Ist die GEMA mafiös?

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 07.08.2012

Natürlich nicht (dazu demnächst mehr). Aber eigenartig ist es schon, daß sich die GEMA nicht an europäische Vorgaben halten will. Der EuGH hatte bekanntermaßen entschieden, dass die Wiedergabe von Musik in einer Zahnarztpraxis keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der einschlägigen internationalen Verträge sei (Urteil vom 15. März 2012 - C-135/10)

 

Doch die GEMA fühlt sich an das Urteil nicht gebunden; es gelte nur in Italien. Die italienische Interpretation des Öffentlichkeitsbegriff sei auf das deutsche Urheberrechtsgesetz nicht anwendbar.  Das ist falsch: Der EuGH stellte allgemein fest,  daß es für eine Bejahung der Öffentlichkeit“ nicht genüge, wenn sich nur einige Patienten in der Praxis befinden. Von einer Öffentlichkeit sei nur dann auszugehen, wenn diese „aus recht vielen Personen“ besteht, während der Kreis der gleichzeitig in einer Zahnarztpraxis anwesenden Personen doch sehr begrenzt ist. Auch seien neben der reinen Zahl der anwesenden Personen zusätzliche Kriterien zu beachten, so etwa die Rolle des Nutzers und eventuelle Erwerbszwecke. Aufgabe eines Mediziners sei es, die Behandlung seiner Patienten zu gewährleisten und diese nicht sozusagen „professionell“ mit Musik zu unterhalten.

 

Insoweit sind mir nun Unterschiede zwischen italienischen und deutschen Arztpraxen nicht bekannt.  Daher mehren sich zu Recht die Stimmen, die fordern: Keine GEMA-Gebühren in der Arztpraxis!

 

Dazu auch als Referenz: http://www.iww.de/pp/recht/rechtsprechung-gema-stemmt-sich-gegen-eugh-ur...

 

Zum EuGH-Urteil http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&jur=C,T,F&num=C-135/1...

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24 Kommentare

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Die GEMA kann gar nicht mafiös sein.

Mafia-Angehörige, die zu singen anfangen, schlafen bald bei den Fischen ...

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In der Tat hat mir die GEMA über die Kanzlei Lausen eine Abmahnung während meines Urlaubs zugeschickt und mich binnen eines Tages zur Abgabe einer Unterlassungserklärung hinsichtlich des Wortes "mafiös" aufgefordert. Nun ist es schwierig, in Nordisland angemessen auf eine solche Schrift zu reagieren. Man hätte darauf hinweisen können, daß der Zusammenhang GEMA und "mafiös" mehrere tausendmale bei Google gefunden werden kann. Auch ist der Zusammenhang zwischen "Mafia" und "mafiös" nicht offensichtlich. Selbst die Feuerwehr von Malchow muß sich die Mafia-Kritik anhören

http://www.feuerwehr.de/news/2006/08/01/feuerwehrmafia.php

 

Aber in Djupavik in den Westfjorden ist man leider nur mit eingeschränkten Telekommunikationsmöglichkeiten unterwegs. Nun gut - seis drum. Die GEMA hat natürlich nichts mit der Mafia zu tun. Es gibt da viele Unterschiede, unter anderem (!)

- agiert die Mafia von Italien, die GEMA von München aus

- schneidet Abtrünnigen Finger ab (ist mir als Praxis bei der GEMA unbekannt)

- ist/war die Mafia in unerlaubte Prostitution, Mord, Geldwäsche verwickelt, die GEMA nicht.

 

Herzlichen Gruss TH

ThomasHoeren schrieb:
ist/war die Mafia in unerlaubte Prostitution, Mord, Geldwäsche verwickelt, die GEMA nicht.
sehr subtil -- man streiche Mord und ersetze Mafia durch GEMA sowie unerlaubt durch erlaubt ... aber das ist sicher nur eine Fehlinterpretation!

ThomasHoeren schrieb:
Insoweit sind mir nun Unterschiede zwischen italienischen und deutschen Arztpraxen nicht bekannt.

Zwischen den Praxen nicht. Für den hiesigen Patienten könnte jedoch das kulturelle Rahmenprogramm bei der Planung seines dreiwöchentlichen Arztbesuches durchaus maßgeblich sein.

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Sie hätten doch einen fähigen Anwalt aus ihrer Nachbarschaft beauftragen können, der mit Mafia-Äußerungen eigene Erfahrungen hat ... ;-)

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Meine Zahnärztin "unterhält" mich während der Behandlung übrigens ausführlich mit italienischen Schnulzen-Schlagern.

Sicherlich ein Grenzfall... ;-)

ag.

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Lieber Prof. Hören,

 

als Nichtjurist halte ich Ihren vergleichenden Hinweis auf einer ehrenwerten Gesellschaft zugeschriebene Praxen weder für anstößig noch für strafbewehrt, folglich auch nicht für abmahnfähig.     

 

Im Übrigen, etwa vierhundert Jahre ist´s her, nannte ein Großer dieses rechtsadvokatische Pischergetu MUCH ADO ABOUT NOTHING;-)

 

Freundliche Grüße von Richard Albrecht

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Gestern hat auf Twitter der Hashtag "GEMAfia" ziemlich getrendet.

Im Heise-Forum fragte jemand, ob man die GEMA, wenn nicht "mafiös", dann doch wenigstens "kariös" nennen dürfe ... ;-)

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Es klang an, dass man den Unterschied von italienischen und deutschen Arztpraxen nicht erkenne - eben hinsichtlich der  Begründung der GEMA, warum sie Gebühren von deutschen Arztpraxen verlange, so im Wartezimmer Musik abgespielt wird.

 

Aber der Unterschied liegt doch auf der Hand: bei deutschen Praxen bezahlt man in jedem Quartal einmal 'Eintritt'!

 

Ok, es wird Praxis-Gebühr genannt. Aber um dergleichen Spitzfindigkeiten des deutschen Gesundheitssystems wird man sich bei der GEMA gewiss nicht dazu verleiten lassen, Gebühren zu verschwenden, um diesbezüglich bedenkliche Strukturen eben innerhalb des deutschen Gesundheitssystems aufzudecken

 

Da die ärztliche Visitation in der Regel aber gewiss kürzer ausfällt, als der Musik-Genuss während der länger dauernden Wartezeiten, könnte man ohnehin dann auch meinen, man zahle eher für die Musik - und nicht für den Kurz-Auftritt des jeweiligen Arztes. Gut, wenn die GEMA hier zu differenzieren versteht!

 

 

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Heinrich schrieb:
Aber der Unterschied liegt doch auf der Hand: bei deutschen Praxen bezahlt man in jedem Quartal einmal 'Eintritt'! Ok, es wird Praxis-Gebühr genannt.
Und damit ist die Wiedergabe nicht mehr "öffentlich" ... Eigentor GEMA

Im Grunde ist das doch eine perfekte Vorlage für ein neues Mem

"Die GEMA und die Mafia sind nicht vergleichbar, weil .."

- und die Netzgemeinde ist aufgerufen, weitere Gründe zu finden, warum die GEMA und die Mafia eben nicht vergleichbar sind.

 

Ich mache mal einen Anfang und formuliere

Die GEMA und die Mafia sind nicht vergleichbar, weil die GEMA ein legales Monopol besitzt und sich die Mafia mit anderen kriminellen Organisationen einen illegalen Wettbewerbs-Krieg führte/führt.

 

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Wie wäre es mit der Formulierung "Vereinsklüngel". Auch "ehrenwehrte Gesellschaft" wie ein anderer Kommentator vorgeschlagen hatten, weiß jeder sofort richtig zu interpretieren.

 

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Die GEMA und die Mafia sind nicht vergleichbar ...

... weil die Mafia nicht bei 100 % der Clubs und Diskos kassieren kommt.

... weil die Mafia für jeden in ihrer Organisation da ist und nicht nur für die reichsten.

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Moin!

Also um sich mit der Mafia zu messen müsste der Gema erst mal ein nachvollziehbares System zugesprochen werden. Selbst die Mafia hat ein internes, transparentes System... Die Gema nicht.

Zumal die Mafia nicht die Macht hat, ein Grundgesetz rechtlich auszuhebeln...

Ich möchte in dem Bezug auf eine Äußerung auf http://www.e-recht24.de/news/abmahnung/7238-mafia-vergleich-gema-mahnt-i...

anspielen bei der die Meinungsfreiheit aus angst vor Abmahnung stark eingeschränkt wird.

In dem Zusammenhang die Frage, stellt es einen Unterschied dar, wenn man das bekannte Zitat mit "Meiner Meinung nach ist die Gema..." anführen würde? Dann wäre diese Aussage nicht mehr Abmahnfähig? Definitiv finde ich das hier der Verfassungsschutz mal einschreiten sollte, denn wenn eine Gemeinschaft wie die Gema bei Bürgern schon die Angst von Meiungsäußerungen anheizt, dann müsste dem entgegen gewirkt werden und zwar mit massivsten Mitteln seitens der Politik!

Ich göne jedem Künstler einen Lohn und auch jedem Produzenten und alles die mit Kultur und Musik zu tun haben. Aber die Gema ist definitiv meiner Meinung nach schlecht organisiert Systemtechnisch. Warum ich zu dieser Meinung komme? Wenn es anders wäre, würde es diese Auflehnung derzeit nicht geben gegen die Gema.

 

Leztendlich die Frage, was wäre wenn die Gema nicht mehr geschrieben die Gema ist sondern die Game? Könnte man dann darüber sagen was man wollte, obwohl jedem bekannt ist wer gemeint ist?

 

Mit mafiösen Grüßen aus der Anti-Mafia-Abteilung... :D

 

Der Don

 

PS: Den Beitrag bitte als Meinungskritische äußerung verstehen, mit der ich zum Nachdenken über das Thema auch aufrufen will!

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Wie mir von einem Anwalt zugespielt wurde, gibt das DPMA (Deutsche Patent- und Markenamt) als "Aufsichtsbehörde" über die GEMA in SAchen Zahnarztpracen derzeit folgende Standardantwort:

 

 

"Betreff:                       Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften

Hier:                           Vergütungspflicht für die Musikwiedergabe in Arztpraxen – Urteil des EuGH vom 15.03.2012, Az. C-135/10

 

Sehr geehrter …

Vielen Danke für Ihr Schreiben vom … 2012. Darin bitten Sie das DPMA um Stellungnahme, ob aufgrund des oben genannten EuGH-Urteils die Musikwiedergabe in Arztpraxen nunmehr vergütungsfrei erfolgen kann.

 

Nach meiner Prüfung hat das betreffende Urteil in Deutschland keine Auswirkungen auf die geltende Rechtslage. In der entsprechenden Konstellation -–der Wiedergabe von Musik an örtlich anwesende Mitglieder der Öffentlichkeit – begründet die entsprechende Richtlinie nämlich explizit nur eine Mindestharmonisierung. Das bedeutet, dass die nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten in diesem Bereich den Inhabern der Rechte an Musikstücken ein höheres Schutzniveau gewähren dürfen. Ein derartiger weiterreichender Schutz besteht in Deutschland in Form einer gefestigten Rechtsprechung, die die Musikwiedergabe in Arztpraxen als urheberrechtlich relevante Verwertung und damit als vergütungspflichtig beurteilt (etwa AG Konstanz, GRUR-RR 2007, 384; LG Leipzig, ZUM-RD 1998, 390; AG Nürnberg, NJW-RR 1996, 683; AG Konstanz, NJW-RR 1995, 1325). Insofern sehe ich derzeit keine Gründe, die dagegen sprechen, dass die GEMA für die Wiedergabe ihres Repertoires in Arztpraxen weiterhin eine Vergütung verlange.

 

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen"

Das hat nicht weitergeholfen. Gruss TH

Angesichts dieser Argumentation staunt der juristischische Laie und der Fachmann wundert sich ...

In der entsprechenden Konstellation -–der Wiedergabe von Musik an örtlich anwesende Mitglieder der Öffentlichkeit – begründet die entsprechende Richtlinie nämlich explizit nur eine Mindestharmonisierung. Das bedeutet, dass die nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten in diesem Bereich den Inhabern der Rechte an Musikstücken ein höheres Schutzniveau gewähren dürfen.

Hier die Richtlinie: http://curia.europa.eu/juris/celex.jsf?celex=32001L0029&lang1=de&type=NOT&ancre=

"Artikel 3

Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

(2) Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:

a) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen;

b) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;

c) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme;

d) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit."

 

Da steht nirgends etwas davon, dass die Mitgliedstaaten das Recht haben, im Schutzniveau in Bezug auf öffentliche Wiedergabe abzuweichen. In Artikel 5 (2) und (3) können sie dagegen die Rechte des Urhebers einschränken, nicht jedoch verstärken. Aber es kommt noch besser:

Ein derartiger weiterreichender Schutz besteht in Deutschland in Form einer gefestigten Rechtsprechung,

Dass die Regelungen einer Mindestharmonisierung durch nationale Gesetze strenger gefasst werden können, ist klar. Aber wenn das nationale Gesetz nichts anderes bestimmt als die Richtlinie, kann die Rechtsprechung nicht willkürlich Richterrecht etablieren, sondern muss sich an das Gesetz halten. 

 in Form einer gefestigten Rechtsprechung, die die Musikwiedergabe in Arztpraxen als urheberrechtlich relevante Verwertung und damit als vergütungspflichtig beurteilt (etwa AG Konstanz, GRUR-RR 2007, 384

Das ist auch das einzige Urteil, das nach der o.g. Richtlinie ergangen ist, die anderen können kein Maßstab mehr sein. Da von einer "gefestigten" Rechtsprechung, sämtlich unterhalb einer OLG zu sprechen, ist schon sehr gewagt.

Sitzen im DPMA eigentlich Juristen und wenn ja, was für welche?

 

 

Ich gebe Kommentar 22 vollumfänglich recht. Die Frage ist, welche Konsequenzen es hat, wenn sich in vielen Staaten aufgrund des EuGH-Urteile Gerichte und Ministerien umorientieren (wir hatten am ITM gerade einen Mitarbeiter des lettischen Kulturministeriums zu Besuch, der uns von den Änderungen in Lettland berichtete) - und die deutsche Aufsicht dies mit solch einer schnoddrigen Begründung ablehnt. Die naheliegende Konsequenz ist: man muß dem DPMA die Aufsicht entziehen und hierzu eine eigene unabhängige Aufsicht installieren (die auch räumlich nicht im SChatten der GEMA sitzt).

GEMA unter Druck

Eine neue Petition fordert die Abschaffung der Beweislastumkehr und Johnny Haeusler leitet dazu an, der Verwertungsgesellschaft individuell die Vertretungsbefugnis für digitale Auswertungsbereiche zu entziehen, weil diese nicht im Sinne der Musiker wahrgenommen werden.

(Telepolis, von Peter Mühlbauer)

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