Echt jetzt, Herr Tönnies – der Datenschutz…?

von Barbara Schmitz, veröffentlicht am 20.06.2020
Rechtsgebiete: Datenschutzrecht23|9647 Aufrufe

„Wir haben datenschutzrechtliche Probleme“, sagte der Unternehmer am Samstag (20.06.2020) bei einer Pressekonferenz in Rheda-Wiedenbrück. Laut Werkvertragsrecht dürfe das Unternehmen die Adressen der betreffenden Arbeiter nicht speichern.

Es ist absolut begrüßenswert, wenn Unternehmen den Datenschutz ernst nehmen und die personenbezogenen Daten ihrer Mitarbeiter, Dienstleister und Kunden schützen. Den Datenschutz aber als „As im Ärmel“ zu ziehen, ist mies und dient offenbar nur dem Zweck von den eigenen internen Unzulänglichkeiten abzulenken.

Es mag sein, dass die internen Prozesse und Strukturen nicht geeignet sind, um auf die Daten der (externen) Mitarbeiter zuzugreifen bzw. zu veranlassen, dass diese rechtmäßig weitergeben werden. Der Datenschutz verbietet das jedenfalls nicht.

Nicht erst mit der Datenschutz-Grundverordnung gibt es für die hier in Rede stehenden Datenverarbeitung Rechtsgrundlagen. Erwägungsgrund 46 spricht sogar explizit von der Möglichkeit der Datenverarbeitung für „humanitäre Zwecke einschließlich der Überwachung von Epidemien und deren Ausbreitung“. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der betriebliche Pandemieschutz und die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes stützen diese Rechtgrundlagen. Der LfDI BaWü spricht zu Recht von „einer mit der Übermittlungspflicht korrespondierenden Übermittlungsbefugnis der Arbeitgeber“.

Der Datenschutz sollte nicht zum wiederholten Mal als Ausrede herhalten müssen!

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23 Kommentare

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Aber die Gewerbesteuer kassieren die kreisangehörigen Gemeinden gern, gell? Tönnies sollte das durch Verlagerung in eine Gegend, in der man nicht so gegen das Unternehmen hetzt, ändern. 

Aber die Gewerbesteuer kassieren die kreisangehörigen Gemeinden gern, gell?

Auch wer Gewerbesteuer zahlt, muss sich an Gesetze und Grundrechte halten.

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Gast   06-21   11:11 - gegen welches Gesetz oder Grundecht soll Fa Tönnies bzw. deren Organwalter wann und mit welcher Handlung verstoßen haben?

Da kann Clemens Tönnies ja mal sich überlegen, was er damit für ein  Vorbild abgibt und wie das sich dann auf seine weiteren Geschäftstätigkeiten auswirken könnte. "Viel Feind, viel Ehr", das hat im Geschäftsleben immer ein gewisses Risiko. "Too big to fail" trifft auf ihn noch nicht zu. Bernie Ecclestone jedoch hatte den Dreh raus und sich bei der Justiz freigekauft. Sein Angebot von 100 Millionen führte zu einem Deal, der vom Staat nicht abgelehnt wurde.

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Wieviele Gewerbesteuern zahlt Tönnies und wieviele Subventionen, oder andere Beihilfen aus öffentlichen, auch europäischen Kassen, erhält er?

Übrigens, Sie frommer Mann: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88091216/corona-krise-gottesdienst-koennte-ursache-des-ausbruchs-bei-toennies-sein.html

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@Barbara Schmitz: Wieso sollte die Fa. Tönnies berechtigt sein, diese Daten zu speichern? Das Unternehmen hat Werkverträge mit Firmen in Osteuropa über das Zerlegen einer bestimmten Menge Tiere abgeschlossen, die Beschäftigten sind Arbeitnehmer dieser selbständigen Unternehmen. Als Werkbesteller bin ich doch nicht berechtigt, die Wohnanschriften der vom Werkunternehmer Beschäftigten zu speichern. Das ist für die Durchführung des Werkvertrages nicht eforderlich.

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Ob und in welchem Umfang die Daten der Werkverträgler bei dem auftrgagebenden Unternehmen zu speichern sind, dürfte sich aus den Gefährdungsbeurteilungen des Arbeitsschutzes ergeben (siehe § 8 ArbeitsschutzG). Die Werksverträge sollten es aber hergeben, dass im Gefährdungsfällen die Werkverträgler benachrichtigt und erreicht werden können; wenn nicht über den Auftraggeber/Verantwortlichen unmittelbar, dann aber über den Werkvertragsunternehmer direktt. Wenn das wegen ausländischer Werkvertragsunternehmer schwierig ist, muss das bei der Vertragsanbahnung/Ausschreibung bereits beachtet  und die Unternehmens-Prozesse entsprechend angepasst werden, damit eine Gefährundgsbenachrichtigung erfolgen kann. Damit wäre dann auch die (datenschutzrechtliche) Rechtsgrundlage für eine Daten(speicherung)verabeitung beim verantwortlichen Unternehmen gegeben.

§ 8 Arbeitsschutzgesetz regelt Info- und Abstimmungspflichten der Arbeitgeber. Das dürfte durch Merkblätter im Betrieb oder dort mündlich geschehen. Adresssammlungen von Privatwohnungen scheinen mir dort nicht Thema zu sein.

Die Frage ist ja nicht, ob die Daten gespeichert werden dürfen, sondern ob die wie auch immer gespeicherten oder sonst vorhandenen Daten herauszugeben sind. Toennies' Argument, dass nicht herausgegeben werden muss, was nicht hätte gespeichert werden dürfen, ist Unsinn.

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Unsinn ist das nicht, bei der Vorratsdatenspeicherung etwa würde es ja um dieselbe Problematik gehen, falls TK-Anbieter etwas unzulässig automatisiert speichern würden, aber die StA keine Rechtsgrundlage für ein Herausgabeverlangen hat. 

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Mittlerweile git es mehrfach Unklarheiten.

So etwa:

1.) In eigener Erklärung der Fa Tönnies : hatten sie nun die fraglichen Adressen oder nicht? Wenn zunächst Erklärung, man habe nicht alle, und dann bei Behördenzugriff bis 1:30 Uhr nachts dann doch alle gefunden ?

2.) Hat die BRD, Autobahnbau, die Wohnadressen aller bei beauftragten Unternehmen angestellten Arbeiter etwa an der Rheinbrücke Leverkusen?

3.) Woher kam gleichsam Infizierter Nr. 1? 

4.) Welche virologische Rolle spielten die laut Nachrichten ZWEI Infizierten aus einem Gottesdienst?

5.) Wenn die Wohnungsverteilug so breit gestreut ist, so kann die vormals anderweitig in Rede gestellte und politisch ausgeschlachtete Massenquartiernahme wohl   weniger eine Rolle spielen, oder?

6.) Die Berechtigung der Mahnung jener Bischöfe um Viganò erfährt eine beeindruckende Bestätigung. Nun wird Corona zum Vorwand genommen, um ganz andere ideologische Ziele voranzubringen, "Tierschutz".

7:) Unerklärlich, warum der ganze Betrieb dichtgemacht wrd. Die tausende nicht Infizierten müssten doch arbeiten können Zumal unabhängig davon die Produkte für Verbraucher ungefährlich sind.

 

 

 

7:) Unerklärlich, warum der ganze Betrieb dichtgemacht wrd. Die tausende nicht Infizierten müssten doch arbeiten können Zumal unabhängig davon die Produkte für Verbraucher ungefährlich sind.

In der sog. "Arbeitsquarantäne" geschieht das doch: https://www1.wdr.de/nachrichten/vertrauen-in-firma-toennies-auf-null-100.html

Lesen Sie aber mal hier auch: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/toennies-corona-rumaenen-covid-1.4943416

Die erwähnten Tests ohne eine schnelle Bekanntgabe dürften Tests des Arbeitgebers Tönnies gewesen sein.

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Tja, Gast 06.21   22:37 Uhr - lügt denn die NW  17.6.2020? 

"Tönnies schickte 7.000 seiner Mitarbeiter in Quarantäne.

Adenauer sagte, dass es keinen allgemeinen Shutdown geben werde, wohl aber „einen Shutdown bei der Firma Tönnies". Der Landrat ordnete die sofortige Schließung des Schlachtbetriebes an."

 

Weitere "Lügenpresse"? FAZ 18.6.2020: "der Kreis ordnete zudem die Schließung des Schlachtbetriebs an."

 

@Barbara Schmitz:

Könnten Sie erläutern,

- auf welcher Rechtsgrundlage ein Auftraggeber personenbezogene Daten der Werkvertragsarbeitnehmer zur Wohnanschrift erheben und speichern darf?

- auf welche Rechtsgrundlage ("Erwägungsgründe" reichen ja eher nicht)  eine Auskunfts/Übermittlungsanordnung gegen den Auftraggeber im Hinblick auf diese Daten gestützt werden können soll? Bzw. wenn er sie nicht selbst gespeichert hat: ob und auf welcher Grundlage eine Verpflichtung besteht, diese Daten bei dem ausl. Subunternehmer zu beschaffen und weiterzuleiten?

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Nun ja, Gast 06-22    10:17 Uhr - tut sie nicht, kann sie nicht, geht nicht. Juristisch würden bereits ansatzweise Kentnisse etwa vom BVerfG-Urteil zur Datenabfrage genügen. Erforschung und daneben gesondert AUSWERTUNG sind jeweils einzeln relevante und rechtfertigunsbedürftige Eingriffe in Datenschutz. 

Das ist aber Leuten, die wie Sven-Georg Goebbels gegen Tönnies hetzen und brüllen: "Wollt ihr die totale Datensammlung?Wollt ihr sie noch totaler und radikaler, als ihr sie euch bisher vorstellen könnt?"  wurscht. 

Natürlich tut sie das und kann sie das auch.

Wie der aktuelle Bundesdatenschutzbeauftragte, Herr Kelber, und der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte, Herr Schaar, bereits hinreichend erläutert haben, sind die datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen dem Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu entnehmen.

Richtig ist sicher, dass es nicht primärer Zweck eines Werkvertrages ist, die Daten der Werkvertragsbeschäftigten zu erheben und zu speichern. Primärer Zweck ist die Erstellung des Werkes. Die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten, sowohl der Beschäftigten des Auftraggebers als auch derer des Werkvertragsunternehmers, ist aber ebenso Teil eines Werkvertrages. Die Beschäftigten des Werkvertragsunternehmers treffen auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers auf eine neue Arbeitsumgebung und neue Arbeitsabläufe im Einsatzbetrieb. Die Stammbelegschaft des Auftraggebers trifft auf Werkvertragsbeschäftigte, die häufig nicht umfassend mit den Gegebenheiten im Einsatzbetrieb vertraut sind (siehe Leitlinie Arbeitsschutz bei der Kooperation mehrerer Arbeitgeber im Rahmen von Werkverträgen).

Tritt ein Gefährdungsfall ein – z.B. pandemische Infektionen – hat die Fürsorgepflicht von Auftraggeber und Werksunternehmer zu greifen. Sind zur Eindämmung des Gefährdungsrisikos die Weitergabe der Daten der Werkvertragsbeschäftigten erforderlich, hat der Auftraggeber diese entweder beim Werkvertragsunternehmer anzufordern und dann weiterzugeben oder den Werkvertragsunternehmer anzuweisen, die geforderten Daten an die Behörden weiterzugeben. Rechtsgrundlage hierfür ist die Fürsorgepflicht aus Arbeits- und Werkvertrag und der Prozess und die Verpflichtung dazu ist im besten Fall auch schon im Werkvertrag abgebildet. Unterstützt wird diese Verpflichtung von § 42 Abs. 1 und 2 Nr. 1 iVm § 43 Abs. 5 IfSG, wonach Beschäftigte in der fleischverarbeitenden Industrie eine entsprechende Gesundheitsbescheinigung nachgewiesen haben. Allein hieraus ergibt sich schon eine Liste der Werkvertragsbeschäftigten. Eine Übermittlung dieser Liste durch den Werkvertragsunternehmer an den Auftraggeber sollte zu der werksvertraglichen Verpflichtung gehören, denn nur so kann der Auftraggeber seiner Fürsorgepflicht auch seinen eigenen Mitarbeiter nachkommen. Im Vertragskonstrukt ist dabei datenschutzseitig auch auf die gemeinsam Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO abzustellen und die entsprechenden Voraussetzungen, wie Information der Betroffenen umzusetzen.

Für die Weitergabe der entsprechenden Listen mit den Daten der Werksvertragsbeschäftigten sind nach meinem Verständnis - abhängig von der Perspektive, die erforderlich werden kann – folgende Unterpunkte des Art. 6 Abs. 1 heranzuziehen:

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt

  • rechtliche Verpflichtung: IfSG
  • Verantwortliche: Auftraggeber/Werkvertragsunternehmer (als gemeinsam Verantwortliche nach Art. 26 DSGVO)

d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen

  • Lebenswichtige Interessen: Erkennung und Eindämmung von COVID-19
  • Betroffene Person: Werkvertragsbeschäftigte

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt

  • Verhältnismäßigkeitsabwägung: Eingriff in die Privatsphäre überwiegt nicht dem berechtigten Interesse an der Wahrung der Fürsorgepflicht des (Werkvertrags-)Unternehmers

Übrigens FAZ 18.6.2020 ein  sehr schöner Beleg für die Richtigkeit der Vorhaltungen der Bischöfe Viganò u.a., wonach das Corona-Tamtam missbraucht wird, um ganz andere, völlig davon unabhängig und bereits zuvor verfochtene Ideologismen durchzudrücken und dazu das Coronatum zu missbrauchen:  " Auch Volker Brüggenjürgen von der Caritas Gütersloh war unter den Demonstrierenden. „Wir kritisieren seit Jahren die Arbeits- und Wohnbedingungen bei Tönnies“, so der Vorstandsvorsitzende. „Das System Tönnies gefährdet den sozialen Zusammenhalt.“ 

Das mit dem "sozialen Zusammenhalt" kann man übrigens genau umgekehrt sehen: die Werkvertragsbeschäftigten erzielen in Deutschland Einkünfte, die weit über denjenigen in ihrer Heimat liegen. Sie verringern damit die Diskrepanz zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen in den verschiedenen Mitgliedstaaten und tragen zum sozialen Zusammenhalt in der EU bei. Die Freizügigkeit der Arbeitskräfte gehört schließlich zu deren Grundfreiheiten.

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