Staatsoper Hamburg sagt schwangerer Sängerin ab

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 30.04.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3552 Aufrufe

Wirbel an der Hamburger Staatsoper. Unter der alarmierenden Überschrift „Staatsoper feuert Sängerin, weil sie schwanger ist“ berichten diverse Medien (u.a. auch die Bild-Zeitung) über einen Vorgang an der Hamburger Staatsoper, der sich jedoch kaum als Beleg für die Diskriminierung Schwangerer eignen dürfte. Betroffen ist die französische Sopranistin Julie Fuchs (33), die ab Mai in Mozarts „Zauberflöte“ an der Staatsoper Hamburg auftreten sollte. Auf ihrer Facebook-Seite teilt die Sängerin nun mit: „Die Staatsoper hat mich darüber informiert, dass die künstlerische Integrität der Jette-Steckel-Produktion von `Die Zauberflöte´ nicht gewährleistet ist, wenn die Sopranistin, die die Pamina singt, im vierten Monat schwanger ist.“ „Wie ihr euch vorstellen könnt, bin ich sehr enttäuscht, da ich mich stimmlich und körperlich in Topform fühle.“ Sie sei traurig, dass sich keine Lösung gefunden hätte, ihren Zustand in der Produktion zu berücksichtigen. Die Staatsoper bedauerte nach eigenen Angaben die Entscheidung. Es sei jedoch nicht möglich, die Inszenierung so zu ändern, dass keinerlei Gefahr für die werdende Mutter bestehe und gleichzeitig der Kern der Inszenierung bestehen bleibe, hieß es in einer Stellungnahme. Es gebe in der Inszenierung eine Vielzahl von körperlich sehr fordernden Szenen, darunter mehrere Flugszenen, die für schwangere Frauen prinzipiell verboten seien. „Die Rechtslage zum Schutz der werdenden Mutter ist eindeutig und wir gehen in keinem Fall ein gesundheitsgefährdendes Risiko ein, wenn auch nur im Ansatz riskante szenische Aktionen auf der Bühne stattfinden könnten“, sagte Staatsoper-Betriebsdirektor Tillmann Wiegand. Als Ausgleich habe man Frau Fuchs Vorstellungen in den nächsten Spielzeiten angeboten. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist diese Einschätzung nachvollziehbar. Ob das Bühnenengagement von Frau Fuchs überhaupt dem Arbeitsrecht unterfällt, wäre noch klärungsbedürftig. Dafür kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Unterstellt man einmal die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts, so greift auch das mit Wirkung ab 1.1.2018 neu geregelte Mutterschutzgesetz ein. Nach § 10 MuSchG muss der Arbeitgeber sobald ihm eine Frau mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist, eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und entsprechende Maßnahmen treffen. § 11 MuSchG führt unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen an. In Absatz 5 heißt es: „Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie körperlichen Belastungen oder mechanischen Einwirkungen in einem Maß ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt.“ Zwar könnte man in der Tat über Änderung der Inszenierung nachdenken, die auf die problematischen Partien verzichtet. Hier muss aber wohl grundsätzlich die künstlerische Freiheit der Intendanz respektiert werden. Die Einschätzung, dass die Inszenierung nicht geändert werden könnte, ohne den Kern der Inszenierung anzutasten, könnte m.E. nur auf Willkür überprüft werden.

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Ergänzender Hinweis: § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 MuSchG n.F. hat den Anwendungsbereich auf Frauen in arbnähnlichen Vertragsverhältnissen ausgeweitet. Natürlich stimmt aber, dass man ohne Kenntnisse der Umstände des Einzelfalls weder zum ArbN- noch ArbNähnlichen-Status der Sängerin hier Aussagen treffen kann.

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