Weitere Konkretisierung des Rechtsmissbrauchs bei Kettenbefristungen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.08.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|5112 Aufrufe

Der Siebte Senat des BAG konkretisiert seine Rechtsprechung zum Missbrauch von Kettenbefristungen weiter. Bereits im vergangenen Jahr hatte er ein "Ampelmodell" entwickelt:

Rot: Ein Rechtsmissbrauch ist danach indiziert, wenn (1) die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder (2) mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder (3) wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, das Indiz des Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften.

Gelb: (1) Überschreitet die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre oder (2) ist er mehr als zwölfmal verlängert worden oder (3) dauert er mehr als sechs Jahre und  ist er mehr als neunmal verlängert worden, kann die Befristung rechtsmissbräuchlich sein. Es hängt dann aber immer noch von weiteren, vom Arbeitnehmer vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist.

Grün: Bleibt die Anzahl der Befristungen oder deren Dauer dahinter zurück, besteht kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch (BAG 26.10.2016 - 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382).

Im aktuellen Fall streitet ein Briefzusteller mit seiner Arbeitgeberin um die Wirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses. Dieses wurde in einem Zeitraum von vier Jahren und acht Monaten insgesamt siebenmal verlängert, weil immer wieder Vertretungsbedarf für Stammkräfte bestand. Das Hessische LAG hat die Befristungskontrollklage abgewiesen. Die Revision hatte im Sinne einer Zurückverweisung an das LAG Erfolg.

Allerdings sei der Beklagten kein institutioneller Rechtsmissbrauch vorzuwerfen:

Bei einer Gesamtbeschäftigungsdauer von vier Jahren und acht Monaten aufgrund von acht befristeten Arbeitsverträgen besteht kein Anlass zu einer Missbrauchskontrolle nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs.

Jedoch bedürfe es noch weiterer Feststellungen dazu, ob die Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Kläger mit der Rückkehr der Stammkraft K auf eine Vollzeitstelle in der Briefzustellung nach Ablauf der dieser vorübergehend bewilligten Teilzeitbeschäftigung rechnen durfte.

BAG, Urt. vom 12.4.2017 - 7 AZR 436/15, BeckRS 2017, 119892

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Dunkelrot: Ein Rechtsmissbrauch wird unwiderleglich vermutet, wenn (1) die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 45 Jahre überschreitet oder (2) mehr als 77,5 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder (3) wenn mehr als 17 Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als 25 Jahren und 9 Monaten vorliegen. Es ist dann Sache Lesers sich diesen Schwachsinn schön zu trinken.

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