Keine freien Arbeitsplätze trotz Leiharbeitnehmern im Betrieb?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 13.02.2013

Eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Die Kündigung ist daher unwirksam, wenn ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht, auf dem der Arbeitnehmer - ggf. nach Änderung der Arbeitsbedingungen (Vorrang der Änderungskündigung) - weiterbeschäftigt werden kann.

Kein freier Arbeitsplatz bei bloßer Personalreserve

Ob ein Arbeitsplatz auch dann "frei" ist, wenn auf ihm ein Leiharbeitnehmer beschäftigt wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Sind Leiharbeitnehmer dauerhaft auf bestimmten Arbeitsplätzen eingesetzt, muss der Arbeitgeber sich vorrangig von ihnen trennen und Beschäftigte seiner Stammbelegschaft bei Wegfall von deren Arbeitsplätzen auf den auf diese Weise frei gewordenen Arbeitsplatz umsetzen. Setzt der Arbeitgeber dagegen Leiharbeitnehmer nur als "externe Personalreserve" zur Abdeckung von Vertretungsbedarf ein, besteht im Allgemeinen keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Dann nämlich werden die Leiharbeitnehmer - unabhängig von der Vorhersehbarkeit des Vertretungsbedarfs - nicht dauerhaft, sondern nur zur Vertretung anderer Arbeitnehmer auf von diesen besetzten Arbeitsplätzen eingesetzt. Auch wenn sie dabei Tätigkeiten versehen, die gegebenenfalls auch der gekündigte Arbeitnehmer verrichten kann, steht das dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für diesen Arbeitnehmer nicht entgegen (BAG, Urt. vom 18.10.2012 - 2 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68).

Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

Differenzierungen sind auch in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast erforderlich: Dass Leiharbeitnehmer nur zur Deckung von Auftragsspitzen eingesetzt werden, ist als Teil des Kündigungsgrundes im Regelfall vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Etwas anderes gilt nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG (Interessenausgleich mit Namensliste) und des § 125 InsO (Interessenausgleich in der Insolvenz). Hier wird zugunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Diese Vermutung ist nach Auffassung des BAG in der Regel nicht schon dann widerlegt, wenn der Interessenausgleich den Einsatz von Leiharbeitnehmern bis zu einem Umfang von 10% der Belegschaft auf Grund von Krankheits- oder Urlaubsfehlzeiten gestattet (BAG, Urt. vom 18.10.2012 - 2 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68).

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