EuGH: Zur Anfechtung einer gläubigerbenachteiligenden Spaltung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 20.03.2020

Der EuGH hat mit Urteil vom 30. Januar 2020 (C-394/18, BeckRS 2020, 461) zur Frage Stellung genommen, ob die Anfechtung einer Spaltung wegen Gläubigerbenachteiligung nach italienischem Recht mit den Vorgaben der EU-Spaltungsrichtlinie 82/891/EWG (nunmehr: Gesellschaftsrechtsrichtlinie 2017/1132) vereinbar ist.

Spaltungsanfechtung durch benachteiligte Gläubiger

Zu entscheiden hatte die Kammer über das Vorabentscheidungsersuchen eines italienischen Gerichts. Im dortigen Verfahren hatten Altgläubiger einer gespaltenen Gesellschaft u. a. beantragt, die Spaltung ihnen gegenüber wegen Gläubigerbenachteiligung für unwirksam zu erklären. Nach der einschlägigen italienischen Vorschrift kann ein Gläubiger beantragen, dass die seine Ansprüche benachteiligenden Verfügungen des Schuldners über sein Vermögen ihm – dem Gläubiger – gegenüber für unwirksam erklärt werden, wenn der Schuldner die Benachteiligung kannte.

EU-Spaltungsvorgaben als Schranke für nationale Anfechtungsregeln?

Ohne Bezug zu dieser Anfechtungsregel sind im italienischen Umwandlungsrecht die Vorgaben aus Art. 12, 19 der früheren Spaltungsrichtlinie (nunmehr Art. 146, 153 Gesellschaftsrechtsrichtlinie) umgesetzt. Nach Art. 12 müssen u. a. für Gläubiger einer spaltungsbeteiligten Gesellschaft, deren Forderungen bei Spaltung noch nicht fällig sind, Schutzvorschriften vorgesehen werden, und zwar zumindest in Form von Sicherheitsleistungen. Nach Art. 19 kann die Nichtigkeit einer Spaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen geregelt werden. Insbesondere kann danach eine Spaltung nur binnen sechs Monaten und nur wegen Fehlens einer Rechtmäßigkeitskontrolle, wegen Beurkundungsmangel oder wegen Fehlern des Spaltungsbeschlusses für nichtig erklärt werden. Weder Art. 12 noch Art. 19 nennen eine Anfechtung nach Art der italienischen Regelung als mögliches Gläubigerschutzinstrument bzw. als Nichtigkeitsgrund. Das italienische Gericht bat den EuGH daher um Klärung, ob die beantragte Anfechtung mit Art. 12, 19 vereinbar ist.

Anfechtungsbasierter Gläubigerschutz neben umwandlungsrechtlichem Schutz

Nach der Kammer wird die italienische Anfechtungsregelung zunächst nicht von den Gläubigerschutzvorgaben aus Art. 12 der Spaltungsrichtlinie gesperrt. Letztere seien als Mindestanforderungen zu verstehen. Sie hinderten die Mitgliedstaaten nicht daran, zusätzliche Instrumente zum Gläubigerschutz vorzusehen. Zudem ergebe sich aus Art. 12 nicht, dass Gläubiger, die von den Umsetzungsvorschriften zu Art. 12 keinen Gebrauch gemacht hätten, daran gehindert wären, andere als die in Umsetzung von Art. 12 erlassenen Schutzinstrumente zu nutzen.

Erfolgreiche Anfechtung trotz umwandlungsrechtlicher Unanfechtbarkeit

Auch die engen Nichtigkeitsvoraussetzungen aus Art. 19 seien durch eine Anfechtung nicht verletzt. Denn Art. 19 ziele insoweit nur darauf, die Nichteinhaltung der für das Zustandekommen des Spaltungsakts erforderlichen Voraussetzungen zu sanktionieren. Die Anfechtung dagegen betreffe nur den Schutz benachteiligter Gläubiger. Sie führe nur dazu, dass die Spaltung den Gläubigern nicht entgegengehalten werden könne, berühre aber nicht die Gültigkeit der Spaltung und habe keine Wirkung gegenüber jedermann. Als solche falle sie nicht unter den Nichtigkeitsbegriff des Art. 19.

Parallelregelungen in Deutschland

Zur Vereinbarkeit ähnlicher deutscher Anfechtungsregeln mit der Spaltungsrichtlinie enthält das Urteil unmittelbar keine Aussage. Als vergleichbar in Betracht kommen hier insbesondere das Anfechtungsrecht von Gläubigern nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) und das des Insolvenzverwalters nach §§ 129 ff. InsO. Inwieweit einer solchen Anfechtung auch Umwandlungsmaßnahmen nach dem deutschen UmwG (u. a. Spaltungen) unterliegen, ist umstritten.

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