LAG Hamm: Zeugnis für Sexpartnerin

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 07.10.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht10|7054 Aufrufe

Das LAG Hamm hat einen Mann aus Bochum verurteilt, seiner Sexualpartnerin ein wohlwollendes Zeugnis zu erteilen und ihr Urlaubsabgeltung iHv. 320 Euro zu zahlen.

Im Juni 2017 hatten die Parteien einen Arbeitsvertrag geschlossen, nach dessen Inhalt die Klägerin - 35 Jahre alt, Mutter dreier Kinder und SGB II-Leistungsbezieherin - im Haushalt des Beklagten als teilzeitbeschäftigte Hauswirtschafterin mit den Aufgaben Putzen, Wäschewaschen, Bügeln, Einkaufen, Kochen und sonstigen haushaltsüblichen Verrichtungen beschäftigt sein sollte. Dafür sollte ihr ein Arbeitsentgelt iHv. 460 Euro monatlich zustehen. Abweichend von diesem schriftlichen Vertrag hatten die Parteien indes mündlich ein "Sugar-Daddy-Verhältnis" vereinbart: Die Klägerin sollte - was sie bestreitet, zur Überzeugung des Gerichts infolge verschiedener WhatsApp-Nachrichten jedoch vom Beklagten bewiesen wurde - regelmäßig Sex mit ihm haben, ihn auf Kurzurlaube und gelegentlich zu anderen Anlässen begleiten. Zusätzlich zum Arbeitsentgelt stellte er ihr ein Auto (BMW X 1) zur Verfügung und übernahm Bußgelder in Höhe von 1.300 Euro (in nur sieben Monaten - aber das gehört eher in den Blog von Herrn Krumm). Im Januar 2018 kündigte der Beklagte die "Beziehung" fristgerecht zum 28.2.2018. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nur mangelhaft erbracht. Es sei lediglich zu zwei bis drei sexuellen Handlungen pro Monat und nicht - wie vereinbart - pro Woche gekommen.

Die Klägerin begehrt Annahmeverzugslohn, Urlaubsabgeltung und ein wohlwollendes Zeugnis. Ihre Klage hatte, abgesehen von einem Teil des Annahmeverzugs, vor dem ArbG Bochum Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das LAG Hamm den Anspruch auf Annahmeverzugslohn in Gänze abgewiesen. Urlaubsabgeltung und ein wohlwollendes Zeugnis müsse der Beklagte jedoch leisten. Das Vertragsverhältnis sei nicht sittenwidrig (§ 138 BGB) gewesen.

Abgesehen vom wirklich lesenswerten Tatbestand einschließlich des WhatsApp-Chatverlaufs ("I make give you sex of dream aber das is toya") stellt sich die Frage, ob der Antrag der Klägerin, ihr ein "wohlwollendes Zeugnis" zu erteilen, nicht mangels Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig gewesen ist (vgl. Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 147 Rn. 32 f.).

Über den Fall berichtet ausführlich LegalTribuneOnline.

LAG Hamm, Urt. vom 6.6.2019 - 17 Sa 46/16, hier auf den Seiten der Justiz NRW

 

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10 Kommentare

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NRW-Innenminister Reul hat klugerweise einmal gesagt, Gerichte sollten auch darauf Bedacht nehmen, auch der Normalbevöllkerung verständlich zu urteilen. Ich habe das LAG-Urteil in der Familie Nichtjuristen vorgelesen - es waltet schieres Entsetzen, dass so etwas "Recht" sein soll.  Als Volljurist frage ich mich, ob denn das ArbG Bochm wenigstens den Vorgang der StA zur Verfolgung wegen § 263 StGB vorgelegt hat. Oder ob auch hier die Aussagen des Herrn Seehofer und des OLG Koblenz zutreffen, dass wir einer Herrschaft des Unrechts beiwohnen bzw. das Recht in weiten Berechen einfach nicht mehr angewendet wird.

Ich habe gerade einen kleinen Schock beim Überfliegen des Beitrags bekommen, als ich meinen Namen mittendrin las ;-) 

Tatsächlich war die Übernahme von Bußgeldern schon einmal Thema bei mir....und auch (so meine ich) im steuerrechtlichen Blog. Ohne Ahnung von dem Thema zu haben, spreche ich mich jedenfalls auch für ein gutes Zeugnis für die Dame aus....im Übrigen muss ich erstmal in Ruhe die Entscheidung in Gänze lesen. Das Englisch hat was!

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Lieber Herr Krumm, 1.300 Euro Buß- und Verwarngelder in nur sieben Monaten fand ich schon bemerkenswert. Ich habe in 35 Jahren und annähernd 1 Mio. gefahrener Kilometer nicht einmal ein Zehntel davon zusammen ;-) Viele Grüße Christian Rolfs

Aus LTO:
"Der Arbeitsvertrag stelle nämlich nur ein bloßes Scheingeschäft dar, so die Hammer Richter zur Begründung. Das eigentliche und dadurch verdeckte Geschäft [ist,] sexuelle Dienstleistungen gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts zu leisten"

Und aus diesem Grund ("Prostitution im Rahmen eines Arbeitsvertrages") wurde auch der Urlaubsanspruch zugesprochen. Das bedeutet aber konsequenterweise, dass sich das Arbeitszeugnis ausschließlich auf die sexuellen Handlungen beziehen müsste.

Ja, so habe ich das auch verstanden. Was denn sonst? Soweit für neue Bewerbungen die "Leistungserbringerin" schriftlic die usammenhänge drtn  öcte, sste asovorgelegt werden: a) der schriftliche Abstellungsvertrag b) das  Urteil mit der Feststellung, was denn techtlich wirklich Inhalt der Verabredung war   c) und darauf bezogen das notorisch pflichtgemäß "wohlwollend" , also wahrheitsfern, abgefasste Arbeitszeugnis. Nun hat sich der Arbeitgeber ja nur auf defizitäre Häufigkeit berufen - zur Qualität der Leistungsbringung hat er ja nichts gerügt. Da kann er also "wohlwollend" breit ausschmückend schildern und rühmen. Oben sind ja Querverweise zu anderen Rechtsbereichen ausdrücklich angeschnitten. Eventuell auch  Jugendschutz - wenn  bei neuen Dienstgebern eine 16 jährige Praktikantin mit der Auswertung von Bewerbungen beauftragt sein sollte? 

Wo Sie Recht haben , haben Sie Recht: schriftlich die Zusammenhänge dartun  möchte, müsste also vorgelegt werden

Es fällt schwer, das Urteil mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu lesen. Das Gericht hatte offenbar seinen Spaß an den Textnachrichten der Parteien - anders kann man einen derart bizarren Fall wohl auch kaum verarbeiten.

Was ich mich frage: Was soll in dem Zeugnis stehen? Die Berufungsentscheidung nimmt ja wohl eine bezahlte Erbringung sexueller Dienstleistungen als Arbeitsinhalt an. Wie formuliert dazu ein Zeugnis - "stöhnte redlich"!? Und was will man mit einem Zeugnis darüber anfangen?

Davon abgesehen, bestärkt der Fall meinen Eindruck eines gewissen Sittenverfalls oder - in Neusprech - Wertewandels. Können Männlein und Weiblein nicht mehr beisammenleben, ohne das als Arbeitsvertrag zu gestalten? Ist die Schamgrenze so weit abgesunken, dass man den - offen ausgedrückt - Dirnenlohn bei Gericht einklagt, selbst wenn dieser "schwarz" am Jobcenter vorbei verdient wurde? Das ist doch alles nur noch verrückt.

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