Fahrverbotsvollstreckung: Keine Parallelvollstreckung zweier FVe mit Schonfrist

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 23.10.2011
Rechtsgebiete: FahrverbotStrafrechtVerkehrsrecht|4147 Aufrufe

Die von mir vertretene Meinung, bei gleichzeitiger Rechtskraft zweier Schonfristfahrverbote müsse mangels der Feststellbarkeit einer Rechtskraftreihenfolge eine Parallelvollstreckung stattfinden hat leider bislang keinen Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden. Hier etwa gibt es eine aktuelle Entscheidung des AG Viechtach zu lesen (AG Viechtach, Beschl. v. 14.10.2011, 6 II OWi 818/11):

 

"Der gemäß §§ 103 Abs.1 Nr. 1, 62 OWiG zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet.

Gemäß § 25 Abs. 2a StVG sind die Fristen der gegen den Betroffenen verhängten Fahrverbote nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2a StVG liegen vor. Nach Erlass eines Bußgeldbescheides mit der Ausnahmeregelung nach § 25 Abs. 2 a StVG ist gegen den Betroffenen ein weiteres Fahrverbot nach § 25 2 a StVG verhängt worden. Die beiden Fahrverbote können nach ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Viechtach (statt vieler AG Viechtach vom 04.03.2008, Az.: 7 II OWi 307108) nicht zeitgleich vollzogen werden.

§ 25 Abs. 2a StVG ist durch Änderungsgesetz vom 26.1.1998 eingefügt worden. Die frühere Rechtsprechung zum Parallelvollzug mehrerer Fahrverbote ist, soweit die gesetzliche Neuregelung greift, überholt. Der Gesetzeszweck der Neuregelung, Missbrauch durch willkürliche Zusammenlegung mehrerer Fahrverbote zu vermeiden, trifft auch im vorliegenden Fall zu.

Durch den Nacheinandervollzug von zwei Fahrverboten nach § 25 Abs. 2a (oder § 25 Abs. 2 und § 25 Abs. 2a StVG) kann der weniger hartnäckige Verkehrssünder (Ersttäter) zwar in Einzelfällen schlechter gestellt sein als der Betroffene, gegen den 2 Fahrverbote nach § 25 Abs. 2 StVG (Wiederholungstäter) oder § 44 StGB (Straftäter) zu vollstrecken sind. Diese Möglichkeit haben bereits Albrecht (a.a.O.) und Deutscher (NZV 1999,111, 115) erörtert und als noch sachgerecht bzw. folgerichtig bezeichnet. Die mit der 4-Monatsfrist bewirkte Besserstellung des Betroffenen wird, um Missbräuche auszuschließen, durch eine mit dem Nacheinandervollzug verbundene Schlechterstellung des Betroffenen kombiniert. Der Gesetzgeber hat also versucht. Vor- und Nachteile auszugleichen. Damit ist ein sachlicher Grund gegeben, der eine Ungleichbehandlung bzw. eine Schlechterstellung des über § 25 Abs. 2a Satz 1 StVO privilegierten Betroffenen gegenüber dem mit zwei Fahrverboten nach § 25 Abs. 2 StVG oder § 44 StGB Betroffenen rechtfertigt.

Hier ist auch zu berücksichtigen, dass eine Zusammenlegung bei privilegierten Fahrverboten wesentlich einfacher zu bewerkstelligen wäre, die Missbrauchgefahr mithin bei Vorliegen auch nur eines privilegierten Fahrverbotes wesentlich höher ist, als bei „normalen" Fahrverboten.

Das gleichzeitige Eintreten der Rechtskraft hindert nicht den Nacheinandervollzug gern. § 25 Abs. 2a StVG (vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39, Aufl., StVO, § 25, Rz. 30). § 25 Abs. 2a StVO bestimmt vorrangig, dass die Fahrverbote ,,nacheinander zu berechnen sind. Sinn und Zweck von § 25 Abs. 2a S. 2 StVG ist, einen möglichen Missbrauch durch ein Zusammenlegen von Fahrverboten zu verhindern. Entgegen Krumm, DAR 2008 Seite 54 f. ist somit auch bei gleichzeitiger Rechtskraft ein Nacheinandervollzug zu bejahen. Ansonsten würde der Sinn und Zweck der Norm konterkariert und überdies von der Rechtsfolgenseite der Norm auf deren tatbestandliche Voraussetzungen geschlossenen werden. Die Reihenfolge der Rechtskraft ist nämlich nicht Voraussetzung der Norm, sondern lediglich Rechtsfolge. Die Unklarheit der Bestimmung auf Rechtfolgenseite kann durch sachgerechte Auslegung geschlossen werden, insofern als ein sachgerechter Nacheinandervollzug der Fahrverbote zu erfolgen hat.
Da dem Betroffenen in beiden Fällen die Viermonatsfrist gemäß § 25 Abs. 2a S. 1 StVG gewährt wurde, steht dem Betroffenen in dem noch zu vollziehenden Fahrverbot allerdings, wie bereits von der Verwaltungsbehörde festgestellt, die 4-Monatsfrist zur Abgabe des Führerscheins zu."

 

Leider zitiert die Entscheidung § 25 Abs. 2a StVG nur unvollständig und teilt nicht mit, dass der Nacheinandervollzug vom Gesetz an die Rechtskraftreihenfolge gekoppelt wird:

 

"Werden gegen den Betroffenen weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen."

 

N A C H T R A G :

Klar gibt es eine Entscheidung, die die Parallelvollstreckung zweier Schonfristfahrverbote ermöglicht: AG Meißen, DAR 2010, 339

 

 

ausführlich hierzu mit Mustern: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Aufl. 2010, § 17

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