Raser und Rennteilnehmer - 3 Urteile beim BGH. Vor allem: Tötung eines Unbeteiligten bei Rennen ist wohl kein Mord

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 01.03.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|3999 Aufrufe

Der BGH hat gerade laut Pressemitteilung drei Raser-/Rennfälle entshieden. Zur Pressemitteilung geht es HIER.

Im ersten Fall (BGH, Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 399/17) ging es um den Berliner-Rennfall, bei dem ein unbeteiligter Verkehrsteilnehmer getötet wurde und es zu einer Verurteilung wegen Mordes kam...die war aber wohl falsch. Darauf hatten ja viele getippt. Aus der PM:

Der vom Landgericht Berlin festgestellte Geschehensablauf trägt schon nicht die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. Nach den Urteilsfeststellungen, an die der Senat gebunden ist, hatten die Angeklagten die Möglichkeit eines für einen anderen Verkehrsteilnehmer tödlichen Ausgangs ihres Rennens erst erkannt und billigend in Kauf genommen, als sie in die Unfallkreuzung einfuhren. Genau für diesen Zeitpunkt hat das Landgericht allerdings auch festgestellt, dass die Angeklagten keine Möglichkeit mehr hatten, den Unfall zu verhindern; sie seien "absolut unfähig gewesen, noch zu reagieren". Nach diesen Feststellungen war das zu dem tödlichen Unfall führende Geschehen bereits unumkehrbar in Gang gesetzt, bevor die für die Annahme eines Tötungsvorsatzes erforderliche Vorstellung bei den Angeklagten entstanden war. Ein für den Unfall und den Tod unfallbeteiligter Verkehrsteilnehmer ursächliches Verhalten der Angeklagten, das von einem Tötungsvorsatz getragen war, gab es nach diesen eindeutigen Urteilsfeststellungen nicht.

Davon abgesehen leidet auch die Beweiswürdigung der Strafkammer zur subjektiven Seite der Tat unter durchgreifenden rechtlichen Mängeln. Diese betreffen die Ausführungen zu der Frage, ob eine etwaige Eigengefährdung der Angeklagten im Falle eines Unfalls gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes sprechen könnte. Dies hat das Landgericht mit der Begründung verneint, dass die Angeklagten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt und eine Eigengefährdung ausgeblendet hätten. Mit dieser Erwägung ist aber nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen, dass die Angeklagten, wie das Landgericht weiter angenommen hat, bezüglich der tatsächlich verletzten Beifahrerin des einen von ihnen schwere und sogar tödliche Verletzungen als Folge eines Unfalls in Kauf genommen haben. Schon diesen Widerspruch in der Gefährdungseinschätzung der Angeklagten zu Personen, die sich in demselben Fahrzeug befanden, hat die Schwurgerichtskammer nicht aufgelöst. Hinzu kommt, dass sie auch die Annahme, die Angeklagten hätten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt, nicht in der erforderlichen Weise belegt hat. Sie hat diese Annahme darauf gestützt, dass mit den Angeklagten vergleichbare Fahrer sich in ihren tonnenschweren, stark beschleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Fahrzeugen regelmäßig sicher fühlten "wie in einem Panzer oder in einer Burg". Einen Erfahrungssatz dieses Inhalts gibt es aber nicht.

Weiterhin hat sich der BGH auch mit der angenommenen Mittäterschaft an dem vorgeworfenen Tötungsdelikt befasst. Da war das Landgericht auch zu großzügig:

Ein weiterer Rechtsfehler betrifft die Verurteilung des Angeklagten, dessen Fahrzeug nicht mit dem des Unfallopfers kollidiert ist. Seine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes könnte – selbst wenn die Strafkammer die Annahme eines Tötungsvorsatzes bei Begehung der Tathandlungen rechtsfehlerfrei begründet hätte – keinen Bestand haben. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich nämlich nicht, dass die Angeklagten ein Tötungsdelikt als Mittäter begangen haben. Dafür wäre erforderlich, dass die Angeklagten einen auf die Tötung eines anderen Menschen gerichteten gemeinsamen Tatentschluss gefasst und diesen gemeinschaftlich (arbeitsteilig) ausgeführt hätten. Die Verabredung, gemeinsam ein illegales Straßenrennen auszutragen, auf die das Landgericht abgestellt hat, hat einen anderen Inhalt und reicht für die Annahme eines mittäterschaftlichen Tötungsdelikts nicht aus.

Im zweiten Fall, dem sog. "Bremer-Raserfall" war ein Motorradfahrer durch die Stadt gerast und hatte bei Geschwindigkeit von 97 km/h einen bei Rotlicht zeigender LZA einen Fußgängerweg überquerenden Fußgänger angefahren, der dann auch verstarb. Mit BGH, Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 311/17 hat der BGH festgestellt, dass die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ok ist. Die Revision des Angeklagten blieb ebenso erfolglos, wie auch die Revision der StA, die lieber eine Verurteilung wegen eines Tötungsdeliktes gesehen hätte.

In BGH, Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 158/17 ging es um den Frankfurter Raserfall. Hier hat der BGH aufgehoben und zurückgewiesen. Vor allem die Beweiswürdigung wurde hier als rechtsfehlerhaft angesehen, soweit es um die Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit/bedingter Vorsatz ging. 

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2 Kommentare

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Schön den Instanzgerichten das Problem zurück geschoben... Alles nicht richtig festgestellt und alles wäre möglich, wenn richtig festgestellt

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Nun steht es wirklich fest:

"Im Jahr 2020 bestätigte der BGH in Karlsruhe die Verurteilung des Ku'damm-Rasers Hamdi H. wegen Mordes. Das sieht das BVerfG genauso. Die Verfassungsbeschwerde des damaligen Fahrers blieb ohne Erfolg.

Die gegen das Urteil des BGH eingelegte Verfassungsbeschwerde des Ku'damm Rasers Hamdi H. ist erfolglos geblieben. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigte die Verurteilung wegen Mordes (Beschl. v. 7.12.2022, Az. 2 BvR 1404/20) und nahm die Verfassungebeschwerde nicht nicht zur Entscheidung an (§ 93 a Abs. 2a BVerfGG)."  (Verfassungsbeschwerde des Ku'damm-Rasers erfolglos (lto.de))

Der Einzelfall ist also durch und damit das Damolklesschwert über den Köpfen aller Raser Deutschlands endlich an den seidenen Faden gehängt.

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