sagt ihm offenbar, dass die Öffentlichkeit zu der Wertung kommen könnte, dass von derjenigen, der "scheinbar exibitionistisch" mit seinen Daten in einem Facebookprofil umgeht, konkludent oder mutmaßlich auf eine Einwilligung auf Erhebung von Internetnutzungsdaten geschlossen werden kann. Das wäre fatal, den Nutzungsdaten sind ohne Datenschutzhinweis sowie Opt-in tabu.

Die Intention von Facebook ist demgegenüber doch transparent: der "Gefällt mir"-Button ist eine eindeutige Täuschung, denn er suggeriert ein anonymes Voting, obwohl personenbezogene Daten übermittelt werden. Auch kann nicht davon gesprochen werden, dass Facebook Heise lediglich "kritisiert". Denn es wurde sofort die Keule der Nutzungsbedingungen hervorgeholt und subtil mit dem Ausschluss aus Facebook jedem gedroht, der den Like-Button umgeht.

0

Danke Herr Borstelmann - Wie wäre es, wenn Sie die Beck Community hier benachrichtigen, wenn der Bericht veröffentlicht ist?

Kommentar hinzufügen